Drinnen legten sie ihre Gefangene nun auf eine der beiden Liegen, doch sie waren immer noch nicht am Ende ihrer Anstrengungen. Die Bloundino sträubte sich immer noch wie eine Wildkatze, gab grauenhafte Schreie von sich und versuchte wütend sich zu befreien. Um sich endlich eine Verschnaufpause zu verschaffen, band man sie kurzerhand an die Lagerstätte.
„Zum Kuckuck ...!“Keuchte der Lahme, vollständig außer Atem. „Ist die gewaltig!“
„Du sagst es!“ Erwiderte der Große, genau so hechelnd.
Zunächst mussten sie eine kurze Verschnaufpause einlegen. Während dessen warfen sie sich noch eiligst ein paar Schlücke von ihrem selbst gebrannten Feuerwasser in den Schlund. De l’aïgourdent, wie sie das Zeug nannten. Dann begannen sie aufs Neue, sich um ihre „Frau“ zu kümmern.
Alles, was man so über die Brüder Garcia im Tal erzählte, war letztendlich nur verleumderisches Geschwätz. Daher hätte auch niemals eine Frau aus einem der Dörfer es gewagt, den beiden dort oben in ihr Asyl zu folgen. Trotz allem stiegen sie jedes Jahr hinab zum Fest in Vicdessos, in der Hoffnung eine Frau zu finden, doch jedes Jahr kehrten sie auch wieder, enttäuscht, sogar traurig, allein zurück. Niemand wollte ihre Gesellschaft; sie waren geächtet, zur Einsamkeit verurteilt.
Außer das die Bloundino gefesselt blieb, musste sie keinerlei Brutalität erdulden. Wie hätten sie auch anders handeln können, um sie bei sich zu behalten? Erfahrungen mit Frauen hatten sie wenig, besser gesagt keine. Sie bemühten sich und taten ihr Bestes um die Bloundino zu beruhigen. Obwohl die Gefangene sie nicht verstehen konnte, flüsterte man ihr beruhigende Worte zu. Man tupfte ihr behutsam den Schweiß von der Stirne, gaben ihr zu trinken und sogar versuchte man, wenn auch ein wenig unbeholfen, ihr die Wangen zu streicheln.
Die unermüdlichen Schwerarbeiter berührten jedenfalls an jenem Tag kein Holz und keine Axt mehr, denn die Pflege der Frau, die sie seit Jahren erhofft hatten, nahm alle ihre Zeit in Anspruch.
Ein paar Stunden waren vergangen, die Bloundino hatte sich einigermaßen beruhigt, und man entschloss sich, sie loszubinden. Vorsichtshalber lies man ihr doch noch die Hände gefesselt, aber alles schien reibungslos zu verlaufen. Es war ihnen sogar gelungen sie irgendwie zu verführen, jedenfalls glaubten sie es. Ob ihre ganzen Bemühungen nun falsch, oder doch richtig waren, konnten sie eigentlich nicht abschätzen. Die beiden waren auf jeden Fall zufrieden und ihre Frau sollte reichlich belohnt werden.
Währendem der Große sie von ihren letzten Fesseln befreite, machte sich der Lahme daran Viktualien in ein Tuch einzubinden. Als sie diese dann noch in Empfang genommen hatte, zögerte sie nicht lange und verließ die Hütte. Draußen angekommen drehte sie sich noch einmal um, schaute die beiden an, dann lief sie eiligst davon und verschwand im Unterholz.
„Nun ist sie weg …“, seufzte der Lahme. „Glaubst du nicht es, wäre besser gewesen, wir hätten sie noch etwas länger zurückgehalten?“
„Nein …, das würde nichts bringen. Du wirst sehen, wenn sie alles aufgegessen hat, erscheint sie wieder.“
„Ich an deiner Stelle wäre mir da aber nicht so sicher.“
„Aha, die Frauen sind nun mal so, sie benötigen auch ihre Freiheit.“
„Und …, woher willst du das schon wissen? Du hattest doch auch noch nie was mit Frauen zu schaffen.“
„Stimmt, aber ich glaube, das ist so.“
„Dann hoffen wir mal, dass sie ziemlich guten Hunger hat.“
Der Große hatte recht; so schien es wenigstens. Drei vier Tage lang hatte man sie nicht gesehen, doch dann plötzlich tauchte sie wieder auf. Sie zeigte sich regelmäßig am Rande der Lichtung, doch wagte sich nicht weiter vor; sie blieb immer in Nähe der Büsche. Manchmal stand sie längere Zeit neben einem Strauch, kaute Blätter und beobachtete die beiden Männer bei der Arbeit.
„Komm her und nimm dir ein Stück Brot, anstatt da unten zu stehen und Blätter zu knabbern wie eine Ziege.“ Rief ihr der Große zu.
