In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.
Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.
Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.
E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“
Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.
TARZAN UND SEIN SOHN
Ebbe und Strömung trugen das Beiboot der Marjorie W. schnell auf dem breiten Ugambi der Mündung entgegen. Die Mannschaft genoss es, nach der harten Fahrt stromaufwärts die Hände im Schoß liegen zu haben. Drei Meilen weiter wartete die Marjorie W., klar zur Abfahrt.
Plötzlich verstummten die Gespräche der Männer, die ihre Aufmerksamkeit dem Nordufer des Flusses zuwandten. Dort stand, die dürren Arme emporgestreckt, eine seltsame Gestalt, die ihnen mit heiserer Stimme Unverständliches über das Wasser zurief.
»He, was ist das?«, entfuhr es einem der Matrosen.
»Ein weißer Mann«, stellte der Maat fest und fügte hinzu: »Legt euch in die Riemen, Jungens! Wollen feststellen, was es mit ihm für eine Bewandtnis hat.«
Als sich das Boot dem Ufer näherte, erkannten die Männer eine ausgemergelte Gestalt, das verfilzte weiße Haar wirr im Gesicht. Der hagere, verkrümmte Körper des Mannes war bis auf ein Lendentuch nackt. Tränen rannen über seine hohlen, pockennarbigen Wangen, während die bebenden Lippen unverständliche Worte hervorstießen.
»Ein Russe?«, mutmaßte der Maat. Er rief dem Mann zu: »Sprechen Sie Englisch?«
Der Fremde sprach Englisch, aber seine Worte kamen so zögernd und unbeholfen, als habe er sich seit Jahren dieser Sprache nicht mehr bedient. Er bat die Matrosen händeringend, ihn mitzunehmen, um endlich diesem unwirtlichen Lande zu entkommen.
Sobald die Gruppe sich an Bord der Marjorie W. befand, berichtete der Fremde von den schrecklichen Erlebnissen seiner letzten zehn Jahre, die er im Dschungel verbracht hatte. Über die Ereignisse, die ihn nach Afrika verschlagen hatten, schwieg er sich aus und erweckte so den Eindruck, als sei die Zeit vorm Dschungeldasein seiner Erinnerung entfallen. Er verschwieg auch seinen wahren Namen, so dass ihn die Besatzung fälschlicherweise Michael Sabrow nannte, während das menschliche Wrack in Wirklichkeit auf den Namen Alexis Paulvitsch hörte.
Zehn Jahre waren vergangen, seit der Russe jenem Schicksal seines Freundes Rokoff entging; und in den zehn Jahren hatte er unzählige Male eben dieses Schicksal verflucht, das ihn endlos leiden ließ, während es seinem Freund ein schnelles schmerzloses Ende bereitet hatte.
Paulvitsch vergaß nie das Bild, als Tarzans Tiere das Deck der Kincaid stürmten, um dort ein Blutbad anzurichten. Aus Furcht vor Verfolgung war er tief in den Dschungel geflohen, bis er in die Hände eines wilden Kannibalen-Stammes fiel, der sich jedoch an die Grausamkeit Rokoffs erinnerte. Paulvitsch erfuhr nie, was den Häuptling veranlasst hatte, ihm das Leben zu schenken; dieses Leben war für ihn eine endlose Kette von Erniedrigungen und Martern geworden. Zehn Jahre lang musste er den Prügelknaben für den Stamm abgeben, selbst Frauen und Kinder konnten ihn bespeien und mit Steinen bewerfen, wenn es ihnen gefiel. Wiederholt hatte ihn schwerstes Fieber niedergeworfen. Aber er starb nicht, wenn auch die Pocken ihre unverkennbaren Spuren in sein Gesicht gruben, so dass seine eigene Mutter ihn nicht wiedererkannt hätte. Die Peinigungen seitens der Krieger des Stammes verkrümmten seine Glieder, das dichte schwarze Haar, das seinen Schädel bedeckt hatte, war bleichen Strähnen gewichen. Jetzt ging er gebeugt wie ein uralter Mann.
Die Mannschaft pflegte und nährte ihn an Bord der Marjorie W.. Er gewann ein wenig Kraft zurück, wusste aber, dass er bis an sein Lebensende ein menschliches Wrack bleiben würde. Wer ihn sah, mochte ihn für achtzig halten, obwohl er die Dreißig gerade erst überschritten hatte.
Alexis Paulvitschs Gedanken waren nicht mehr auf Rache gerichtet. Nur dumpfer Hass wohnte noch in ihm. Hass gegen den Mann, den er zusammen mit Rokoff nicht hatte bezwingen können, Hass selbst gegen Rokoff, dem er es verdankte, dass er in diese Situation geraten war. Er hasste die Polizei vieler Städte, aus denen er fliehen musste, er hasste Recht und Ordnung.
Mit den Männern, die ihn gerettet hatten, verband ihn nichts. Er war zu schwach, um zu arbeiten, und zu mürrisch, um als Gesellschafter geschätzt zu werden. So überließ man ihn bald sich selbst.
Die Marjorie W. war von einem Syndikat wohlhabender Fabrikanten gechartert worden. Sie führte einen Stab von Wissenschaftlern und ein gut eingerichtetes Laboratorium mit sich, denn sie sollte ein Naturprodukt suchen, das die Fabrikanten bisher zu hohen Kosten aus Südamerika bezogen. Diese Suche führte das Schiff, nachdem Alexis Paulvitsch an Bord genommen worden war, zu einer bestimmten Insel vor der afrikanischen Küste. Hier lag die Marjorie W. mehrere Wochen vor Anker, und die Eintönigkeit des Tagesablaufes legte sich drückend auf die Besatzung. Die Mannschaft ging oft an Land, und schließlich bat Paulvitsch, der des ewigen Anbordbleibens müde wurde, sie begleiten zu dürfen.
Die Insel war stark bewaldet. Dichter Dschungel erstreckte sich fast bis an das Ufer. Die Wissenschaftler waren weit ins Innere vorgedrungen, wo sie, wenn die Gerüchte sich bewahrheiteten, das gesuchte Produkt in Mengen, die eine planmäßige Ausbeutung lohnten, finden würden. Die Matrosen gaben sich dem Fischfang hin, jagten und unternahmen kleinere Streifzüge. Paulvitsch wunderte am Ufer umher oder lag schlafend im Schatten der hohen Bäume, die das Ufer säumten. Eines Tages, als die Matrosen sich in einiger Entfernung gesammelt hatten, um den Panther zu inspizieren, den einer von ihnen erlegt hatte, erwachte Paulvitsch davon, dass eine Hand seine Schulter berührte. Er fuhr aus dem Schlaf auf und sah einen großen Menschenaffen, der neben ihm kauerte und ihn neugierig musterte. Eisiger Schreck durchfuhr den Russen. Sein Blick wanderte zu den Matrosen - sie waren zumindest zweihundert Meter entfernt. Wieder griff der Affe nach seiner Schulter und schnatterte aufgeregt dabei. Weder in dem forschenden Blick noch in der Haltung des Tieres erkannte Paulvitsch eine Bedrohung. Langsam kam er auf die Beine. Neben ihm erhob sich der Affe.
Читать дальше