Ich war wirklich froh, dass Finns Kollegen nicht ahnten, was mir da gerade durch den Kopf ging, während ich neugierig lächelnd Interesse bekundete. Gleichzeitig beruhigte es mich, dass ich meine Augen hinter dunklen Sonnenbrillengläsern verbergen konnte. Der Tag durfte also beginnen, ein neuer Tag, ein Tag mit ganz vielen Designern und ganz wenig Sex, ausgenommen natürlich dem, den ich mit mir selbst hatte.
Die folgenden Stunden sollte ich aber erst einmal mit Händeschütteln, Small Talk halten und vor dem Essen bangen verbringen, denn jede Einladung von Finns Kollegen stellte eine feinmotorische wie kulinarische Herausforderung dar. Was hatte ich da bloß zu suchen? Permanent überlegte ich, wie ich jeglichem geschmacklichen Neuland entgehen- und stattdessen Trockenobst, Schokoriegel und literweise Rotes Gold aufs Zimmer schmuggeln könnte. Doch einmal im Restaurant angekommen, gab es vor der asiatischen Gastfreundschaft kein Entrinnen. Gerade erst mit dem Frühstück fertig, fand ich mich auch schon inmitten einer zehnköpfigen Professorenschaft im Separee eines chinesischen Restaurants wieder. Alle flüsterten durcheinander und waren sehr darauf bedacht, nicht das Lächeln einfrieren zu lassen. Ich beobachtete die Kellnerin beim Servieren.
Immer mehr neue Gedecke wurden aufgetischt und zeitnah abgetragen, ohne dass das Essen darauf auch nur ansatzweise nachgelassen hatte. Ich stolperte und hakte mich durch undefinierbare Gerichte und dachte wehmütig an eine Butterstulle. Geruchsschwaden benebelten meine Sinne, Fleisch, Fische, Meeresfrüchte, Insekten, Penisse: alles schob ich in den Mund. Während wichtig aussehende Konzerndirektoren Finn nach Indien und Japan einluden, spuckte ich die schwer verdaulichen Teile vorsichtig in eine Serviette und versteckte sie zwischen den benutzten Desserttellern.
Plötzlich jedoch ertappte ich mich, wie ich Jarne, Finns Kollegen, einen Moment zu lange anstarrte. Dieser hatte stattdessen nur Augen für seine geheimnisvoll lächelnde Begleitung. Er hing an ihr wie die Gräten zwischen meinen Zähnen.
Nach dem Essen fotografierten wir uns in der Lobby gegenseitig vor schwefelgelben Sofas und schlechten Aquarellen und machten uns anschließend auf in die chinesische Freiheit. Zufrieden und beeindruckt von der asiatischen Gastfreundschaft rauchte Finn vor der Hotelhalle noch mit den anderen Designern eine Zigarette und verabredete sich mit ihnen zur Abendgala. Mit einer plumpen Ausrede sagte ich meinen Einsatz als anschmiegsame Begleitung ab, verabschiedete mich von der versammelten Design-Welt und verschwand frustriert im Fahrstuhl.
Ich saß allein auf dem Hotelzimmer. Vom Fenstersims aus betrachtete ich die blassgrauen Wolken. Die Aussicht bestand aus schwach beleuchteten Wohnriegeln. Es sah aus wie Krankenhauslicht. Kalt und Weiß. Von oben sahen die Häuser wie ramponierte Miniaturen einer Spielzeug-Anlage aus. Ich hauchte gegen die Fensterscheiben und schrieb ein Wort in den Dunst, wischte es weg und schrieb ein neues. So verging die Zeit. Finn schien es auf der Gala zu gefallen. Über meine Rage von vergangener Nacht legte sich nun die neue wie Grind. Ja, ich hatte mich wieder beruhigt. Alles war okay. Ich beschloss, mir das Warten erneut mit einem guten Freund zu versüßen und die Erosion in meinem Herzen ganz galant zu ignorieren. Man gibt sich einfach die Kante und bechert bis es nicht mehr geht.
Am folgenden und letzten Tag unseres Aufenthalts, sollte uns zum krönenden Abschluss des Kongresses via Bustour die Schönheit Chongqings und des Jangtse vermittelt werden. Ich konnte mir nun wirklich nichts Spannenderes vorstellen als mit den anderen Konferenz-Teilnehmern durchs Landesinnere zu tuckern. Gespielt freudig erregt nahm ich im hinteren Teil des Busses Platz, dem einzigen mit Schiebefenster. So entging ich glücklicherweise der muffigen Vergangenheit der Sitzpolster und war in der Lage zu erahnen, was hinter den vollständig beschlagenen Scheiben geboten wurde. Solides Grau und sozialistische Details mischten sich mit kapitalistischer Gier. Touristen aßen sich durch die engen Gassen und bestaunten die bärtigen Handwerker der Gegend. Am Fluss ragte eine unfertige Schnellstraßen-Trasse über den Restaurant-Booten. Der freundliche Reiseleiter fragte mich, warum ich nichts kaufe. Mir war nicht klar, was ich kaufen sollte. Außer Sex vielleicht.
Mein Blick huschte von Jarnes Po über mehrstöckige Ausflugsdampfer und verirrte sich schließlich zwischen bunten Leucht-Drachen und schillernden Girlanden. Der Fluss zwang sich durch ein meterhohes Korsett aus Beton und Stahl, daneben lagen, der Propaganda nach unbewohnt, verrostete Lastkähne. Darauf trocknete Wäsche im Neonlicht der Hochhaustürme.
Das Einzige, was ich mir nach diesem Ausflug öfter vorstellte war, Jarne zu berühren und mit ihm und seiner Assistentin aufs Hotelzimmer zu verschwinden. Während unseres Menge á trois würde im Hintergrund leise der Softporno mit Simon le Bons Double über die Mattscheibe flimmern, wir würden uns einander bis in die frühen Morgenstunden hingeben und ich würde Finn mit Jarne nicht nur betrügen, sondern ihn rigoros abstrafen. Was für ein entzückender Gedanke.
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