Lizzie verstaute nun endlich die Handtücher und zog dann die schimmernd hellblauen Stoffwolken vorsichtig auseinander, bevor sie ihre Herrin ansah: „Wie wäre ein weißes Bustier mit einem weißen Unterrock und darüber ein schmaler Rock aus diesem Stoff, so gerafft, dass man das Weiße gerade noch sehen kann, Mylady?“
„Und um die hohe Taille ein breites Band – in Silber oder in Violett?“, ergänzte Cora träumerisch.
„Unbedingt in Violett, Mylady. Und weiße Handschuhe. Sie haben doch ein silbernes Halsband mit zwei Amethysten?“
Sie verbrachten eine genussvolle halbe Stunde damit, Violett- und Lilatöne zu vergleichen, nach einem weißen Kleid zu suchen, dass man passend umarbeiten konnte, den Kasten mit den langen Handschuhen zu revidieren und zu überlegen, was man aus den reichlichen Überresten des hellblauen Reifrocks anfertigen konnte. Vielleicht zu Silber? Ein blaues Oberteil mit einem silbern schimmernden Rock?
Schließlich sah Cora Lizzie verschmitzt an: „Grafton House?“
„Oder den Pantheon Bazaar, Mylady.“
„Am besten beides. Vielleicht morgen nach dem Spaziergang im Park…“
„Gewiss, Mylady. Ein sehr stattlicher Gentleman, Mylady, wenn ich das sagen darf.“
„Du darfst – aber nur zu mir! Wehe, du tratschst!“
Lizzie war entrüstet: „Mylady! Das täte ich doch nie!“
Cora tätschelte ihr den Arm. „Das weiß ich doch, Lizzie. Bleib auch bitte dabei!“
Beim Lunch, dem ihre Mutter und Diane nur sehr verhalten zusprachen – sie waren ohnehin erst vor etwa zwei Stunden aufgestanden – erfuhr Cora, dass man gegen fünf in den Park ausfahren würde.
„Sehr nett“, lobte sie brav und bediente sich mit kaltem Braten und in Eierteig ausgebackenem Hühnerfleisch. Diane sah ihr angewidert zu: „Wie kannst du so früh am Tag solches Zeug essen?“
„Früh am Tag? Es ist schon fast Nachmittag und ich habe vor vielen Stunden etwas spärlich gefrühstückt.“
„Warst du wieder vor Tau und Tag unterwegs?“, erkundigte sich die Herzogin, hörbar nur mäßig interessiert.
„Gewiss, das erfrischt die Lebensgeister. Natürlich mit Lizzie und James, ich weiß ja, was ich meinem Ruf schulde!“
Ihre Gnaden nickte zustimmend, Diane zuckte die Achseln. „Um diese Zeit ist doch niemand im Park?“
„Eben, man kann die Luft genießen und sieht nur von weitem vereinzelte Reiter auf Rotten Row und wenige Spaziergänger. Hauptsächlich Nannys mit ihren Schützlingen.“
„Das ist doch schrecklich langweilig?“
„Für mich nicht.“ Cora wandte sich zu Ihrer Mutter. „Aber ich fahre natürlich gerne mit Ihnen aus, Mama. Und mit Diane.“
Der zweite Satz klang etwas lahm, aber Diane registrierte dies wohl gar nicht, sie hatte anderes zu bedenken.
„Mama, ist Ihnen Lady Dalley ein Begriff?“
„Aber gewiss“, antwortete Ihre Gnaden, ohne zu erröten. Cora angelte sich noch ein Geflügeltörtchen und beschäftigte sich angelegentlich damit, um sich nicht durch ein wissendes Lächeln zu verraten.
„Sie ist die Schwester des Earl of Carew, also eine durchaus standesgemäße Lady.“
Dazu hätte Cora noch einiges zu ergänzen gewusst, aber auf sie hörte ja ohnehin niemand!
„Gibt es wohl auch eine Lady Carew?“
Das wusste die Herzogin leider auch nicht, vermied es aber, hilfesuchend zu Cora zu sehen, die gerade ihr Törtchen auf das Zierlichste in mundgerechte Stücke zerlegte und das Gespräch offensichtlich gar nicht verfolgt hatte.
„Lady Dalley hatte dazu nichts zu sagen?“
„Nein, leider. Sie hat mir ihr Stadthaus beschrieben, es muss sehr prunkvoll sein. Ich glaube, ihr Gemahl ist sehr, sehr wohlhabend… sie hat sich nur für diese kleine Saison fünfzehn Ballroben geleistet, Mama, stellen Sie sich das nur vor! Fünfzehn! Und ich habe nur zwei neue Roben bekommen…“ Diane schniefte vor Selbstmitleid.
