Giuseppe fühlte sich geschmeichelt, denn, selber einschlägig vorbelastet, hatte er mit Kennerblick erkannte, dass Agliata ein wahrer Meister darin war, Papiere und Siegel zu fälschen. Aus seiner Hand erhielt er auch ein Patent als Offizier des Königs von Preußen, das mit der geschickt nachgeahmten Unterschrift König Friedrichs unterzeichnet war.
So unverhofft zu militärischen Ehren gekommen, verschaffte sich Balsamo die passende Uniform und trat künftig, wo immer er sich davon etwas versprach, als Offizier eines preußischen Regiments auf.
Unheil lag in der Luft. Nach einem Streit mit Nicastro hatte der Galgenvogel seinen bisherigen Kumpan Balsamo als Wechselfälscher bei der Behörde verpfiffen und sich erboten, ihn mitsamt dem Beweismaterial abzuliefern, was ihm jedoch nicht glückte, weil der Beschuldigte noch rechtzeitig Wind davon bekam und sich aus dem Staub machte.
In einer Kutsche fuhr das Ehepaar Balsamo zusammen mit Agliata und dessen jungem Sekretär von Rom über Loreto nach Venetien, wo sie überall falsche Wechsel an den Mann brachten, sich mit selbstverfassten Empfehlungsschreiben Geld erschlichen und mit anderen Gaunereien über Wasser hielten. Auf der ganzen Reise hielt Agliata die Eheleute aus, großzügig, wenn auch nicht uneigennützig, denn Lorenza versüßte ihm als sein Bettschatz die langen Nächte, sehr zur Zufriedenheit ihres Mannes, der sich dafür den jungen Sekretär als Herzbuben nahm.
So gelangten sie schließlich nach Bergamo, wo das sündige Quartett für einige Tage in einem Gasthof abstieg. Ihre fragwürdigen Geschäfte erregten jedoch bald die Aufmerksamkeit der Behörden. Während es Agliata und seinem Sekretär gelang, wenige Stunden vor dem Zugriff Fersengeld zu geben, wurde das Ehepaar festgenommen. In einem unbewachten Augenblick schob Giuseppe Balsamo seiner Frau heimlich ein Päckchen mit gefälschten Wechseln zu und beschwor sie, es hinunterzuschlucken, aber erst dann, wenn keiner es merke. Geschwind steckte sie die Papiere in den Busen, bis sich eine günstige Gelegenheit ergab, sie in Fetzen zu reißen, was ihr appetitlicher schien, als sie hinunterzuwürgen.
Das Verhör brachte zwar nicht die erhofften Beweise, aber die Verdachtsgründe genügten, die Eheleute aus Bergamo auszuweisen. Da Agliata auf der Flucht alles mitgenommen hatte, was von Wert war, ging es ihnen äußerst schlecht. Gern wären sie wieder nach Rom zurückgekehrt, allein er befürchtete, über seine Vergangenheit dort sei noch nicht genügend Gras gewachsen. Deshalb entschlossen sie sich, zu Fuß eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela im spanischen Galicien zu unternehmen, in der Hoffnung, unterwegs als Büßer Mitleid zu erregen und von Almosen besser leben zu können. Als Pilger verkleidet, machten sie sich also auf den weiten Weg und erzählten jedem, wegen einer heimlichen Ehe sei ihnen diese Buße auferlegt worden. Doch die milden Gaben der frommen Spender brachten ihnen nur magere Kost ein, zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben, weshalb Balsamo abermals seine Frau zwang, mit ihren weiblichen Reizen für volle Fleischtöpfe zu sorgen. Als sie sich sträubte wegen ihrer Tugend, fuhr er sie an, ob Gott ihr vielleicht bei all ihrer Tugend in dem Elend beistehe, das sie beide bedrücke.
Wie sehr seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren, davon konnten sich die Offiziere der Garnison von Antibes an der französischen Riviera überzeugen, wo das Paar auf seiner Pilgerfahrt die Küste entlang über Genua eintraf. Lorenza verstand es, die Sinnenlust der Herren so zu kitzeln, dass die Genießer ihr gern die Liebesdienste versilberten.
Mit treffsicherem Blick erkannte auch ein Frauenkenner wie Casanova, was für ein begehrenswertes Geschöpf sich unter der Pilgerkutte verbarg, als er dem jungen Ehepaar in Aix-en-Provence begegnete. Der Zufall hatte es so gefügt, dass sie im gleichen Gasthof abgestiegen waren. Es müssten Leute von vornehmer Geburt sein, da sie bei ihrer Ankunft in der Stadt reiche Almosen ausgeteilt hätten, flüsterte ihm der Wirt zu, als sich Casanova nach ihnen erkundigte. Die Pilgerin solle entzückend sein, fügte er mit einem vertraulichen Blinzeln hinzu, blutjung noch, was auch Casanova schon bemerkt hatte, als sie zur Tür hereinkam. Wo sie jetzt sei, ob sie vielleicht den vielen Männern hier aus dem Wege gehen wolle, fragte er weiter, worauf der Wirt erklärte, sie sei sehr müde und habe sich deshalb gleich zur Ruhe begeben.
