Rudolf Steiner - Eurythmie – die Offenbarung der sprechenden Seele

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Grundlagen der Eurythmie von Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik.
Ansprachen zu Eurythmie-Aufführungen aus den Jahren 1918 bis 1924. Die Eurythmie als harmonische Bewegungslehre und Bewegungskunst entstand ab 1908. Objektive, innere und seelische Zustände werden durch äußere, lebendige Bewegungen des gesamten Körpers sichtbar gemacht. An Waldorfschulen wird pädagogische Eurythmie gelehrt um die harmonische Entwicklung des heranwachsenden Körpers zu fördern. Heileurythmie wird zur Behandlung von Erkrankungen angewendet.

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LUNATA

Eurythmie – die Offenbarung der sprechenden Seele

Eurythmie – die Offenbarung der sprechenden Seele

Eine Fortbildung der goetheschen Metamorphosenanschauung im Bereich der menschlichen Bewegung

© 1918-1924 by Rudolf Steiner

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Das Prinzip der Eurythmie und wie sie entstanden ist

Der Grundgedanke der eurythmischen Kunst

DIE IMAGINATIVE OFFENBARUNG DER SPRACHE

1. Vortrag

2. Vortrag

DREI ANSPRACHEN

I. Eurythmie als bewegte Plastik

II. Die Stellung der Eurythmie innerhalb der Künste

III. Eurythmie, die Sprache des ganzen Menschen

Die Beziehung zwischen Lautsprache und Bewegung

Pädagogische Eurythmie

Die Bewegung als Sprache der Seele

Über den Autor

Vorträge an verschiedenen Orten zwischen 1918 und 1924

Das Prinzip der Eurythmie und wie sie entstanden ist

WIEN, 2. JUNI 1918

Die Veranlassung, diese sogenannte Eurythmie in unserem Kreis zu betreiben, ist eigentlich wie eine Art Schicksalsfügung gekommen, wie wir überhaupt nicht eine agitatorische Bewegung sind, sondern bei unseren Maßnahmen immer darauf sehen, was in der Zeit sich notwendig von da- oder dorther ergibt. Programm-Macher sind wir nicht. So kam es, dass ein Mitglied unserer Gesellschaft mich eines Tages fragte, ob vielleicht, gerade mit Rücksicht auf die jüngeren und älteren Mitglieder, die dafür besonderes Interesse finden könnten, eine Art Tanzkunst in unserem Kreis inszeniert werden könnte. Das führte dazu, dass diese Eurythmie in unseren Kreis eingeführt worden ist. Sie ist bis jetzt noch immer im Anfangsstadium, und es wird bedeutsam sein, dieses Anfangsstadium zu verfolgen, denn die Eurythmie ist etwas Neukünstlerisches, aber im Anfangsstadium. Als diese Frage an mich herantrat, musste ich mir selbst sägen, innerhalb unseres Kreises kann nicht das, was man sonst bisher gerade als Tanzkunst verstanden hat, besonders gepflegt werden, da man heute hinlänglich auf dem Gebiete der Tanzkunst die mannigfaltigsten Versuche sieht. Man musste sich erinnern, dass die Bewegung im Grunde genommen als künstlerisches Wirken und Schaffen von der Menschheit ausgegangen ist, alle geistige Bewegung. Im Beginne einer gewissen Zeit, die sich sogar, ich möchte sagen, historisch mit unseren geistigen Mitteln zurückverfolgen lässt, wär es so, dass die geistigen Strömungen aus einer Quelle flossen. Im Ursprung waren die Erkenntnis, das religiöse und das künstlerische Leben aus einer Quelle geflossen. Man stellte etwas dar im alten mythischen Leben, das man begreifen wollte durch gewisse Verrichtungen, durch Kultushandlungen und dergleichen; man stellte denselben Inhalt dar für die menschliche Andacht, für die menschliche Verehrung, für die Offenbarung. Im schönen Schein stellte man dasselbe künstlerisch dar. Es war damals noch durchsichtig durch die drei Äste desselben Baumes, dass eine Quelle zugrunde liegt. Die Kunst als solche ist auch wieder aus einer Quelle entsprungen und beweist das instinktiv, indem in unserer Zeit die berechtigte Tendenz besteht, was dann in getrennten Strömen geflossen ist, zusammenzubringen. Wenn eine einzelne Kunst auftritt, muss diese selbstverständlich hervorgehen aus dem Bewusstsein, worauf das Künstlerische in seiner Totalität überhaupt beruht, und da war denn die Frage, wenn man den menschlichen Organismus durch Tanzkunst in Bewegung zu bringen hat, worauf das heute beruhen kann. Nichts Willkürliches sollte geschaffen werden, nicht etwas, was bloß aus den persönlichen Absichten eines Menschen hervorgeht. Programm-Macher sind wir nicht. Es handelte sich zunächst darum, Tanzkunst zu schaffen als Begleiter des Wortes. Sie wird auch ausgebildet werden als Begleiter des Tones. Heute handelt es sich um die Tanzkunst als Begleitung des Wortes. Wie erhält man etwas Objektives auf diesem Gebiete? Hier muss ich