1 ...6 7 8 10 11 12 ...40 Ihrer Mutter aber sagte er davon natürlich kein Wort, als er bei ihr für seinen liebenswürdigen Schwager warb. Sie konnte sich nicht nur keinen besseren Mann für ihr Kind wünschen, sie war sogar entzückt darüber, durch eine solche Heirat mit ihrem lendenstarken Buhlen verwandt zu werden. Doch was er bei der Mutter so beredt eingefädelt hatte, stieß bei seinem Schwager sowie bei Lorenza auf heftigsten Widerstand: ob durch eine Aufwallung edler Gesinnung oder weil ihnen die Sache zu gefährlich war, sei dahingestellt, denn Balsamo tobte vor Wut und misshandelte sie wie ungehorsame Kinder, ein rasender Sizilianer, der seine Felle davonschwimmen sah.
Der Eheplan war also gescheitert, und zu allem Unglück nahte nun auch die Zeit heran, zu der Monsieur, dem Versprechen gemäß, seine Hoffnungen erfüllt sehen sollte. Doch keine Frühlingskräfte regten sich in dem von langen, aufreibenden Dienstjahren ausgelaugten Liebhaber, was ihn bewog, zaghaft bei Balsamo anzuklopfen, der sich für diesen Fall eine Ausrede zurechtgelegt hatte. Er erinnerte daran, dass jedes große Werk seine Zeit erfordere, erst recht, wenn es darum gehe, den Stein der Weisen herzustellen. Um den schwierigen Prozess zu vollenden, brauche er noch gewisse Kräuter, die es hier nicht gebe, sondern an einem geheimen Ort, weit weg. Spätestens übermorgen reise er dorthin, um sie zu holen. Kein Grund also für Monsieur, den Mut zu verlieren.
Für die Trennung von seiner Herzensdame hatte er sich noch einen weiteren Grund ausgedacht, einen Schicksalsschlag der besonderen Art, denn soeben habe er die Nachricht erhalten, dass sein Schwiegervater schwer erkrankt sei. Sein Zustand solle äußerst besorgniserregend sein, weshalb sie, seine Teuerste, wohl verstehen werde, dass er schleunigst nach Rom reisen müsse, natürlich zusammen mit seiner Frau und ihrem Bruder. Wenn er nicht zu spät komme, könne er ihm vielleicht noch helfen.
Das wünschte die Dame gleichfalls, doch mehr noch seine baldige Rückkehr, weshalb sie ihm einen schönen Reisewagen schenkte und dazu noch einen ordentlichen Batzen Geld, wozu auch der nach Verjüngung lechzende Kavalier sein Scherflein beisteuerte. Der Abschied von den vielfach Geprellten war herzlich, hofften sie doch auf ein Wiedersehen, für Balsamo ein törichter Gedanke, denn für ihn war es ein Lebewohl auf Nimmerwiedersehen. Statt ostwärts nach Italien fuhren sie wieder nach Spanien und kamen über Barcelona nach Valencia und Alicante, wo er mal als Offizier auftrat, häufiger aber sich als Doktor Tiscio aus Neapel mit der Heilkunde abgab.
Aus beiden Städten vertrieben, reiste er nach Cádiz, wo er einem leidenschaftlichen Anhänger der Chemie versprach, ihm hochwertige Kräuter und andere Substanzen zur Herstellung des Steins der Weisen zu beschaffen. Dafür stellte ihm der Spanier einen Wechsel über tausend Scudi aus und schenkte ihm außerdem noch eine goldene Repetieruhr, die Balsamo so gut gefiel, dass er ihm bei nächster Gelegenheit mit bewunderungswürdiger Fingerfertigkeit noch ein zweites ähnliches Prachtstück stahl. Das war seine Art, sich für die Großmut und üppige Bewirtung seines Gastgebers zu bedanken.
Lorenzas Bruder war ihm nach dem fehlgeschlagenen Eheplan mehr eine Last als von Nutzen. Unter der Beschuldigung, von ihm bestohlen worden zu sein, gab er ihm daher in Cádiz den Laufpass.
