Catherine St.John - Eine vernünftige Verbindung

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Der alte Earl of Eastley setzt seinen Enkel Miles unter Druck, endlich zu heiraten und für die Nachfolge zu sorgen. Ansonsten werde Miles nur den Titel und den verfallenden Stammsitz Easton Manor erben, aber nicht die viel schönere und komfortablere Eastley Hall.
Sir Charles Allington versucht zu beweisen, dass seiner Familie eigentlich ein Herzogstitel zustehen müsste und kümmert sich darüber hinaus um rein gar nichts. Seine Tochter Emily verzweifelt allmählich an der wachsenden Geldnot und der Tatsache, dass ihr kleiner Bruder nicht auf eine gute Schule geschickt werden kann, weil es nicht einmal fürs Schulgeld reicht.
Nach einem zufälligen Zusammentreffen stellen Miles und Emily gemeinsame Interessen fest und heiraten.
Das junge Paar bezieht das arg vernachlässigte Manor und geht an die Arbeit; der junge William wird nach Eton gebracht. Das Manor ist schmutzig, fast unmöbliert und merkwürdig verschachtelt gebaut – immer wieder stürzt etwas um, Türen nach draußen stehen offen, Schmuck findet sich an den seltsamsten Stellen und Emily wird sogar niedergeschlagen.
Treibt eine Bande von Juwelendieben hier ihr Unwesen? Der alte Earl und die Nachbarn sind nur begrenzt hilfreich und so dauert es etwas, bis Miles und Emily das Geheimnis aufklären und den spukartigen Vorfällen ein Ende machen können. Dabei sind sie sich aber immer näher gekommen und so wird aus der vernünftigen auch eine Verbindung voller Liebe.

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Eine vernünftige Verbindung. Historischer Roman

Catherine St.John

Published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright: © 2020 R. John 85540 Haar

Cover: Edmund Blair Leighton: The Wedding Register

ISBN 978-3-753108-01-8

Kapitel 1

„Ich verstehe nicht recht, Sir?“

George Easton, der dritte Earl of Eastley, saß mit unbewegter Miene in seinem Lieblingsstuhl, einem wahren Monster, mit dunkelrotem Brokat bezogen und auf wirklich abscheulichen Klauenfüßen ruhend. „Du hast mich sehr wohl verstanden, junger Nichtsnutz!“

„Jung, Sir? Ich bin immerhin fünfunddreißig!“

Der Earl kicherte greisenhaft. „Aus meiner Sicht ist das jung. Außerdem solltest du in deinem Alter doch wenigstens eine Ehefrau und eine Schar Kinderchen aufzuweisen haben. Was hast du bis jetzt geleistet in diesen fünfunddreißig Jahren?“

Diese Frage brachte seinen Enkel, Miles Easton, in Verlegenheit. Auf erlesene Kleidung und große Fertigkeit im Reiten, Kutschieren, Fechten und Schießen hinzuweisen, war gewiss vergeblich – und alles andere ging den Earl nichts an. Der alte Herr würde ja doch nur abfällig schnauben!

„Was erwarten Sie also von mir, Sir?“

„Dreimal darfst du raten, junger Tunichtgut. Du weißt, dass du mein Erbe sein solltest?“

„Nun, Sir, gewiss doch.“

„Und was hast du bisher getan, um die Erbfolge sicherzustellen? Im Moment ist dein Erbe dein Cousin Jim – kein Eastley, sondern ein Fenwick, aber ein braver Junge.“

„Ich wüsste nicht, dass er bereits für die nötigen zwei Söhne gesorgt hätte“, antwortete Miles verdrießlich, dem das Thema des Gesprächs zu einer so frühen Tageszeit durchaus Kopfschmerzen bereitete.

Der Earl grinste kurz. „Er scheint sich aber nach einer passenden Frau umzusehen! Ich höre, dass er fleißig Bälle besucht.“

„Ich wünsche ihm viel Erfolg dabei“, murmelte Miles. Jim war ja ein ordentlicher Kerl, aber er hatte nur ein bescheidenes Vermögen, war lediglich ein Baronet und sah so durchschnittlich aus, dass man sich seiner kaum erinnerte. Sehr hoch konnte er seine Augen damit wohl kaum erheben.

„Sei nicht so hochmütig“, warnte sein Großvater, der bekanntlich Gedanken lesen konnte. „Was hättest du bei der Brautwerbung denn anzubieten, wenn man davon ansieht, dass du ein ganz hübsches Bürschchen bist?“

Miles grinste vorsichtig. „Nun, meine Frau wird eines Tages eine Countess sein, nicht wahr?“

„Gut gegeben. Ja, das bleibt dir auf jeden Fall.“

„Auf jeden Fall? Was ist mit – dem hier?“ Er beschrieb mit weit ausholender Handbewegung Eastley Hall und die Ländereien rundherum.

„Das“, antwortete Seine Lordschaft maliziös, „gehört nicht zum Earldom. Ich kann darüber verfügen, wie ich möchte. Und ich denke nicht, dass ich es einem jungen Nichtstuer hinterlassen werde, der herumtändelt und nicht daran denkt, die Linie fortzusetzen, obwohl er aus den Jugendjahren schon längst heraus sein sollte. Vielleicht erweist sich Jim ja doch als der bessere Erbe…“

Miles starrte seinen Großvater an.

