„Meinen Eisbecher bezahlen“, kommt es von Jutta.
„Aber Jutta, ich habe Sie doch eingeladen. Bitte nehmen Sie mir die Freude nicht.“
Jutta wird es zu bunt. Lange genug hat er mit ihr gespielt, sie wird nicht weiter für seine Verlockungen zur Verfügung stehen. Schließlich ist sie eine reife, noch verheiratete Frau und ist nicht auf ein schnelles Abenteuer aus, das dieser Mann ganz offensichtlich anstrebt. Und so sagt sie:
„Hören Sie Peter, es war nett mit Ihnen hier Eis zu essen. Sie hatten auch Ihren Spaß, mich auf den Arm zu nehmen, aber ich bezahle mein Eis selbst. Dann werde ich aufstehen und den Rest des Tages alleine verbringen. Suchen Sie sich bitte ein anderes Opfer über das Sie sich lustig machen können.“
Scheinbar betreten und mit traurigen Augen blickt er sie an. „Diesen Eindruck habe ich also auf Sie gemacht? Entschuldigen Sie, das lag nicht in meiner Absicht. Wirklich nicht! Ich finde Sie schön, anziehend und Sie sehen so alleine und verloren aus. Lassen Sie mich Ihnen einen schönen Geburtstag schenken. Mehr ist es doch nicht. Bitte, bitte. Das wird meine gute Tat des Tages. Und ich kann heute Nacht ruhig schlafen.“ Jetzt lächelt er sie entwaffnend an.
Wider Willen muss Jutta ebenfalls lächeln. Was soll sie tun? Ihr Vorhaben in die Tat umsetzen, bezahlen und verschwinden oder mit diesem Menschen bummeln gehen und später zu Abend essen. Sie schwankt und wieder sagt sie sich, was soll sie denn alleine zu Hause anstellen?“
Schließlich willigt sie ein.
„Das ist ein Wort.“ Peter gibt sich erleichtert über Juttas Entscheidung. „Sie machen mich zum glücklichsten Mann des Tages.“
Wie kann dieser junge Mann nur so schmalzig daherreden, denkt sich Jutta und muss schon wieder lächeln.
Wann hat zum letzten Mal ein Mann so nette Dinge zu ihr gesagt. Jutta kann sich nicht erinnern. Fünfzehn Jahre sind es bestimmt her. So lange fühlt sie sich in ihrer Ehe schon nicht mehr glücklich.
„Nun stecken Sie mal Ihr Geld wieder ein“, reißt Peter sie aus ihren Gedanken. Er ruft die Bedienung und verlangt die Rechnung. Nachdem er bezahlt hat, erheben sie sich und schlendern in Richtung Fischerstraße.
Sie berühren sich nicht. Trotzdem prickelt die Luft spürbar zwischen der Frau und dem Mann.
„Hatten Sie ein bestimmtes Ziel oder ein Geschäft in das Sie gehen möchten?“, erkundigt sich Peter.
„Nein, einfach nur schauen. Vielleicht sehe ich etwas, das mir gefällt.“
Zunächst betreten sie K & L. Sie streifen durch die Abteilungen und schon schickt Jutta sich an, das Geschäft wieder zu verlassen. So besuchen sie verschiedene Kaufhäuser ohne etwas zu erwerben. Schließlich gelangen sie zum Rathausplatz.
„Ich habe Durst. Sie nicht auch?“, fragt Peter.
Jutta nickt. „Ja, doch.“
„Bis wir ins Restaurant gehen bleibt noch Zeit. Lassen Sie uns hier etwas trinken. Es ist so schön in der Sonne.“
Sie finden einen freien Tisch und setzen sich nebeneinander.
„Wie schön und interessant die Menschen zu beobachten“, glaubt Jutta erklären zu müssen.
„Ja, das finde ich auch. Deshalb setze ich mich gerne in Straßencafés.“
Beide bestellen ein Holunderschorle und lächeln sich dann an.
„Unsere Geschmäcker ähneln sich“, stellt Peter fest.
„Nun ja, so viele Möglichkeiten zu vergleichen hatten wir ja noch nicht“, schränkt Jutta sofort ein.
Peter schaut sie von der Seite an und zwinkert mit dem linken Auge: „Das lässt sich ändern.“
Jutta zieht es vor, nicht näher auf diese Andeutung einzugehen und sagt deshalb, „die Schorle schmeckt gut.“
„Ja, das stimmt.“
„Sehen Sie den Mann dort im grauen Polohemd?“, Peter deutet diskret auf einen Mann, der über den Platz spaziert.
Jutta nickt.
„Das war mein Biologielehrer am Gymnasium. Wir mochten uns nicht sonderlich.“ Dabei hebt er die Schultern.
„Nun ja, das kommt vor“, sagt Jutta.
