Das bewies er ihr auch, als Duplessis sein junges Gästepaar wieder einmal, wie schon öfters, zum Essen einlud. An diesem gewissen Sonntagabend, nach dem Dessert, bedauerte Balsamo nicht länger bleiben zu können, da er mit seinem Freund, einem Apotheker, verabredet sei, und ließ seine Frau mit ihrem Gastgeber allein. Nach fröhlich durchzechten Stunden, bei denen beide einem köstlichen Samos tüchtig zugesprochen hatten, kehrte er spät nach Mitternacht zurück, bei bester Laune.
Auf Dauer aber ging das mit der Dreierbeziehung nicht gut, zum einen, weil jetzt der Galan eifersüchtig auf den Ehemann war, der, im Gegensatz zu ihm, Lorenza genießen konnte, wann immer er wollte; zum anderen weil Balsamos Unersättlichkeit, immer neue Forderungen für die Überlassung seines Bettschatzes zu stellen, selbst diesem Liebhaber zu sehr auf die Nerven ging und ans Portemonnaie, denn mit Gold war er auch nicht gerade behangen.
Mit diesem grobschlächtigen Kerl komme sie nie auf einen grünen Zweig, redete Monsieur eines Tages auf Lorenza ein, nachdem er sich wieder einmal über Balsamos Unverschämtheit geärgert hatte. Seine Gier sei ihr Ruin. Wenn sie weiter so leben wolle, wie sie es ihrer Schönheit wegen verdiene, dann solle sie diesem Raffke den Laufpass geben und nur noch auf eigene Rechnung arbeiten. Er nehme sie doch nur aus. Ihren Einwand, sie seien ehelich verbunden, bis dass der Tod sie scheide, ließ er nicht gelten: Anders als in Italien sei bei ihnen in Frankreich den Frauen diese Freiheit gestattet, und als sie unschlüssig blieb, wie sie sich entscheiden solle, riet er ihr, wenigstens nach Rom zurückzukehren, zu ihren Eltern, damit sie vor ihm sicher sei.
Das war ein Ausweg, ein Ratschlag, den sie gern befolgte, und so verließ sie bei Nacht und Nebel die Wohnung, ohne sich von ihrem Ehemann zu verabschieden. Doch nicht Rom war ihr Ziel, sondern ein Zimmer bei Frau Théron in der Rue Saint-Honoré, wo sie sich auf Empfehlung von Monsieur Duplessis einmietete, der sie nun, von Verlangen getrieben, jederzeit ungestört besuchen konnte.
Aber Balsamo kam ihr dort bald auf die Fährte. Eifersüchtig über die drohende Trennung und entrüstet darüber, dass sie ihren außerehelichen Pflichten jetzt nachkam, ohne ihn am Ertrag teilhaben zu lassen, zeigte er Lorenza wegen Untreue an. Von der Polizei verhaftet, musste sie die nächsten Monate hinter den Gefängnismauern von Sainte-Pélagie verbringen, wo sie gemeinsam mit vielen anderen Frauen lernen konnte, wie es um die Freiheit der französischen Damen bestellt war, die ihren Ehemännern den Laufpass geben wollten.
Unterdessen fand Balsamo Unterschlupf bei einer alternden Witwe, deren Wohlwollen er zu gewinnen verstand, indem er ihr vorgaukelte, ein Schönheitswässerchen zu besitzen, das die welke Haut älterer Damen wieder neu erblühen lasse. Mehr Geld aber lockte er ihr aus der Tasche durch Liebesbeteuerungen, mit denen er die törichte Alte einwickelte.
Die Freigebigkeit auch anderer bejahrter Frauen, die gern wieder jung und begehrenswert sein wollten, wusste er durch Liebe und Schönheitstinkturen anzuzapfen. Darüber hinaus fing er in Paris auch ernsthaft an, weitere Felder seiner späteren Praxis zu erproben. Er wusste, was die Menschen sich vom Leben erträumten und großzügig zu honorieren bereit waren. Die ersten Kenntnisse dazu in Chemie und Medizin hatte er sich vor Jahren als Novize in der Klosterapotheke der Barmherzigen Brüder in Cartagirone erworben.
