Der Älteste der Arsaten war ebenfalls der Ansicht Danjals Existenz müsse geschützt werden. Was aber, wenn ER zu alten Verhaltensweisen zurückkehrte? Was, wenn er wieder zu einer Bedrohung wurde?
Momentan beeinflusste Jenna Drescher SEIN Handeln. Was, wenn sie nicht mehr da oder von Interesse für IHN war? Wie würden sie überhaupt reagieren können?
ER war eine Zeitbombe und ER war der Abkömmling Lilths und Adams. Johannes hätte gerne einen Blick in die Zukunft geworfen.
Es gefiel ihm Asifa zu beobachten, Asifa gefiel ihm.
Sie trug einen Krug zum Brunnen und unterhielt sich mit einer anderen Dienerin, die dabei war, ihren zu füllen. Sie bemerkte sehr wohl, dass er hier oben stand, denn ab und zu schaute sie auf und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, wenn sie den Blick wieder senkte.
Danjal hatte sie bereits angesprochen, nur um sich eine Abfuhr einzufangen.
„ Sie spielt mit dir. Bist du so weit?“
Der kleine Junge, der dieses große Reich regierte, stand neben ihm und schob sich eine Bandage aus Leder über Hand und Unterarm.
„ Anchesenamun sagt, Asifa hätte sich nach dir erkundigt.“
„ So hat sie das?“
Gemeinsam gingen sie hinaus in den Garten und auf die Rückseite des Palastes.
„ Oh ja, du bist bei den Frauen ein beliebtes Thema.“ Der Herrscher zwinkerte ihm zu. „Gib Acht, dass sie dich nicht eines Tages überwältigen und das Geheimnis aus dir herauspressen, wie du als Remetju eine so helle Haut haben kannst. Du hast Neider.“
Das, was die Menschen der schwarzen Erde mit Hilfe eines Lehmgemischs erreichen wollten, war ihm von Geburt an gegeben. Seine Mutter war nach ihrer Flucht in dieses Land gekommen und auch wenn er hier das Licht der Welt erblickt hatte, so war er doch eigentlich keiner von ihnen.
Der Kindkönig reichte ihm auch eine Bandage und die Eskorte, die sie auf der Balzjagd begleitete, schloss sich ihnen an.
Die Jagd war erfolgreich und amüsant gewesen, aber auch erschöpfend. Das Bad und die wohlduftenden Seifen lockerten seine Muskeln und spülten den Staub der Wege weg. Die anschließende Rasur seiner Körperbehaarung war lästig, aber das Salben mit ätherischen Ölen machte es wieder gut. Die Diener kleideten ihn in feinstes Leinen und schminkten seine Augen, legten ihm Schmuck an, von dem er die Hälfte später ablegte, weil er es nicht mochte.
Auf seinem Weg durch die Gänge begleitete ihn Kichern und Flüstern, wenn er an der ein oder anderen Gruppe Frauen vorbeiging. Ja er fiel auf, schon alleine wegen seiner Größe.
Aber Asifa ignorierte ihn, zumindest tat sie so. Er hatte sie im hinteren Teil des großen Säulensaals entdeckt und sich neben sie gestellt.
Tutanchamun, der Herrscher über Kemet, hatte seine Staatsgeschäfte noch nicht beendet. Trotz seiner vielen Termine und der eingeschobenen Jagd war er frisch und munter. Danjal beobachtete ihn.
„ Allzu häufig wendet er sich an Eje“, sagte er.
Asifa hatte die Arme vor der Brust verschränkt und würdigte ihn keines Blickes, als sie antwortete. „Er ist sein Großwesir. Es ist Ejes Aufgabe ihn in seinen Geschäften zu unterstützen.“
„ Zu unterstützen, nicht selbst zu regieren.“
„ Ich stehe ihm ebenfalls skeptisch gegenüber, aber er hat seine Dienste schon unter Echnaton bewiesen und der Herrscher ist jung, viel zu jung um alleine regieren zu können.“
„ Du machst dir Sorgen um ihn?“
„ Anchesenamun macht sich Sorgen um ihn. Ich bin hier, um ihr zu berichten.“
„ Also eine Spionin für die Große königliche Gemahlin.“
„ Spionin für eine Freundin! Seid Ihr der Nächste, der den Herrscher für seine Machenschaften gewinnen möchte?“
„ Ich weiß nicht, an welche Machenschaften du denkst, aber nein, ich bin hier um Spaß zu haben. Ich habe in diesem Fall keinerlei Interesse an irgendwelchen Aktivitäten.“
Sie nickte und sagte: „Wenn er Euch etwas wert ist, dann gebt gut auf ihn Acht.“
Die Versammlung löste sich auf und Asifa war verschwunden, als er wieder zur Seite sah. Er bezweifelte, dass sie sich aus rein persönlichen Gründen nach ihm erkundigt hatte.