Casanova verbrachte eine unruhige Nacht. Wilde Träume gaukelten ihm immer wieder neue Bilder vor, eins kühner und ausschweifender als das andere, aber bei allen Umarmungen war das Objekt seiner Begierde stets gleich: die fremde Pilgerin, die zurzeit unter einem Dach mit ihm schlief, wenn auch leider im Bett eines anderen. Er war froh, als es Tag wurde und er endlich um die Ehre nachsuchen konnte, empfangen zu werden.
Begleitet von seinem Diener, der neben der Tür stehenblieb, trat er ins Zimmer, wo ihn die Pilgerin, in einem Lehnstuhl sitzend, erwartete. Obwohl ihr die Erschöpfung anzusehen war, fesselte sie den Besucher durch ihre strahlende Jugendlichkeit und Schönheit, die durch einen Anflug von Schwermut und ein Kruzifix in den Händen, aus gelbem Metall und an die sechs Zoll lang, einen seltsamen Reiz erhielt. Der etwas dickliche Pilger, ihr Mann, der gerade Muschelwerk auf seinem Wachstuchmantel ordnete, rührte sich nicht, er schien, mit einem Blick auf seine Frau, sagen zu wollen, der Besucher möge sich nur mit ihr beschäftigen.
Man kam ins Plaudern, bald über dieses, bald über jenes, und nachdem die üblichen Artigkeiten ausgetauscht waren, eröffnete Lorenza ihm den Zweck ihrer Reise. Warum sie nicht mit dem Wagen führen, wenn der lange Weg sie so sehr anstrenge, wandte Casanova ein, wenigstens hin und wieder ein Stück. Leisten könnten sie es sich doch bei den vielen milden Gaben, die sie hier so reichlich verteilt hätten.
Sie schüttelte den Kopf, die Bescheidenheit in Person. Sie gingen zu Fuß, erzählte sie, und lebten nur von Almosen, um so eher die Gnade Gottes zu erlangen, den sie in ihrem Leben so oft schon beleidigt habe. Vergebens bäte sie, ihr nur einen Sou aus Barmherzigkeit zu schenken, doch umsonst, denn immer gebe man ihr Silber, oft sogar Goldstücke, so dass sie und ihr Mann bei der Ankunft in jeder neuen Stadt alles übrige den Armen schenken müssten, um nicht die Sünde zu begehen, es an Vertrauen zur ewigen Vorsehung fehlen zu lassen.
Sie sagte das in aller Demut und mit einem so treuherzigen Augenaufschlag unter ihren langen Wimpern, dass selbst Casanova darauf hereinfiel. Was für ein liebliches Geschöpft, schwärmte er, obwohl er auch jetzt bei Tage nicht mehr von ihr zu sehen bekam, als am Abend zuvor, wie schüchtern und zurückhaltend, eine Seltenheit bei einer so jungen und reizvollen Frau. Nicht im Geringsten trägt sie ein leichtfertiges Wesen zur Schau, so gesittet wie sie sich benimmt. Als er sie aufforderte, ihren Namen auf ein Lotterielos zu setzen, es könne so vielleicht eher die Glücksgöttin zu einem Gewinn bewegen, der dann den Armen zugute käme, erwiderte sie errötend, es tue ihr leid, aber in Rom lehre man die Mädchen nicht schreiben, damit sie nicht Zucht und Ehrbarkeit vergessen mögen.
Alle lachten über die Antwort, besonders laut der Wirt, der sich, vor Neugier platzend, wie weit es der Frauenheld bei ihr wohl bringen werde, in die halboffene Tür gedrängt hatte. Nur Casanova selbst blieb ernst, da er nun sicher zu sein glaubte, dass sie den untersten Volksklassen angehörte.
Mit aufgefüllter Reisekasse setzten die Eheleute ihren Bußgang nach Spanien fort und kamen endlich nach Barcelona, wo sie sich sechs Monate aufhielten. Da sie aber bald mehr Löcher als Münzen in den Taschen hatten und nicht mehr wussten, wie sie den Gastwirt bezahlen sollten, riet Balsamo seiner Frau, in die nahe Klosterkirche zu gehen und zu beichten, natürlich nicht alles, sondern nur was ihr gerade so einfalle, aber nichts, was den Beichtvater erschrecken könne. Sie solle damit nur Kontakt aufnehmen und ihm erzählen, dass sie beide aus vornehmen Kreisen stammten, römischer Adel, das käme immer an. Sie hätten heimlich geheiratet und seien jetzt in arge Verlegenheit geraten, weil die erwarteten Geldmittel ausgeblieben seien. Als guter Christ werde er ihnen bestimmt helfen.
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