Drei Monate lang kam es dort immer wieder zu Begegnungen der lustvollen Art, und jedes Mal bezog Lorenza für ihre guten Dienste eine Vergütung von acht Piastern. Doch nichts ist so fein gesponnen, dass es nicht kommt ans Licht der Sonnen. So verschwiegen der Tatort auch war, die Familie des Lüstlings roch schließlich doch den Braten und entrüstete sich über die Fehltritte eines ehrbaren Kaufmanns. Um einem drohenden Streit auszuweichen, entschloss sich Balsamo, Lissabon zu verlassen und sich nach England einzuschiffen, wo er sich in London neue Jagdgründe zu erschließen hoffte. Diese Erwartung kam nicht von ungefähr, denn in Lissabon hatte er eine junge, sich herumtreibende Engländerin kennengelernt, deren Abenteuerlust er zu stillen verstand. Von ihr musste sich Lorenza noch die nötigsten englischen Sprachbrocken eintrichtern lassen, damit das junge Paar in dem neuen, fremden Land besser zurechtkommen würde.
In London bezog das Paar eine bescheidene Wohnung bei einem Drechsler. Balsamo, der sich als Maler ausgab, war so abgebrannt, dass er Trost im Suff suchte und dabei häufig seine Frau schlug, weil sie ihm nicht über Nacht die erhofften Einnahmen verschaffte. Doch diese Eingewöhnungszeit, in der sie nichts zu nagen und zu beißen hatten, ging bald vorüber. Nachdem sie nämlich Fuß gefasst hatten, blühte Balsamos Kuppelei erst richtig auf, denn im puritanischen England fanden die südlichen Reize der schönen Römerin reiche Käufer.
Mehr aber, so bekam er bald spitz, war aus dem Gewerbe herauszuschlagen, wenn er sich die britischen Gesetze zunutze machte. Danach konnte ein Ehemann, der seine bessere Hälfte beim Ehebruch überraschte, den Ehebrecher entweder vor Gericht bringen, wo er eine äußerst strenge Strafe zu erwarten hatte, oder sich von ihm für die erlittene Schmach mit einer gehörigen Geldsumme abfinden lassen. Voraussetzung war jedoch, dass noch ein weiterer Augenzeuge die Missetat bestätigte.
Mit Eifer machten sich Balsamo und sein Lockvögelchen nun daran, Bekanntschaften mit verschiedenen Quäkern zu schließen und sich mit einem Sizilianer, der sich Marchese Vivona nennen ließ, enger zu befreunden. Als einer der Quäker beim Anblick von Lorenza Feuer fing und ihr, all seine guten Sitten über Bord werfend, sogar sündhafte Anträge machte, ohne jedoch vorerst erhört zu werden, vertraute sich die Umworbene ihrem Giuseppe an. Zufrieden rieb er sich die Hände, der Fisch hatte also angebissen, aber den Köder noch nicht geschluckt. Sollte er ruhig eine Weile an der Leine zappeln, das würde seinen Appetit steigern. Umso leichter könnten sie ihn dann an Land ziehen und tüchtig ausnehmen. Er ließ Vivona holen, um mit ihm alles genau zu besprechen.
Nach dem Plan, den sie gemeinsam ausheckten, sollte Lorenza dem liebestollen Quäker die Gunst gewähren, sie heimlich besuchen zu dürfen. Ein Wort von ihr genügte, um ihn schon im siebten Himmel schweben zu lassen. Pünktlich auf die Minute stand er vor ihrer Tür, rote Rosen und feinstes Teegebäck in der Hand, und strömte über vor Komplimenten und Kusshändchen, als sie ihn einließ und bat, Platz zu nehmen. Es seien ihre Lieblingsblumen, schwärmte sie ihm vor, als sie die Rosen in eine Vase stellte, und was für köstliches Gebäck! Nie und nimmer hätte sie gedacht, dass ein Quäker so galant sein könne.
Er fühlte sich geschmeichelt und sah sich schon mit ihr im Bett liegen, das er auf den ersten Blick durch einen Spalt im Vorhang erspäht hatte, und die Früchte seiner Galanterie ernten. Doch nichts überstürzen, sagte er sich, seine Ungeduld zähmend, gut Ding will Weile haben.
