„ Das Mädchen ist nicht ansprechbar. Die Heiler sind sich sicher, dass sie den Tag nicht überleben wird“, unterbrach ihn Eje. „Wir haben alle befragt, die an jenem Abend mit dem Mädchen zu tun gehabt hatten, aber niemand kann sich erinnern, was geschehen ist, warum die Hure ihren Arbeitsplatz verlassen hat und in wessen Begleitung. Nur Rehema hier kann etwas berichten.“
„ Dann lass ihn sprechen“, befahl der König.
Der Alte räusperte sich. „Der Mann, in dessen Begleitung sie war, war groß und sehr gut gekleidet. Er war nicht kahl geschoren und sein Haar war nicht so dunkel wie das eines Remetju.“
„ Das konntest du in der Nacht sehen?“, fragte Haremhab.
Der Fischer nickte. „Ja, der Mond schien hell.“
„ Was kannst du noch sagen?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Nichts Herr.“
„ Ich danke dir. Lass dir zwei Krüge mit Bier geben“, sagte der Herrscher.
Als er gegangen war, wendete er sich an Eje und ihn. „Geht dem nach, findet diesen Mann!“
„ Es steht ja wohl außer Frage, wer der Mörder ist“, sagte Eje außerhalb des Thronsaals.
„ Tut es das?“ Haremhab schaute ihn an.
„ Eindeutig! Es begann mit dem Auftauchen dieses Bastards. Die Beschreibung passt und zu den Zeitpunkten der Angriffe befand er sich nicht im Palast.“
„ Zurzeit sind viele Fremde in der Stadt. Die Spiele, das anstehende Bastet-Fest, ich denke Ihr interpretiert in die Worte des Fischers hinein, was Ihr gerne hören möchtet.“
Eje blieb stehen und sah ihn an. „Ihr habt wohl überhört, dass ich gesagt habe, dass dieser Fremde zum Zeitpunkt der Angriffe nicht im Palast war.“
Auch Haremhab hatte gestoppt. „Das habe ich sehr wohl, aber reicht Euch das tatsächlich als Beweis? Und woher wisst Ihr so sicher, dass er nicht hier war?“
Eje verzog den Mund zu einem fiesen Grinsen. „Ich habe meine Vögelchen, die mir einiges zwitschern.“
„ Warum beschuldigt Ihr ihn dann nicht öffentlich?“
Nun geriet der Wesir ins Schwanken. „Ich habe keine stichfesten Beweise, aber ich werde sie finden. Ich werde dafür sorgen, dass bekannt wird, welch heimtückischer Mensch die Freundschaft des Königs ausnutzt!“ Und er ging von dannen.
Haremhab sah ihm nach.
Danjal stand ganz plötzlich hinter ihr. Vor Schreck ließ sie die Wasserschüssel fallen. Ein ohrenbetäubendes Scheppern erfüllte den Raum. Asifa kniete nieder, um die Tonscherben aufzusammeln, er half ihr.
„ Was sollte das?“
„ Es war gewiss nicht meine Absicht.“
„ Warum habt Ihre Euch dann angeschlichen?“
„ Habe ich gar nicht.“
Sie hatte die Scherben in ein Tuch gewickelt und wollte sie wegbringen.
„ Asifa, warte!“ Er hielt ihr eine Schatulle entgegen. „Ich würde mich freuen, wenn du den Abend des Bastet-Festes mit mir verbringst. Wenn du möchtest, komm nach Sonnenuntergang zum seitlichen Eingang des Tempels in Bubastis.“
Sie zögerte und nahm dann das Kästchen.
„ Ich mache mir Sorgen um Anchesenamun“, sagte der kleine König. „Sie macht sich Vorwürfe, weil sie mir noch keinen Thronfolger gebären konnte. Sie opfert jeden Tag Hathor. Sie leidet unter dem Verlust unserer beiden Töchter.“
„ Nehmt es mir nicht übel, mein König, aber ich bin nicht die richtige Person, um darüber zu sprechen.“
„ Ich glaubte du seist mein Freund. Wenn nicht mit dir mit wem sollte ich dann reden?“
Es war Danjal unangenehm. In so etwas konnte und wollte er sich nicht hineinversetzen. Trotz allem riss er sich zusammen und antwortete: „Ihr seid jung, Ihr habt viele Frauen, eine von ihnen wird Euch einen Sohn schenken.“
„ Ich brauche einen Erben.“ Er starrte versonnen in die Ferne. Es war still, nur das Rascheln der Palmwedel war zu hören, mit denen ihnen von Dienern kühlende Luft zugefächelt wurde.