„Wir sollten behutsam vorgehen.“ Meinte der Lahme. „ich werde ihr Mal ein Stück auf einem Baumstumpf legen. Ich glaube, dass wir das erste Mal doch etwas zu heftig waren.“
„Ist schon möglich …, aber nicht sicher. Ich glaube, sie hat es trotzdem gemocht.“
„Wieso? Woran erkennst du das denn nun wieder?“
„Sonst …, ich meine, sie wäre sonst wohl nicht zurückgekommen.“
Sie kam nun wieder näher, doch mit äußerster Vorsicht, und sobald sie die Nahrung erfasst hatte, verschwand sie sofort wie ein Blitz.
Bald hatten die beiden Verführer das Spielchen leid und stellten wieder Fallen auf. Jedoch die Bloundino hatte sie beobachtet und um ein zweites Mal hineinzutreten, war sie nun doch zu pfiffig. Der Große sah sie schon in der Schlinge, doch sie hüpfte wie eine Gazelle an den Fallen vorbei und verschwand.
„Sapristi …! Die ist doch tatsächlich …“ Knurrte er und kratzte sich den Nacken.
„Haben wir sie?“ Schrie der Lahme von Weitem.
„Kein Glück …! Verflixtes Weib …! Ist die schlau!“
„Ich hab dir ja gesagt. Wir kriegen sie nicht mehr.“
„Jetzt ist Schluss!“ Machte der Große grimmig. „Keine Nahrung, keine Fallen, kein gar nichts …, überhaupt nichts mehr! Sie hält uns zum Narren …, zum Narren, verdammt noch mal!“
Einige Tage lang spazierte sie hin und her am Rande der Lichtung. Sie war immer da, irgendwo in den Büschen. Dann eines Morgens, als der Lahme gähnend aus der Hütte trat, war sie da. Sie saß ruhig auf einem gefällten Baumstamm nur einige Schritte vom Eingang entfernt; so als erwartete sie jemanden. Um sie nicht wieder zu verscheuchen, tat ihr Entdecker als wäre nichts geschehen, drehte sich um und ging wieder hinein.
„Heh ...“. Machte er halblaut. „Sie ist wieder da …, da draußen.“
„Und habe ich dir nicht gesagt, dass sie zurückkommt?“
Er tat so, als wäre er nicht im Geringsten verwundert. Mit dem halben Brot in der Hand, von dem er soeben, ein paar, Scheiben abschneiden wollte, ging er zur Tür.
„Mach dir nicht die Mühe abzuhauen, es wird nicht mehr gespielt. Glaube nur ja nicht, dass ich dir noch mal nachlaufe, ganz zu schweigen von meinem Bruder mit seiner Krücke als Bein. Du kommst jetzt hier hinein und isst mit uns, oder du gehst dir deine Mahlzeit im Wald suchen.“
Dann fiel im ein, dass sie ihn wahrscheinlich überhaupt nicht verstanden hatte. Er machte darauf hin eine einladende Handbewegung und ging wieder hinein.
„Meinst du nicht, dass es besser wäre, sie etwas …, ich meine etwas freundlicher einzuladen?“
„Und ich sag dir, so macht man das, und nicht anders.“
Einige Augenblicke vergingen; die beiden hatten an ihrem „Tisch“ platz genommen. Ein Baumstumpf um den herum sie ihre Behausung gebaut hatten, und begannen ihr Frühstück einzunehmen, als sich die Bloundino mit etwas zögernden Schritten dem Eingang näherte.
„Was habe ich dir soeben gesagt? Da kommt sie ja schon.“
„Nah so was! Es sieht so aus, als hättest du recht. Ich hätte nie gedacht dass …“
„Ehrlich gesagt.“ Unterbrach der Große. “Ich auch nicht.“
„He ... komm rein!“ Winkte der Lahme und erhob sich.
„Komm setz' dich hier.“ Fügte er hinzu, indem er auf seinen Schemel zeigte.
„Ja, setz' dich da hin …, hab keine Angst, es wird schon nichts passieren.“ Dann fügte er hinzu: „Gleich was die, da unten über uns erzählen, wir sind dafür noch lange keine Wilden. Und zu essen ist auch zu Genüge da.“
Was die Nahrung anbelangte, hatten die Brüder Garcia reichlich Vorrat. Sie unterhielten nämlich einen regen Tauschhandel, mit den Fuhrleuten, die ihre Kohle ins Tal transportierten.
Vorsichtig, ohne ein Wort zu sagen, näherte sie sich. Bloundinos große strahlende Augen rollten wie Murmel in ihren Höhlen und fixierten kurz, immer noch bedächtig, abwechselnd die beiden Männer und die Nahrung. Sie zögerte …
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