Auch für Balsamo war es jetzt höchste Zeit, Cádiz zu verlassen, noch ehe der betrogene Alchimist dahinterkam, wie man ihn aufs Kreuz gelegt hatte. Erneut zog es ihn nach London, wo er im Juli 1776 auftauchte, diesmal unter dem Namen Alessandro di Cagliostro nebst seiner jungen Gemahlin Serafina, einer höchst eleganten und gewandten Person. Durch ein Patent belegt, trat er als italienischer Oberst in preußischen Diensten auf, stets modisch gekleidet und hübsch frisiert, mit dem Degen an der Seite. Um zu zeigen, dass man zu den höheren Kreisen gehöre, mietete sich das Paar eine geräumige Wohnung in der Whitcomb Street Number 4 und richtete sich dort mit seiner Dienerschaft ein. Serafina stellte eine gebürtige Portugiesin, die unter demselben Dach in bescheidenen Verhältnissen wohnte, als Gesellschaftsdame ein, und Cagliostro einen gewissen Vitellini als Sekretär, einen italienischen Seminaristen, der sich wegen der Aufhebung des Jesuitenordens drei Jahre zuvor der Gesellschaft Jesu nicht hatte anschließen können. Der junge Mann, der außer seiner Muttersprache noch fließend englisch und französisch sprach, wurde in der großen Wohnung einquartiert.
Wegen ihrer ausgewählten Garderobe, ihrer vielen Juwelen, der teueren Möbel, mit denen sie ihre Unterkunft ausstatteten, sowie wegen ihres Dienstpersonals und der Tafel, die sie hielten, galten die Cagliostros als reich. Ihr ganzes Vermögen schienen sie aus Spanien mitgebracht zu haben, andernfalls ließ es sich nicht erklären, warum sie weder Bankwechsel noch Empfehlungsschreiben an Londoner Persönlichkeiten besaßen, wie es bei hochgestellten Fremden sonst üblich war.
Die erste Sorge des neuen Mieters galt der Einrichtung eines Laboratoriums mit Alchimistenausrüstung, einer Kiste mit kabbalistischen Werken und verschiedenen Zauberbüchern, die zur Ausübung der königlichen Kunst unerlässlich waren. Cagliostro verhehlte keineswegs, ein Alchimist zu sein, im Gegenteil, er ließ durchblicken, zahlreiche Geheimnisse zu kennen und sich seiner Berufung als spagirischer Forscher widmen zu wollen. Stundenlang machte er sich am Athanor, dem Alchimistenofen, und an den Schmelztiegeln zu schaffen, mischte die Pulver, beobachtete Retorten und Destillierkolben, verfolgte den Stand des Mondes, trieb den Hitzegrad seines Feuers hinauf, warf eine Handvoll Salz nach der anderen hinein, dass es zischte und schwarzer Rauch aus dem Schornstein aufstieg. Auch befasste er sich mit chiffrierten Tabellen, mit Zahlen, kabbalistischen Zeichen, Figuren, Gestirnen und Zauberbüchern sowie mit der Rechenpyramide des Cornelius Agrippa und pseudowissenschaftlichen Schriften: alles mit dem Ziel, Gold, Diamanten und das Lebenselixier herzustellen.
Für eine Miss Fry und ihren Geliebten, einen Mister Scott, war ein solcher Gelehrter, der sich bemühte, bis in die Tiefen aller Geheimnisse einzudringen, ein Mann, der ihre höchste Aufmerksamkeit erregte, zumal als er ihnen zu verstehen gab, er besitze streng gehütete Kenntnisse vom Lotto, einer Leidenschaft, der beide verfallen waren. Er behauptete nicht nur, mit Hilfe seiner kabbalistischen Wissenschaft und astrologischer Deutungen, die Zahlen im Voraus berechnen zu können, die bei der Lotterie gezogen wurden, sondern überspannte die Einbildungskraft der Leichtgläubigen auch noch mit der Beteuerung, er wisse Gold zu machen.
Mister Scott dankte dem Himmel, ihm so unverhofft einen der wenigen Alchimisten geschickt zu haben, die diese hohe Kunst beherrschten, und wollte gar zu gern erfahren, wie man die gemeine Materie in Gold verwandelt. Merkur, also einfaches Quecksilber, sei die Grundsubstanz, unterwies der Meister den Lernbegierigen, und daraus mache man zunächst Silber. Durch mehrere chemische Prozesse, zu denen er ein rotes Pulver brauche, sein rotes Pulver, wie er betonte, vermehre er dann die Goldmasse.
Mister Scott war Feuer und Flamme und bereit, alles für diese fabelhafte Geheimformel zu geben. Und auch, wie man die richtigen Lottozahlen im Voraus berechne, fiel Miss Fry gierig ein. Es solle bestimmt nicht Signor Cagliostros Schaden sein.
Nachdem ihm die beiden so schon auf den Leim gekrochen waren, fiel es ihm leicht, sie für die Einweihung in seine Geheimnisse gehörig zu rupfen. Doch nicht nur Geld luchste er ihnen ab, er hatte es auch auf Miss Frys Halsband mit zweiundsechzig kleinen Brillanten und eine goldene Schatulle abgesehen. Um wievielmal mehr würde der herrliche Schmuck erst glänzen, wenn die Brillanten größer wären, mindestens doppelt so groß!
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