Um sich mehr Ansehen zu verschaffen, mietete er sich ein Haus an der Rennbahn, wo er zwei angesehenen Männern, deren Bekanntschaft er vorher gemacht hatte, die Köpfe zu verwirren verstand. Er brüstete sich mit geheimen Kenntnissen in der Chemie, einer Wissenschaft, für die beide überschwänglich schwärmten. Völlig umstrickt hatte er sie, als er vorgab, Gold machen zu können, und ihnen versicherte, eine Geheimformel zu besitzen, mit der man das menschliche Leben verlängern könne, was besonders einer der Herren brennend gern erfahren wollte, da seine Tage sich bereits dem Abend zuneigten. Um sie in ihrer Verblendung zu bestärken, beschwatzte er sie, einige spanische Dublonen für das große Experiment springen zu lassen, mit dem er sie von seiner Kunst des Goldmachens überzeugen werde. Zuschauen ließ er sie dabei nicht, sie durften nur das Ergebnis bestaunen - und das verschlug ihnen die Sprache! Denn vor ihnen lag eine Goldmasse, die größer war als der Goldgehalt der Dublonen. Was sie jedoch nicht wussten, war der Schwindel, mit denen Balsamo sie täuschte: Er hatte nämlich die Goldmünzen mit anderen Metallen im Tiegel verschmolzen und so einen stattlichen Klumpen gewonnen, angeblich reines Gold.
Balsamo hatte die beiden Narren jetzt so fest in der Hand, dass sie ihm gutgläubig fünfhundert Louisdor auf den Tisch zählten für das Versprechen, von ihm in die Geheimnisse eingeweiht zu werden, wie man Gold macht und die Lebenszeit verlängert. Um die nötigen Vorbereitungen treffen und wesentliche Materialien beschaffen zu können, erbat er sich eine Frist, wofür seine Jünger volles Verständnis zeigten. Doch als die Zeit verstrich und der Meister immer noch keine Anstalten machte, sie seine hohe Kunst zu lehren, wurden sie misstrauisch und glaubten bald dieses, bald jenes zu erkennen, was ihren Verdacht noch schürte.
Auch Balsamo spürte die drohende Gefahr, die sich wie ein Gewitter über ihm zusammenbraute. Früher oder später würde sich herausstellen, dass er weder das eine Kunststück noch das andere beherrschte. Angst vor der Zukunft überfiel ihn in solchen trüben Stunden, wenn er sich vorstellte, den Lebensunterhalt mit jenen gewagten Betrügereien bestreiten zu müssen, die ihn früher oder später in den Kerker brächten. Was waren das doch für sorglose Zeiten gewesen, als seine Frau durch ihren leibhaftigen Einsatz bei spendablen Kavalieren das tägliche Brot verdiente! Deshalb war er froh, als Lorenza aus Sainte-Pélagie entlassen wurde und sich wieder mit ihm aussöhnte.
Da Balsamo befürchtete, die Geprellten würden nicht mehr lange stillhalten und ihn wegen Betrugs verhaften lassen, besorgte er sich einen Reisepass mit falschem Namen und floh mit Lorenza nach Brüssel, irrte eine Zeitlang durch Deutschland und Italien und tauchte plötzlich wieder in Palermo auf.
Erst wenige Tage war er in seiner Heimatstadt, als ihm Marano über den Weg lief, der Goldschmied, dem er früher einmal gegen ein gehöriges Handgeld einen Schatz versprochen, stattdessen aber von Teufeln hatte verprügeln lassen. Da half ihm auch nichts, dass er sich jetzt Marchese Pellegrini nannte, der Betrogene erkannte ihn sofort und ließ ihn verhaften. Zugleich wollte man dem Übeltäter auch wegen des vor Jahren gefälschten Testaments des Marchese Maurigi den Prozess machen. Es stand zu erwarten, dass man ihn auf die Galeere schicken würde.
Doch wie so oft schon entging er auch diesmal der gerechten Strafe. Der Sohn eines der ersten sizilianischen Prinzen und großen Gutsbesitzers, ein Kraftmensch und Hitzkopf, nahm sich des eingesperrten Marchese Pellegrini an, nachdem Lorenza sich seiner wärmstens angenommen hatte. Da verschiedene Befreiungsbemühungen nichts fruchteten, drohte er im Vorzimmer des Präsidenten, dem Anwalt der Gegenpartei einen Denkzettel zu verpassen, den dieser sein Lebtag nicht vergessen werde, wenn er sich nicht sofort für die Aufhebung der Haft einsetze. Als der Advokat sich jedoch weigerte, schlug er auf ihn ein, warf ihn zu Boden und misshandelte ihn mit Fußtritten, bis der Präsident auf den Lärm hin herbeieilte und Einhalt gebot. An eine Bestrafung des blaublütigen Berserkers wagte der Präsident, ein schwacher, abhängiger Mann, nicht einmal zu denken, und bei diesem Kleinmut schmolz auch der Widerstand des Anwalts dahin.
So wurde Balsamo-Pellegrini auf freien Fuß gesetzt, ohne dass in den Akten vermerkt wurde, wer die Haftaufhebung verfügt hatte, noch wie sie geschehen war. Er musste die Stadt sofort verlassen: Das war die einzige Auflage, die man ihm machte.
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