„Mach den Mund zu“, empfahl dieser ärgerlich, „so siehst du recht dümmlich aus. Dir bleibt ja immer noch Easton Manor, nicht wahr?“

„Dieser Trümmerhaufen?“, ächzte Miles. „Darin kann man nicht wohnen!“

„Nun, das ist Ansichtssache, nicht wahr? Ein Dach hättest du dort über dem Kopf, ob es freilich dicht genug ist, den Regen abzuhalten… eigentlich wäre das genau die richtige Aufgabe für dich, wenn ich es mir recht überlege! Ich denke, so werde ich verfügen.“

„Was erwarten Sie dann von mir?“

„Junge! Geh und such dir eine Frau! Bring mit ihr Easton Manor in Schwung und zeuge zwei Erben, dann bekommst du am Ende auch Eastley Hall – all dies hier.“

Er nahm zierlich eine Prise, ganz im Stil des vergangenen Jahrhunderts, und betrachtete seinen Enkel lauernd.

Der grunzte unwillig. „Mir bleibt ja wohl keine Wahl, nicht wahr? Haben Sie noch irgendwelche Wünsche bezüglich Ihrer künftigen Enkelin?“

„Nein. Sie soll dir gefallen – ach, doch: bitte keine Straßendirne aus dem East End und keine raffgierige Witwe vom Rande der besseren Gesellschaft.“

„Ich finde keinen Gefallen an ordinären Personen“, verwahrte Miles sich, ehrlich beleidigt.

„Dann bin ich ja beruhigt“, behauptete der Earl, der sich stets bemühte, sich über das Tun und Lassen seines Enkels zu informieren. „Such dir eine vernünftige junge Frau, die zupacken und später einmal als Countess auftreten kann. Falls die beiden Erben sich fristgerecht einstellen, heißt das.“

„Was bedeutet hier fristgerecht ?“

„Ich gebe dir insgesamt drei Jahre, aber hoffentlich weißt du, dass sich Kinder nicht von heute auf morgen herstellen lassen? Also geh an die Arbeit!“

„Danke für den Hinweis, Sir.“ Miles verbeugte sich mit zusammengebissenen Zähnen und wandte sich zum Gehen.

Er war schon fast an der Tür der gewaltigen Bibliothek angekommen, als der Earl ihn noch einmal zurückrief. „Hast du nicht etwas vergessen?“

„Ich wüsste nicht, Sir.“

„Brauchst du kein Geld?“

„Nein. Ich habe für meine Bedürfnisse genug. Und Sie würden mich ja doch nur betteln lassen und mir am Ende jede Hilfe verweigern. Ich komme schon zurecht. Gehaben Sie sich wohl, Euer Lordschaft.“

Der Krach, mit dem die schwere Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stellte ihn ausgesprochen zufrieden, allerdings musste er einige Minuten später zugegeben, dass seine Reaktion doch etwas kindisch gewesen war.

Trotzdem: dieser alte Teufel! Erpresste ihn mit dem Hinweis auf den Simpel Jim! Dass der früher eine Frau fand als er selbst: unvorstellbar! Aber wenn doch? Dann wäre Eastley Hall verloren – und er liebte dieses großzügige und trotzdem gemütliche Haus.

Kapitel 2

Er stieg auf Dawn, der sich nur recht ungern von der Heuraufe in den gräflichen Stallungen hatte wegführen lassen, und machte sich auf den Weg nach Hause. Die Wohnung in der Jermyn Street erschien ihm, als er so darüber nachdachte, recht klein. Und in London stank es entsetzlich. Erstaunlich, dass die Luft auf Eastley Hall so viel besser war, so frisch und kühl! Zu Pferd war man ja kaum zwei Stunden unterwegs – und ein solcher Unterschied?

Dawn trabte gemächlich vor sich hin, aber es dauerte nicht lange, bis Miles feststellte, dass sein Pferd immer langsamer wurde und etwas ungleichmäßig ging.

Er saß ab und führte Dawn einige Schritte, um zu sehen, welches Bein er schonte, und inspizierte den rechten Vorderfuß. Dem Bein schien nichts zu fehlen, als er es vorsichtig abtastete, und Dawns Schnauben klang leicht ungeduldig, als wollte er sagen Doch nicht da, du Dummkopf ! Der Huf? Das Eisen saß noch fest und in den Huf selbst hatte Dawn sich wohl auch nichts eingetreten – bei dem kräftigen Eisen wohl auch kaum möglich!

„Kann es sein, dass du nur keine Lust mehr hast, du Komödiant?“, murmelte Miles ihm ins Ohr. Dawn bewegte aufmerksam die Ohren, schnaubte und schüttelte den Kopf. Ob das etwas zu bedeuten hatte?

Nun, er würde ihn eine Zeitlang führen, vielleicht erholte er sich, wenn er kein Gewicht zu tragen hatte?

Sie schlenderten dahin, Miles genoss die spätnachmittägliche Sonne, die durch die Bäume links und rechts der Landstraße schien, und Dawn schien einigermaßen zufrieden zu sein, denn er schnaubte immer leiser. Miles klopfte ihm den samtigen hellgrauen Hals und fragte: „Besser?“, erhielt aber leider keine Antwort. Oder war gar kein Geräusch auch eine Antwort?

Schließlich tauchte rechter Hand eine recht klägliche Hütte auf; Miles betätigte zaghaft den Türklopfer, denn die Hütte sah aus, als wolle sie gleich in sich zusammenfallen.

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