Helmuth hatte am Anfang jeder für einen Hahn gehalten, weil er so prachtvolle Federn hatte. Auch Helmuth selbst dachte, er wäre ein Hahn, bis sie eines Morgens ein Ei legte. Da war klar; Helmuth war kein Hahn sondern eine Henne. Aber Helmuth hieß nun schon mal Helmuth. Dumm gelaufen soweit.
„Ach, kommt ihr lieben Hühner!!!“, hatte Hein beim Eiersuchen gesagt „Strengt euch mal an, sonst kommt ihr noch in die Suppe!“
Die Hühner haben nicht verstanden was Hein sagte. Sie haben einfach weitergepickt, die dummen Hühner.
„Ihr versteht das nicht. Das ist gefährlich, wenn ihr keine Eier legt. Die Gerda macht ernst. Ehrlich, da gibt es kein Vertun. Die macht das! Die haut euch in die Suppe und anschließend gibt’s Hühnerfrikassee!“
Bei dem Wort „Hühnerfrikassee“ lief Hein ein wenig das Wasser im Mund zusammen. Er mochte Hühnerfrikassee ganz besonders gerne. Am besten noch mit leckeren Kapern und ganz leichten Weißweinaromen.
Aber Frikassee, in dem seine Hühner drin sind? Nein, auf keinen Fall, da würde er keinen Bissen runterkriegen. Das war klar!
Aber es half alles nichts. Seine dummen Hühner pickten weiter nach Körnern und Krabbelgetier und kapierten einfach nicht, in welcher Gefahr sie schwebten.
Verzweifelt ging Hein ins Haus und gab seinem Schmetterling die paar Eier. Klar, auch an diesem Morgen gab es kein Spiegelei, nur einen bösen Blick von seiner Gerda, die dabei noch ein schweres Küchenbeil hochhielt.
Hein leuchtete ein, jetzt half wirklich nur noch ein Wunder, sonst würde dieses Küchenbeil in den Händen seines Schmetterlings zur hühnermordenden Waffe
Zwei Tage später - Heins Rauswurf
Schon als Hein die Tür zum Hühnerstall aufzog, überkam ihn so ein Gefühl, dass diesmal nicht ein ganz normaler Morgen war. Als sein roter Kopf sich langsam durch den Türspalt schob, um vorsichtig zu erkunden, was ihn so zögern ließ, wurde klar: Es war wirklich kein Morgen wie jeder andere!
Heins Augen wurden ganz groß und glotzen auf eine Reihe Hühner, die dort standen, als seien sie zum Morgen-Appell angetreten. In erster Reihe stand Helmuth und schaute Hein aus funkelnden Augen an! So schaute kein normales Huhn. So schaute nur ein Huhn, das zum Äußersten entschlossen war, das selbst nicht davor zurückschreckte körperliche Gewalt anzuwenden, um sich Respekt zu verschaffen.
Obwohl es Bauer Hein seltsam, ja fast beängstigend vorkam, was er dort sah, schlurfte er, ohne weiter nachzudenken, wie jeden Morgen, in den Hühnerstall und schloss die Stalltüre hinter sich.
„Was soll denn das geben, wenn es fertig ist?“, fragte Hein seine Hühner.
Wie jeden Morgen erwartete er nicht, dass seine Hühner auch nur die geringste Reaktion zeigten. Vielmehr erwartete Hein, dass sie wie immer dumm im Boden scharren und nach Körnern und Würmern picken würden, ohne auch nur die geringste Notiz von ihm zu nehmen.
Hein schlurfte also ebenfalls, wie jeden Morgen, zu den Nestern, um nachzuschauen, ob er nicht das ein oder andere leckere Hühnerei finden würde.
„Wage es nicht, deine dicken Finger nach unseren Eiern auszustrecken!“ Helmuth ging drohend eine Hühnerschritt auf Hein zu.
Nun, Hein ist ja nicht der schnellste Schnellmerker. Also schaute er Helmuth an und die respekteinflößende Reihe wehrhafter Hühnern im Hintergrund machte ihn unsicher.
„Was??? Wer sagt dddddas ddennnn?“, stotterte Hein. Er räusperte sich und holte einmal tief Luft. Dann stockte er einen Moment mit einem Gesichtsausdruck, als würde er gerade überlegen.
Da Bauer Hein beim Überlegen aber eben nicht so besonders schnell ist, und das, was dann nach langer Zeit dabei herauskommt, auch nicht immer so gescheit ist, dauerte es etwas länger… das Überlegen.
Dann, endlich, kam er zu einem Ergebnis: Alles Quatsch. Hühner können nicht sprechen!
Mit einer lässigen Handbewegung wischte er die Gedanken an sprechende und böse guckende Hühner weg.