Das anschließende Festmahl war von Üppigkeit geprägt. Die fremden Staatsmänner führten sich wie Götter auf und labten sich an den Speisen und Getränken. Der Wohlstand, in dem das Land schon so lange weilte, war in ihren Ländern nicht selbstverständlich. Kriege und Misswirtschaft hatten ihren Tribut gefordert. Neue Bündnisse waren geschlossen worden und neue Handelsabkommen würden folgen. Aber das war nichts, womit sich Danjal beschäftigen wollte. Diener und Dienerinnen räumten Speisen ab und brachten neue, schenkten Wein nach und Bier und Wasser, servierten Obst und Gebäck zum Nachtisch.
Und über allem thronte der gottgleiche kleine Junge mit roten Wangen von zu viel Alkohol. Achesenamun saß an seiner Seite, die hohen Gäste zu seinen Füßen.
Ein schüchterner Diener trat an Danjal heran. „Herr, der Per-aa verlangt nach euch.“ Gemäß der Sitten hatte er dort nichts zu suchen, gemäß seines eigentlichen Standes und seiner Herkunft stand er sogar über dem König, wusste er. Doch abermals rief sich Danjal ins Gedächtnis, dass dies momentan nichts zur Sache tat. So folgte er dem Boten.
„ Weißt du was ich will?“ Tutanchamun schaute ihn mit weingetrübten Augen an. „Ich will in die Stadt!“
„ Dann lasst euch eine Leibwache und Eskorte -“
„ - Nein! Du und ich, niemand sonst.“
„ Ihr braucht Schutz!“
„ Wagst du es dich meinem Wunsch zu widersetzen?“
„ Mit Verlaub ist es nicht das, was Ihr an mir schätzt?“
„ Deine Ehrlichkeit und dass du keine Scheu vor mir hast? Ja das ist es.“
„ Dann hört auf mich, es ist nicht ungefährlich. Auch wenn Euch Euer Volk anbetet, es gibt in den Straßen genug Gesindel.“
„ Ich möchte mein Volk so erleben, wie es jeder normal Sterbliche erlebt. Du passt auf mich auf. Ich weiß, dass du das kannst. Wir werden uns umkleiden, wir werden sein wie jeder andere.“
Haremhab konnte nicht verstehen, was der König mit seinem neuen Freund besprach, aber er konnte Eje beobachten. Und er kannte den Wesir nur zu gut, um zu wissen, dass dieser ein Problem mit der Verbindung des jungen Herrschers zu dem Fremden hatte.
Gemeinsam mit dem Hohepriester waren sie die Stellvertreter des Königs, Haremhab wusste aber, dass sie unterschiedlicher Ansicht waren, wie weit ihre Unterstützung gehen sollte.
Solange der Fremde keine Bedrohung darstellte, sah er keine Veranlassung zum Einschreiten. Eje hätte am liebsten einen Spion auf ihn angesetzt.
Das würde auch nicht viel bringen, dachte der Oberbefehlshaber des Heeres, denn er selbst hatte natürlich eigene Nachforschungen angestellt, als dieser Mann aufgetaucht war. Etwas über ihn in Erfahrung hatte er nicht bringen können. Er verhielt sich seit seiner Ankunft tadellos. Eine Frage beschäftigte Haremhab trotzdem; wo war er hergekommen und wie hatte er das Vertrauen des Herrschers sofort gewinnen können?
Danjal wich kein Stück von der Seite des kleinen Königs. Obwohl er die Insignien des Herrschers abgelegt und sie die einfache Kleidung der Mittelschicht trugen, war der Junge auffällig, wie eine sprechende Kröte. Die Augen und den Mund weit aufgerissen, stolperte er durch die Straßen von Memphis. Mehr als einmal musste Danjal ihm unter die Arme greifen, um ihn vor dem Fallen zu bewahren.
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