Laura Markham
Gelassene Eltern –
glückliche Geschwister
Wie man das Streiten beendet und Geschwister Freunde fürs Leben werden
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Nicole Celik
Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel: PEACEFUL PARENT, HAPPY SIBLINGS bei Perigee, einem Imprint von Penguin Random House LLC, New York, USA.
Deutsche Erstausgabe
1. Auflage 2021
Copyright der deutschen Ausgabe © 2021 Arbor Verlag GmbH, Freiburg
Copyright der Originalausgabe © 2015 by Dr. Laura Markham
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
This edition published by arrangement with Perigee, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.
Lektorat: Georg Grässlin
Titelfoto: © Patty Brito/unsplash.com
Umschlaggestaltung und Satz: mediengenossen.de
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-325-9
Wenn Sie ein Kind haben, sind Sie Eltern. Wenn Sie zwei Kinder haben, sind Sie der Schiedsrichter.
David Frost
Bevor Sie Ihren Kindern beibringen können, wie man zuhört, Probleme erkennt, Gefühle ausdrückt, Lösungen findet und eine gemeinsame Ebene erarbeitet, müssen Sie diese Fähigkeiten zur Bewältigung von Problemen erst selbst erlernen.
Laura Davis und Janis Keyser, Becoming the Parent you want to be
Du meinst, das Baby könnte ein Junge werden? Aber ich bin dein Junge. Ich glaube, es ist okay … Wir können ihn immer wieder zurückgeben, richtig?
Sohn der Autorin, 3 Jahre alt
Einleitung
TEIL I Grundlagen der gelassenen Elternschaft
1 Wie man zu entspannten Eltern wird
2 Wie gelassene Disziplin die Geschwisterbeziehung unterstützt
3 Ursachen von Geschwisterrivalität – und wie Eltern es besser machen können
Teil II Frieden lehren
4 Kinder so coachen, dass sie Gefühle ausdrücken und lösen können
5 Wenn Probleme nicht gelöst werden können: Anleiten, wie man Konflikte beilegt
6 Warum können sie nicht einfach teilen? Warum Kinder sich um Besitz streiten
7 Den Wettbewerb erleichtern
8 Mittel, um Rivalität vorzubeugen und Bindung zu fördern
Teil III Bevor das neue Baby kommt und im ersten Jahr
9 Bevor das Baby zur Welt kommt: eine herzliche Begrüßung möglich machen
10 Einen guten Start erwischen: Die Geburt und die ersten Monate danach
11 Eine sichere Basis schaffen, wenn das Kind zu krabbeln beginnt
Schlussbemerkung: Entscheiden Sie sich für die Liebe
Danksagungen
Literaturhinweise
Über die Autorin
Auf die Reaktion meines Sohnes, als seine kleine Schwester zur Welt kam, war ich in keiner Weise vorbereitet. Er war damals vier und hatte bis dato nur ein paar wenige Wutanfälle in seinem Leben gehabt. Doch als das Baby da war, geriet er in Panik. Er war anhänglich, wütend, verängstigt. Ich bin zwar eine ausgebildete Psychologin, aber ich wusste mir nicht zu helfen.
Wie auch ich freuen sich viele Eltern auf das Staunen im Gesicht des älteren Kindes, wenn er oder sie zum ersten Mal das Neugeborene zu Gesicht bekommt. Wir stellen uns vor, wie der große Bruder lustige Grimassen schneidet und das Baby dabei lacht. Verletzt sich ein Kind, eilt das andere herbei und lässt ihm die gleiche Zuwendung zuteil werden, die es von uns bekommen hat, und gibt dem Geschwisterchen eine Umarmung oder ein Deckchen. Mit der Zeit weicht das Spielen mit dem Wassersprenger dem Fahrradfahren und Zelten, danach folgen Diskussionen darüber, wer das Auto am Samstagabend bekommt, und man tröstet sich gegenseitig bei verlorenen Spielen und gebrochenen Herzen. Nach der Schule sind die Geschwister vielleicht unterschiedliche Wege gegangen, doch dieses Band begleitet sie durch die Höhen und Tiefen des Erwachsenenlebens. Wir möchten glauben, dass wir unseren Kindern ein unbezahlbares Geschenk geben: einen Freund fürs Leben.