Sie schenkte Tee ein, den sie selber gebrüht habe, wie sie versicherte, und während sie Schlückchen für Schlückchen tranken und Stückchen für Stückchen von dem Gebäck knabberten, plauderten sie bald über dieses, bald über jenes und schließlich nur über das eine, das sie in dieses einladende Zimmer zusammengeführt hatte. Dem frömmelnden Freier wurde dabei so warm ums Herz, dass sein Blut in Wallung geriet und er das Gefühl hatte, vor lauter Hitze überzukochen. Schweißgebadet warf er Hut, Perücke und Weste von sich und nestelte aufs Höchste erregt schon an seiner Hose herum, um sich im nächsten Augenblick dem Genuss voll hinzugeben, als Lorenza einen schrillen Schrei ausstieß und „Nicht doch, Sir!“ rief, das verabredete Zeichen, auf das hin Balsamo und Vivona aus dem Zimmer nebenan hineinstürzten und den Verführer aus allen Wolken fallen ließen. Leugnen war zwecklos, wie der verhinderte Ehebrecher trotz all seiner Verwirrung erkannte, und wie ein begossener Pudel dastehend, ließ er kübelweise Schimpf und Schande über sich ergehen, womit ihn die Spitzbuben überschütteten. Ja, er bedankte sich sogar, als ihm das Gaunertrio durch die Zahlung von hundert Pfund Sterling eine Gerichtsstrafe ersparte, und schätzte sich glücklich, durch Gottes Hand noch einmal vor einer schweren Sünde bewahrt worden zu sein.
Bei Geld hört alle Freundschaft auf, eine Lebensweisheit, die bald auch Balsamo erfahren musste. Aus Lissabon hatte er eine Handvoll Topase mitgebracht, die er nun in London verscherbeln wollte. Auf seine Bitte hin war Vivona gern bereit, den Verkauf zu übernehmen. Doch kaum klimperten die Edelsteine in seiner Tasche, als der gute Freund auch schon mit der Beute das Weite suchte. Jetzt war nicht nur Schmalhans Küchenmeister, Balsamo blieb seinem Hauswirt auch die Miete schuldig. Ohne auf Bitten und hohle Versprechungen einzugehen, ließ der Gläubiger ihn ins Schuldgefängnis werfen. Da saß nun der betrogene Betrüger, dem die Einnahmen ebenso schnell zerrannen, wie er und seine Frau sie leicht gewonnen hatten. Sein Hang zur Eitelkeit und Verschwendung beherrschte ihn schon damals so stark, dass er alle Gedanken von sich wies, durch einen bescheideneren Lebenswandel besser über die Runden zu kommen. Er vertraute auf sein Glück, das ihn immer wieder aus dem Sumpf gezogen hatte, so oft und so tief er auch hineingefallen war.
Diesmal war es die Großmut eines Engländers, die ihm die Freiheit brachte. Eingefädelt hatte das Ganze die schöne Lorenza, die öfters die katholische Kapelle des bayerischen Gesandten besucht und dabei Gelegenheit gefunden hatte, einen rechtschaffenen Gentleman kennenzulernen. Sie schilderte ihm die Lage ihres Mannes und erhielt von ihm einen ausreichenden Geldbetrag, um die Schuld zu tilgen. Doch nicht genug damit, der großherzige Engländer nahm das Paar auch zu sich ins Haus und glaubte, nachdem man miteinander vertraut geworden war, in Balsamo einen jungen Maler gefunden zu haben, der ihm einige Zimmer seines Landhauses verschönern könne.
Gemeinsam zog man von der Stadt aufs Land hinaus, darunter auch die Töchter des Hausherrn. Mit einem dieser Mädchen, das alle Aussichten hatte, zeitlebens Jungfrau zu bleiben, fing er an zu turteln und zu tändeln, als er merkte, wie sie ihm mit Kuhaugen bei der Arbeit zuschaute. Ihr Interesse galt dabei weniger seiner Kleckserei, die sie, verblendet wie sie war, für Kunst hielt, als vielmehr dem jungen Maler, der den Pinsel so schwungvoll über die Wände gleiten ließ. Er war zwar nicht schön, eher abstoßend, dazu klein und dicklich, ja er schien ihr sogar ein wenig zu schielen, und auch sein Kauderwelsch klang ihr nicht gerade wie Musik in den Ohren, aber er war ein Mann, und noch nie hatte sie Gelegenheit gehabt, Tag für Tag einem Mann so nahe sein zu dürfen, unbeaufsichtigt von ihrer strengen Mutter, jede Bewegung seines Körpers zu verfolgen, wie er sich reckte und streckte und sich beugte und ihr dabei sein pralles Hinterteil zuwandte. Balsamo witterte, was sie so erregt umtrieb, und mit sicherem Instinkt wusste er die Leidenschaft dieses zu kurz gekommenen Geschöpfs bis zur Raserei zu schüren und sich die Stillung ihres Verlangens versilbern zu lassen.
In den ersten Tagen wunderte sich der Hausherr noch über die Arbeit des Malers, hoffte aber, es werde sich vielleicht zum Besseren wenden, vergebens, er schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er schließlich sah, wie der junge Mann die Zimmer verschandelt statt verschönert hatte. Nachdem er dazu noch erfahren musste, Balsamo habe zum Dank für alle Wohltaten auch noch die Tochter verführt, warf er ihn mitsamt Ehefrau aus dem Haus. Die beiden durften froh sein, überhaupt noch so glimpflich davongekommen zu sein.
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