der Vernunftgott des Logos, des rechten Weges, von Lao Tsi, Heraklit und dem Evangelisten Johannes, der als Naturgesetz wirkt und die waltende Vernunft in der Natur, die durch die Menschen hinhörend angewandt werden kann, repräsentiert,
der unglückliche Vernunftgott der Juden, der unter der Sündhaftigkeit (der Unvernunft) der Menschen leidet, weil er sie liebt, und dessen Handeln rätselhaft ist,
der Vatergott des Konfuzius, dem man nur gehorchen muss, um glücklich zu werden,
Den Händlergöttern des Mönches Tetzel, welche je nach Opferbereitschaft der Gläubigen strafen oder belohnen, verhandelbar, Krämer, die Seligkeit gegen Ablasszettel und Spenden verkaufen,
…
Den einzig wahren Gott gibt es nur aus markttechnischen Gründen: »Du sollst kein Buch kaufen ausser meinem! » Mit den Schriftstellern hat das nichts mehr zu tun, das ist eine Sache des Vertriebs, so wie die Kirche die Vertriebsorganisation der Gottesideen ist, von den Straßenhändlern der Zeugen Jehovas bis hin zu den Einkaufs-Palästen der Weltreligionen.
I
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Die drei Stufen der Mitteilung von Wissen
Diejenigen, welche etwas erfahren haben, können auf etwas (ver-) weisen, weil sie etwas wissen, Weisheit, Augenzeugenschaft besitzen. Diese Möglichkeit möchte Wirklichkeit werden. Das Wirken von Erfahrung auf Andere ist Kommunikation. Erfahrung, Wissen, Ereignisse sollen kommun werden, möglichst Vielen gemeinsam (Gemeinsames Sein).
Die Weisen also möchten Andere auf Ihre Weisheit hinweisen, diese Weisheit Anderen mitteilen, kommunizieren. Dafür sprechen und schreiben sie in der Sprache, die sie jeweils selbst verstehen. Deshalb besteht oft der größte Teil des Aufwandes, einen Schriftsteller zu verstehen, darin, seine Sprache zu lernen. Dabei ist nicht nur Englisch oder Chinesisch gemeint, sondern auch Fachchinesisch, eine spezifische Wortwahl, eine besondere Art und Weise der Konstruktion von Sätzen.
Der intellektuelle Aufwand für dieses Erkennen, dieses Verstehen, das Lernen der Fachsprache, das Studieren des Kontextes, das Hinterfragen der Botschaft (›intellectus‹ als lateinischer Versuch, das griechische nous νους zu übersetzen, kann auch gelesen werden als: ›Diejenigen welche sich mit dem Verstehen und der Mitteilung von Weisheit beschäftigen‹) schreckt viele ab. Viele Menschen werden damit von der Kommunikation ausgeschlossen oder schließen sich selbst aus der Kommunikation aus (vom »Ich verstehe das nicht« bis zum »Ich will das gar nicht wissen«). Damit sind diese Menschen auch vom Wissen ausgeschlossen, sie bleiben unwissend, unaufgeklärt, sind auf den Glauben im Sinne von Für-wahr-halten angewiesen.
Die Aufklärung, die Verständlichmachung, die Weitergabe von Wissen ist daher der praktische Teil der Wissensmanagements: »Wie sag ich‘s meinem Kinde?«
Das, was ich teilen, mitteilen will, das worauf ich zeige (bezeuge), weise, sind zunächst Sachverhalte, Zahlen, Daten, Fakten, etwas, das der Fall ist, Tatsachen.[Wittgenstein, vgl.: 1, 1.1, 1.11 und 1.12]
Doch beim Mitteilen dieser Fakten, beim Das, Da, Jetzt (Name, Ort, Zeit) bleibt es nicht. Das genügt nicht. Ein Begehren entsteht, das Begehren nach Verständnis dessen, was ich gesehen, erfahren habe, auf was ich hingewiesen werde, was mir gezeigt wird. Denken und Sprache stellen sofort Zusammenhängezwischen den Tatsachen her. Nicht nur das Was, sondern auch das Warum, Woher, Wieso wird zum Bestandteil unseres gemeinsamen Seins, unseres Inter–Esses, dem Ort, wo die Mit–Teilung stattfindet. Diese Teilung ist so in Wirklichkeit nie ein Teilen im Sinne von Trennen, sondern ein Teilen im Sinne von Verdoppeln. Glück und Erfahrungen verdoppeln sich wenn man sie teilt.