Ihre Gnaden entgegnete nur lakonisch: „Heirate einen reichen Mann, dann kannst du dir auch fünfzehn Ballroben leisten.“
„Wie soll ich einen reichen Mann finden, wenn ich in Lumpen auf die Bälle gehen muss?“, maulte Diane weiter.
„Du hast zwei neue Roben bekommen und Cora gar keine!“
Cora sah überrascht auf: Ihre Mutter bemühte sich um Gerechtigkeit? Was war mit ihr geschehen?
„Ach, Cora!“
„Sag das nicht so verächtlich, mein Kind. Deine unzweifelhafte Schönheit“ –
„Ha! Und darauf kommt es doch schließlich an!“
„- wird durch dein überhebliches Benehmen durchaus beeinträchtigt. Lady Sherville, die gestern neben mir saß, hat auch festgestellt, dass deine Haltung ungebührlich stolz gewirkt hat und deshalb wohl niemand dich zum Tanz bitten wollte.“
Daher wehte also der Wind…?
„Wer ist denn schon diese Lady Sherville!“
„Sie war sehr elegant gekleidet“, erinnerte Cora sich an die Nachbarin ihrer Mutter.
„Lady Sherville ist die Marchioness of Sherville und eine Frau mit einem sehr sicheren Urteil. Und, mein liebes Kind,“ – aha, das sagte ihre Mutter immer, wenn sie ernsthaft ärgerlich war! – „ich wüsste auch wirklich nicht, dass du so viel getanzt hättest!“
„Warst du eigentlich den ganzen Abend mit Lady Dalley zusammen?“, wollte Cora wissen, die mit ihrem Törtchen nun endgültig fertig war.
Diane warf ihr einen giftigen Blick zu, sagte aber nichts, denn die Diener räumten noch den Tisch ab.
„Gehen wir in den hinteren Salon“, verfügte Ihre Gnaden und erhob sich, um, von ihren Töchtern gefolgt, hinauszurauschen.
„Warum willst du das wissen?“, fuhr Diane ihre Schwester an, sobald die Salontüren sich hinter ihnen geschlossen hatten.
„Es ist nur, weil ich dich fast den ganzen Abend nicht gesehen habe, auch nicht beim Tanz!“
„Als ob du getanzt hättest!“, höhnte Diane prompt.
Cora winkte ab, das war ihr nun wirklich zu albern – ihre Mutter allerdings verwies ihrer Ältesten diese Bemerkungen. „Sogar Hartford hat mit ihr einen Walzer getanzt!“
„Hartford? Dieser ältliche Viscount? Nun ja, wenn du damit zufrieden bist…“
„Du übertreibst“, erwiderte Cora mit mäßigem Interesse, „ich habe doch nur einmal mit ihm getanzt. Er scheint aber recht klug zu sein. Und das kann man ja nicht von jedem Gentleman in einem Ballsaal behaupten.“
„Aber Cora!“
Sie warf ihrer Mutter einen wenig zerknirschten Blick zu. „Mama, das können Sie nun wirklich nicht bestreiten!“
„Wie heißt denn der Mann von dieser Lady Dalley?“, wandte Ihre Gnaden sich sofort an ihre andere Tochter, die nicht so lästig in sie drang.
„Vermutlich Lord Dalley“, antwortete Diane.
„Hoffentlich ist es wenigstens ein einigermaßen angesehener, vornehmer alter Titel, sonst ist diese Dame wohl doch kein Umgang für dich!“
„Lady Dalley ist eigentlich Lady Eloise Dalley!“, trumpfte Diane auf, die ja bei allem Standesdünkel nicht besonders gut in den Feinheiten der englischen Adels- und Höflichkeitstitel Bescheid wusste. Cora hatte dies aus Interesse an diesen Details einmal gründlich studiert und wandte nun ein: „Sie ist doch die Schwester eines Earls, hast du gesagt? Daher trägt sie also den Titel einer Lady…“
„Eben! Das ist ja wohl wirklich vornehm!“
„Vorsicht, Schwesterchen“, mahnte Cora nicht ohne Amüsement. „Wenn sie ihren eigenen Titel immer noch trägt, heißt das, dass ihr Ehemann einen geringeren Titel trägt und sie deshalb ihren Rang behalten hat.“
„Blödsinn!“, blaffte Diane unhöflich.
„Doch“, urteilte die Herzogin, „da hat Cora vollkommen Recht. Dieser Dalley ist ein Viscount, ein Baron oder gar nur ein Baronet. Reichgeworden, vermutlich. Keine alte Familie. Diane, das dürfte kein Umgang für dich sein!“
„Dann darf Cora aber auch nicht mit Hartford tanzen!“ Diane triumphierte, immer noch zornrot.
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