„Also Mädels, wie sieht es aus. Heute wieder nur mickrige 4 Eier?“
„Heute gibt es gar kein Ei. Wage es ja nicht, eines anzurühren!“ Helmuth richtete sich zu seiner vollen imposanten Größe auf und pickte ein paar Mal drohend in Heins Richtung.
Hein stutze und versuchte, kurz zu überlegen. Aber dass dabei nichts rauskommt, ist ja schon bekannt. Darum schüttelte er schließlich seinen Kopf so, als ob er das, was hier vor sich ging, damit abschütteln konnte, dachte dass das alles nur platte Einbildung sei und kniete sich dann hin, um das erste Ei aus einem der Nester zu nehmen.
Blitzschnell vollführte Helmuth einen gekonnten Ausfallschritt in Richtung Bauer Hein und, untermalt mit einem lauten schrillen Kampfgegacker, hackte Helmuths Schnabel in Heins empfindlichen Handrücken.
„Aua, du blödes Vieh, das tut doch weh!“ Erschrocken zuckte Hein seine Hand zurück und betrachte die kleine Wunde auf seinem Handrücken.
„Ich habe dir gesagt, lass deine Finger von unseren Eiern!“, krächzte Helmuth und die Hühner hinter ihm gackerten zustimmend. Aufgebracht lärmten alle Hühner durcheinander, und nur ganz langsam trat wieder Ruhe ein.
Ohne wirklich zu kapieren, was hier vor sich ging, antwortete Hein:
„Aber das sind doch bloß Eier und noch lange keine Küken! Ihr habt ja noch nicht mal 'nen Hahn, ihr dummen Hühner. Ohne Hahn gibt das nix mit Küken! Ihr seid aber auch dumme, dumme Hühner.“ Dabei kratzte Hein sich am Kopf, so, als müsste er noch mal darüber nachdenken.
Wieder gackerten alle durcheinander. Und als es wieder still wurde, schauten unzählige Hühneraugenpaare auf Helmuth. Jedes Huhn ahnte, dass Helmuth eigentlich kein Hahn, sondern ein Huhn war und nur so tat, als wäre er oder sie der tollste Hahn.
„Ach, papperlapapp.“ Helmuth räusperte sich etwas verlegen. „Das ist doch egal. Das sind unsere Eier und wir haben sie trotzdem lieb.“ Und dabei reckte Helmuth alle Federn prachtvoll von sich, streckte seinen Körper, und fast schien es, als glühe sein Kamm rot auf, wie beim prächtigsten Hahn. „Wozu brauchen wir einen Hahn? Wir haben doch mich!“ Ein erleichtertes Raunen ging durch die Reihen der Hühner. Sie gackerten zustimmend und betrachteten sehnsüchtig ihren Helden Helmuth.
„Bist Du wirklich ein Hahn? Habe ich dich jemals den Tag und Sonne begrüßen sehen? Ein Hahn steht morgens auf dem Misthaufen und begrüßt den Tag mit lautem Krähen. Dann jagt ein Hahn den ganzen Tag hinter seinen Hühnern her und vertreibt den Fuchs. Und stehst du morgens auf dem Misthaufen oder jagst deine Hühner oder den Fuchs? Der lacht sich doch schlapp, wenn er dich sieht!“
Helmuth wurde etwas unsicher. Und außerdem fühlte er sich jetzt aber wirklich zutiefst beleidigt.
„Ach, papperlapapp, dummes Zeug.“
Helmuth gewann seine Fassung zurück.
„Und jetzt sieh zu, dass du hier raus kommst!“ Dabei scharrte er respekteinflößend mit den Hühnerkrallen im Boden, dass der Dreck nur so umher flog. Die Schar der Hühner begann aufgeregt zu gackern und sie alle folgten Helmuths Beispiel.
In null-komma-nix war der ganze Hühnerstall eine dreckige Staubwolke, und das Gegacker steigerte sich zum infernalen Gekreische.
Die Situation wurde für Hein jetzt doch recht bedrohlich, und entgegen seiner sonstigen Art, eher der Langsame zu sein, fasste er diesmal blitzeschnell den einzig richtigen Entschluss.
„Nur raus hier, aber dalli!“
Hein tastete nach hinten. Seine Finger suchten den Türriegel und fanden ihn. Sein Denken bestand nur noch aus dem Wunsch, ganz schnell zu entkommen. Dabei pochte sein Herz bis zum Hals, gerade so, als wolle es ihm aus dem Hemd springen. Und als die aufgebrachte Hühnerschar sich auf ihn stürzte und mit einem wilden entschlossenem „Kiaaaahhhh“- Kampfschrei zum Angriff überging, konnte Bauer Hein gerade noch durch den Türspalt entweichen.
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