Aus dem Aufzählenvon Ereignissen (Und dann, und dann, und dann . . . ) wird das Erzählenvon Wissen, Wissen wird narrativiert, aus der Story , dem Bericht, er historischen Abfolge der Ereignisse, welche berichtet werden:
A 1.Paul geht zum Café
B2. dann holt sich Paul einen Kaffee
C3. dann stößt Ilse mit ihm zusammen
D4. dann fällt die Tasse auf den Boden
E5. dann tröstet Ilse Paul
F6. dann verliebt sich Paul in Ilse
G7. dann leben Sie zusammen bis ans Ihr Ende
wird der Plot, Die logische Präsentation der Ereignisse in einer dramatischen Abfolge.
Mit Hilfe von Schlussfolgerungen, Bindewörtern, Bewertungen, Zusammenhängen, »weil« und »deswegen«, werden Verbindungen zwischen den Fakten konstruiert, welche insgesamt eine andere Art des Berichtes, nämlich eine logisch möglichst stimmige Erzählung formen, bei der die Ereignisse nicht mehr einfach aufeinander folgen (post hoc) sondern auseinander hervorgehen (propter hoc):
A7. Paul und Ilse leben zusammen, wahrscheinlich auch noch bis ans Ihr Ende
B3. weil er mit ihr zusammengestoßen ist
C4. und die Tasse auf den Boden gefallen ist
D2. mit dem Kaffee den er sich geholt hatte
E1. aus dem Café an der Ecke
F5. und Ilse tröstete Paul so nett
G6. daraufhin verliebte sich Paul in Ilse und Ilse in Paul.
Für diese neue Form des Teilens von Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen mit Anderen, gibt es drei Stufen. Diese drei Stufen korrelieren mit den drei philosophischen Grundfragen Kants und den drei Grundfragen der Macht:
Abduktion ist die erste Stufe der Erzählung von Wissen.Etwas ist geschehen und diese Erfahrung, dieses Ereignis, dieses Erlebnis weicht von der bisherigen Erfahrung ab. Dieses Wissen wird als Fakt erzählt (»Es regnet!«) und gleichzeitig werden Vermutungen ausgesprochen, wie dieser Fakt mit den bisherigen Erfahrungen, Erlebnissen und Ereignissen in Zusammenhang stehen könnte.
Bei dieser Erzähltechnik entstehen also in verschiedenen Stufen der Retroduktion nach einer Störung von Erfahrungswissen durch konstruktives Verbinden von Ereignissen Hypothesen .
Die Abduktion, welche bei Aristoteles Apagoge (απαγογε) heißt, geht von einem überraschenden Ereignis aus, bei dem neue Beobachtungen und Erlebnisse zum Bedürfnis der Mitteilung an andere, einem Bericht, Report, führen.
The surprising fact, C, is observed; But if A were true, C would be a matter of course, Hence, there is reason to suspect that A is true. Thus, A cannot be abductively inferred, or if you prefer the expression, cannot be abductively conjectured until its entire content is already present in the premiss, »If A were true, C would be a matter of course.«
Peirce: Collected Papers (CP 5.189)
Neue Regeln einzuführen, weil die Beobachtung nicht mit den Annahmen übereinstimmt, erinnert sehr stark an die Falsifikationstechnik von Popper, bei der die Richtigkeit aller Behauptungen zunächst angenommen wird und die wissenschaftliche Tätigkeit darin besteht, Falschheit nachzuweisen.
Abduktion eröffnet daher eine Möglichkeit, die Welt anders zu sehen als bisher, nachdem man durch eine Beobachtung oder Erkenntnis in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit eigener Vorstellungen gestört worden ist. Bisherige Regeln gelten nicht mehr, neue Erklärweisen müssen entdeckt werden. Aus der Beobachtung entstehen erklärende Hypothesen, Mythen, Märchen, Reiseberichte.
„Deduction proves that something must be; Induction shows that something actually is operative; Abduction merely suggests that something may be.“ Diese Stufe entspricht Kants Frage »Was kann ich hoffen?« und ist utopisch und praktisch , sie ist religiös .
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