„Er hatte aber auch allen Grund dazu“, Peter lächelt bei der Erinnerung. „Ich war kein guter Schüler. Zumindest nicht in Fächern, die mich nicht interessiert haben und in denen man zu viel auswendig lernen musste. Als wir einmal einen nicht angesagten Test geschrieben haben, war ich natürlich nicht vorbereitet. Anstelle die Fragen zu beantworten oder ein leeres Blatt abzugeben habe ich zu jeder Frage einen Witz geschrieben“
Jutta dreht sich erstaunt Peter zu: „Das haben Sie gewagt?“
„Ja. Ich fand es sehr lustig, aber leider nicht Herr Müller. Außer einer Sechs bekam ich eine Strafaufgabe und musste an einem Freitagnachmittag nachsitzen. Selbst der Direktor ist eingeschaltet worden. Heute würde man das vielleicht nicht mehr so streng sehen, aber dieser alte Herr hatte wenig Sinn für Humor. Danach hat er mir das Leben in der Schule zur Hölle gemacht. Meine Eltern hatten ein Einsehen mit mir und ich durfte die Schule wechseln.“
„Ihre Eltern haben viel Verständnis gezeigt“, wundert sich Jutta, die in dieser Hinsicht ganz andere Erfahrungen gesammelt hat.
„Sagen wir es so, ihnen lag daran, dass ich das Abitur mache und studiere. Aus mir sollte schließlich etwas werden.“ Peter lacht bei den Gedanken.
Die Frage ob aus ihm etwas geworden ist, stellt sie vorsorglich nicht. Sie möchte nicht zu viel Persönliches erzählen, also fragt sie auch bei ihm nicht nach persönlichen Dingen.
Aber da erkundigt sich Peter schon: „Und, haben Sie auch einen Schwank aus Ihrer Kindheit oder Schulzeit zu erzählen?“
„Ich war eine brave Schülerin. Meine Eltern hätten mir das Leben schwer gemacht, wenn ich mir in der Schule einen Patzer erlaubt hätte. Und einen Lehrer zu ärgern, das wäre einer Katastrophe gleich gekommen. Schließlich sind für meine Eltern Lehrer, Ärzte und Pfarrer so etwas wie Halbgötter.“
„Das war bei uns nicht ganz so. Man hat sich immerhin regelmäßig im Golfclub oder sonst an einem Ort getroffen“, gibt Peter zu.
Die Erwähnung des Golfclubs zeigt Jutta ihre Grenzen. Sie leben nicht in der gleichen Welt. Das hat sie schon gesehen, als er sie angesprochen hat und das wird ihr jetzt wieder bewusst. Und erneut stellt sie sich die Frage, was dieser Mann, der um einiges jünger ist als sie, überhaupt von ihr will. Heute wird sie einen netten Geburtstag mit einem fremden Mann verbringen, den sie danach nie mehr treffen wird. Es ist also alles im grünen Bereich. Und dann sagt sie um das Schweigen nicht allzu lange andauern zu lassen:
„Nun ja, ich gehe davon aus, dass dieser Herr Müller nicht zum Golfclub gehörte. Sonst hätte er sie vielleicht nicht so abgestraft.“
Peter lacht und ergreift ihre Hand, die auf der Lehne ihres Stuhls liegt. „Da haben Sie Recht. Nein, da hätte er nun wirklich nicht hineingepasst.“
Jutta entzieht ihm ihre Hand wieder. Nur nicht zu viel Körperkontakt. Schließlich ist sie auf Entzug und möchte keinen falschen Schritt machen, auch wenn ihre Ehe nur noch auf dem Papier besteht.
„Woran sieht man, ob jemand in einen Golfclub passt?“, hakt Jutta etwas verärgert nach. Diese Überheblichkeit findet sie nicht angebracht und spricht weiter: „Am Geldbeutel?“
Peter dreht sich auf dem Stuhl nun ganz zu ihr hin, schaut ihr offen ins Gesicht, ergreift wieder ihre Hand und sagt mit bedrückter Stimme:
„Ich wollte Sie nicht kränken. Aber, Sie haben Recht. Leider ist immer noch der Geldbeutel ein wichtiges Kriterium. Zumindest in den meisten Clubs.“
Jutta will ihm ihre Hand entziehen, doch er lässt es nicht zu. Sie gibt nach und belässt ihre Hand in seiner.
„So“, hört sie ihn sagen, „dann lassen Sie uns aufbrechen und zum Essen gehen. Ich bin mir sicher, es wird Ihnen schmecken.“
Nun legt er ihre Hand wieder auf der Lehne ihres Stuhls ab und zieht seine Geldbörse aus der Gesäßtasche. Jutta nimmt ihre Handtasche und zieht ebenfalls ihren Geldbeutel heraus.
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