Aber irgendwann im Laufe des ersten Jahres – vielleicht schon bevor das Kind zur Welt gekommen ist – erkennen die meisten Eltern, dass vieles nicht so einfach sein wird, wie mir zum Beispiel Familien erzählen, die ich berate:
»Sie liebt ihren Bruder … Ehrlich gesagt umarmt sie ihn so fest, dass es uns Angst macht … Ihre Hände scheinen am Ende irgendwie immer am Hals zu landen.«
»Ich kann noch nicht mal sicher Auto fahren, weil sie einfach nicht die Hände voneinander lassen können.«
»Als ich aus der Dusche kam und sah, dass er auf seinen neun Monate alten Bruder gepinkelt hat, stieß ich an meine Grenzen.«
Es führt kein Weg dran vorbei, Geschwisterrivalität gibt es auf der ganzen Welt. Denn letzten Endes ist jeder Mensch genetisch so programmiert, dass er die Ressourcen verteidigt, die ihm das Überleben sichern. Ihre Kinder sind darauf angewiesen und kämpfen um das, was in der Tat wertvolle Ressourcen sind: Ihre Zeit und Aufmerksamkeit. Auch wenn genügend Liebe vorhanden ist, die Impulskontrolle ist bei jungen Menschen noch nicht sehr weit entwickelt, sodass sie gezwungen sind, in Konflikte zu geraten. Schließlich färbt das Temperament jede Beziehung. Kinder, die dazu neigen, schwierig zu sein, werden noch schwieriger, wenn sie einen Bruder oder eine Schwester bekommen – und einige Geschwister rasseln einfach aneinander.
Bedauerlicherweise wissen viele Eltern nicht, wie sie den Kindern helfen können, mit diesen starken Emotionen umzugehen. Somit können verletzte Gefühle zu Aggressionen führen und wie beim Dominoeffekt negative Verhaltensmuster in Bezug auf den Umgang mit anderen Menschen zur Folge haben. Diese starken Gefühle können in einer Beziehung unter Geschwistern in der Teenagerzeit bestimmend sein und sogar während eines ganzen Lebens in schwierigen Momenten der Familie immer wieder auftauchen.
Aber es gibt auch gute Nachrichten. In der Geschwisterbeziehung werden die rauen Kanten unserer frühen Selbstbezogenheit geglättet und wir lernen, unsere schwierigsten Emotionen zu bewältigen. Geschwister werden oftmals gute FreundInnen, und da sie sich so gut kennen, sind sie in der Lage, sich gegenseitig ein tiefes Gefühl von Geborgenheit zu geben. Auch Geschwister, die sich viel streiten, entwickeln für gewöhnlich tatsächlich Respekt füreinander und kommen schlussendlich miteinander aus. Wenn sie erwachsen sind, fühlen viele Geschwister eine tiefe Verbundenheit zu den einzigen Menschen, die verstehen können, wie es war, in ihrem Zuhause aufzuwachsen.
Und jetzt kommt die Beste aller Nachrichten: Eltern können bei der Gestaltung der Geschwisterbeziehung enorm viel bewegen. Eifersucht unter Geschwistern lässt sich nicht vermeiden, aber es ist fast immer möglich, den Kindern dabei zu helfen, eine starke, positive Bindung zu entwickeln, die die natürliche Eifersucht übertrumpft. Es ist nicht immer leicht, Geschwister so zu erziehen, dass sie sich gegenseitig schätzen und Freunde fürs Leben werden – aber engagierte Eltern können den Unterschied ausmachen. Um Ihnen zu zeigen, wie das geht, habe ich dieses Buch geschrieben.
Nach der Geburt meines zweiten Kindes hatte ich viel Mühe, und das einzige Buch über Geschwisterkinder, das ich finden konnte, war Hilfe, meine Kinder streiten: Ratschläge für erschöpfte Eltern von Adele Faber und Elaine Mazlish. Es lag jahrelang auf meinem Nachttisch. Eltern von schulpflichtigen Kindern, die Schwierigkeiten miteinander haben, empfehle ich zuerst noch immer dieses Buch. Doch als Mutter mit einem Säugling und einem Kleinkind sah ich mich tagtäglich mit Herausforderungen konfrontiert, nämlich wie z. B. beschäftige ich meinen Sohn, während ich seine Schwester stille, wie helfe ich ihm dabei, zu lernen, behutsam mit seiner Schwester umzugehen, wenn er sie übereifrig umarmt. Oder wie gehe ich damit um, wenn sie anfängt zu krabbeln und hinter seinen Spielsachen her ist. Zu Beginn unserer jungen Familie gab es permanent Herausforderungen. Ich wünschte mir konkrete Strategien, um diese Herausforderungen in Nähe zwischen meinen Kindern umzuwandeln. Ich hatte genügend Studien gelesen, um zu wissen, dass die Grundlage der Beziehung meiner Kinder in den ersten ein bis zwei Jahren geschaffen wurde. Aber ich fand keine Anleitung hierfür.
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