„ Denkst du es ist der richtige Weg, den Haremhab vorschlägt?“
Danjal war verwirrt, fragte der König seinen Oberbefehlshaber auch noch, wie er es anzustellen hatte, dass ihm ein Erbe geboren wurde?
„ Ich meine gegen die Hethiter vorzugehen?“
Er musste lächeln. „Ich denke, dass Haremhab der ehrlichere Eurer Berater ist und ein sehr schlauer Soldat. Ihr könnt Euch die Vorherrschaft Eures Landes nicht streitig machen lassen. Ein militärisches Vorgehen, gegen die Angriffe der Hethiter auf Eurem Gebiet, erscheint logisch.“
„ Der Großwesir sagte etwas Ähnliches. Ich habe mitgeteilt, sie würden meine Entscheidung erfahren. Ich bin kein Freund von Kriegshandlungen.“
„ Der diplomatische Weg ist nicht immer der Richtige. Wenn er in die falsche Richtung führt, braucht man einen anderen.“
Tutanchamun nickte. „Stimmt, ich werde Haremhab den Befehl erteilen die Streitkräfte zu mobilisieren.“
In ihrer Kammer öffnete Asifa die Schatulle. Es lag eine Kette aus grünen Glasperlen darin.
***
Der Iteru aa war über die Ufer getreten und die Anreise nach Bubastis war am einfachsten mit dem Schiff zu vollziehen.
Es war ein immenser logistischer Aufwand vonnöten, die Herrscherfamilie und die Gefolgschaft, sowie die königlichen Gäste und zahlreiche weitere Personen über den großen Fluss zum Palast in Bubastis zu bringen.
Viele Menschen waren nach Memphis gekommen, um mit einer Barke den Wasserweg zum Festort zu nehmen.
Asifa mied die Nähe zu ihm und er bekam keine Gelegenheit mit ihr zu reden. Eje hingegen schien einen großen Bedarf daran zu haben, sich mit ihm zu unterhalten und ihn beobachten zu lassen.
Das Ziel ihrer Reise war erreicht und Danjal bekam seine Räumlichkeiten zugewiesen. Es war nicht so prunkvoll wie in Memphis, aber mehr als angenehm. Die Vorläufer der Feierlichkeiten waren in der Stadt deutlich zu spüren. Danjal hatte einige Male an dem Fest zu Ehren der Göttin Bastet teilgenommen und jedes Mal nicht gewusst, wie er ins Bett gekommen war. Es war das Schöne Fest der Trunkenheit und trunken war er gewesen.
Unmengen an Bier und Wein flossen, es wurde gefeiert, getanzt und geliebt. Kinder gezeugt und Versprechungen gemacht, an die man sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnern konnte.
Morgen würde der Per-aa im großen Tempel die Feier offiziell eröffnen und auch der Hohepriester würde Bastet Opfer darbringen. Öffentliche Aufgaben galt es zu erledigen und am Abend, wenn Tutanchamun ihn nicht mehr an seiner Seite haben wollte, dann hoffte er Asifa zu treffen.
Wenn Asifa ehrlich war, war sie aufgeregt und konnte es kaum erwarten, dass der Abend kam und ihre Dienste nicht mehr benötigt wurden.
Das Auftauchen des Fremden und sein Einfluss auf den König waren schon sehr merkwürdig. Der Gedanke daran tauchte immer wieder in ihrem Kopf auf, nur um sofort wieder zu verschwinden und nicht mehr greifbar zu sein, bis er zurückkehrte. Was sie in diesen kurzen Momenten aber wusste, war, dass er Tutanchamun offensichtlich gerne mochte. Und selbst einen schlechten Einfluss konnte sie nicht erkennen, wenn man von den unzähligen Wettbewerben absah, die der König gegen Danjal bestritt. Der Herrscher war vergebens bemüht, ihn im Wagenrennen zu schlagen.
Aber seitdem er da war, hatte der Per-aa an Selbstbewusstsein gewonnen und wurde erwachsen.
Asifa war Danjal aus dem Weg gegangen. Vor allem an Bord der königlichen Barke war das schwer gewesen. Sie mochte ihn. Sich das einzugestehen fiel ihr nicht leicht und sie wollte ihn testen. Er sollte beweisen, dass sie nicht nur eine von vielen Frauen war, die er haben konnte.
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