selbstverständlich auf die geisteswissenschaftlichen Ergebnisse hinweisen, wenn ich dieses Objektive zum Bewusstsein bringen will. Wenn der Mensch spricht, ist die Tendenz vorhanden, dass der ganze Organismus des Menschen, nicht nur der physische in Bewegung ist. Gerade das, was gesprochen wird, kommt aus dem ganzen menschlichen Organismus heraus; der ganze Ätherleib, Bildekräfteleib des Menschen ist in Bewegung. Dass der Mensch spricht, dass er Worte hervorbringt, wie man es gewöhnt ist, beruht darauf, dass gerade die Bewegungen des Bildekräfteleibes zurückgehalten und lokalisiert werden in der Gegend der Brust, des Kehlkopfes und der Nachbarorgane, der Zunge und so weiter. Durch das Lokalisieren der Bewegungsvorgänge, die den ganzen Organismus ergreifen, wird vom Ätherleib aus der Kehlkopf und seine Nachbarorgane in jene Bewegungen versetzt, welche das Wort und das Wortgefüge hervorbringen. Die Kehlkopfbewegung ist eine organische Bewegung unseres ganzen Ätherleibes. Wir können das aber zurücknehmen in den ganzen Leib. Was wir Eurythmie nennen, ist im Grunde von jedem Menschen ausgeführt, wenn er spricht. Es sind solche Bewegungen, welche von irgendeinem Organ des Kehlkopfs und seiner Nachbarorgane im Organismus beim gewöhnlichen Sprechen ausgeführt werden. Was lokalisiert ist im Kehlkopf, wird physisch übertragen vom Ätherleib aus auf ein Organ. Der ganze Mensch wird zum Kehlkopf gemacht. Derjenige, der ganz genau bekannt ist mit dem, worauf Eurythmie beruht, wird nicht zu hören brauchen im Allgemeinen ein Gedicht, sondern würde lesen können dasjenige, was der Inhalt eines Gedichtes ist, aus den Bewegungen. Wir sind im Allgemeinen nicht so weit, haben auch nicht so viele Kräfte zur Verfügung, so dass die Bewegungen nicht vollständig sind, sondern nur angedeutet werden. Wir gehen so vor, dass das Gedicht gesprochen wird und von den Bewegungen, die über den Organismus ausgebreitet sind, begleitet wird. Eurythmie ist eine expressionistische Kunst. Es wird Eurythmie von jedem Menschen hervorgebracht und wird nur übertragen auf den ganzen Organismus. Wir haben im Anfange versucht, eigentlich nur die Bewegung zu begleiten. Da hat sich uns gezeigt, dass es vielleicht stören kann unrezitativ die Bewegungen zu begleiten, und da die Eurythmie eine expressionistische, die Rezitation eine impressionistische Kunst ist, ergänzen sich diese, wie ich glaube. Man hat zwei Pole, und man bekommt heute durch Verbindung der Eurythmie mit der Rezitation etwas heraus, das uns als besondere künstlerische Spezialität vorschwebt. Die Übertragung der Kehlkopfbewegungen und derjenigen der Nachbarorgane auf den ganzen Organismus bezieht sich hauptsächlich auf die Bewegung des einzelnen Menschen. Wir machen Bewegungen, welche im Raume ausgeführt werden, und auch Gruppentänze, was wir nur primitiv vorführen können. Wenn bei diesen Tänzen, welche im Raum ausgeführt werden, die Arme bewegt werden, ist das die Ausführung der Kehlkopfbewegungen. Das, was im Raume vollführt wird, wo der ganze Organismus sich im Raume bewegt, wo sich Gruppen bewegen, schließt das ein, was sonst verhalten wird. Wir sprechen niemals bloß mit unserer Kehle. Wir sprechen uns mit dem ganzen Organismus, wenigstens im Rumpforganismus, physisch aus. Diese Bewegungen geben nur den Grundton des Sprechens. Das Timbre, man fühlt das durch, sind verhaltene Bewegungen; diese lösen wir auf, führen sie im Raume aus. Dazu gehört das, was im Rhythmus, im Reime liegt. Was gesprochenes Wort ist, tritt im Rhythmus auf; was im Raume ausgeführt wird, das Verhaltene, bleibt nur ein Grundton, die Grundstimmung; wenn ein Satz mit Wärme gesagt wird, oder sonst von Gemütsstimmung durchzogen wird, so kommt das durch die Bewegung im Raume zustande. Wir lösen die verhaltene Bewegung auf. Nichts ist Willkür. Alles Pantomimische, alle Mimik wird strenge vermieden. Alle Bewegungen sind fest bestimmt und fügen sich nach Gesetzen zusammen wie bei der Musikkunst. Das Individuelle kommt nur so weit in Betracht, als jemand eine Sonate nach seiner Auffassung so, der andere anders spielen kann. Das, was zugrunde liegt, ist im strengsten Sinne eine in sich geregelte Kunst. Aber wir sind im Anfangsstadium. Das ist, was uns unterscheidet von dem, was sonst ausgeführt wird, wo instinktiv Unwillkürliches, Gefühltes in willkürliche Bewegung umgesetzt wird. Wenn etwas Willkür darinnen liegt, kommt es nur durch die Auffassung hinein. Das wollte ich vorausschicken, um Sie auf das Prinzip aufmerksam zu machen.

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