Meine Prämissen fürs Breifrei-Kochen und Essen habe ich ausführlich schon im Breifrei Praxisbuch geschildert. Hier nochmals eine kurze Zusammenfassung:
• Die Gerichte sollten möglichst schnell und unaufwändig zubereitet werden können. Denn wenn ich eines nach der Geburt meiner Tochter gelernt habe, dann ist es das: Elternzeit heißt nicht mehr Freizeit. Sondern im Gegenteil deutlich weniger Zeit, die man sich auch nicht wirklich frei einteilen kann. Dann soll das Kind halt beim Kochen zusehen, das ist ja auch Beschäftigung! so dachte ich noch vor der Geburt. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Für mein Baby war es zwar interessant, beim Schnippeln und Kochen zuzusehen und dabei eine Zeitlang alleine z.B. mit Schaumschläger und Silikonpinsel zu spielen. Aber eben immer nur für eine begrenzte Zeit, dann wurde die Sache doch langweilig und Mama sollte wieder als richtiger aktiver Spielpartner herhalten.
• Außerdem sollten die Zutaten möglichst leicht erhältlich sein und nicht die Haushaltskasse sprengen. In meinen Bevor-ich-Mama-wurde-Zeiten habe ich auch gerne mal mit nicht ganz alltäglichen Lebensmitteln experimentiert. Ein Gericht erfordert Pak Choi? Kein Problem, dann fahre ich eben nach der Arbeit quer durch die Stadt zu dem kleinen versteckten Asia-Supermarkt und kaufe dieses Kohlgemüse dort ein. Oder mal wieder Lust auf Pulpo? Gibt’s frisch in dem kleinen Fischladen, der blöderweise in der entgegengesetzten Richtung zum Büro liegt und vor dem man nie einen Parkplatz kriegt, also eine perfekte Aufgabe, um den Samstagvormittag rumzukriegen. Wie gesagt, das war bevor Juliane auf der Welt war. Mit Juliane war der Ablauf dann plötzlich anders: Auch jetzt bin ich täglich mit ihr auf Einkaufstour gegangen, aber größtenteils zu Fuß und deshalb nur in der näheren Umgebung von zu Hause. Und da gab‘s (immerhin!) einen Discounter, einen Supermarkt sowie einen gut sortierten und sehr kinderlieben Gemüse-Türken, den ich jeder Mama nur wünschen kann. Aber eben kein Pak Choi und keinen frischen Pulpo. Wobei man sich auch sehr ausgewogen ohne diese Zutaten ernähren kann!
• Größere Sauereien durch stark färbende Lebensmittel wollte ich möglichst vermeiden. Rote Beete? No way, die Sauerei auf Tisch, Stuhl und vor allem auf den liebgewonnenen Babyklamotten möchte ich mir einfach nicht vorstellen. So viel Eisen dieses Powerfood auch hat, aber bei zu vielen Die-bekomm-ich-nie-wieder-raus-Flecken bin ich einfach unentspannt. Da kann ich aus meiner Haut einfach nicht raus. Auch an Tomatensoße habe ich mich erst recht spät gewagt, als meine Kleine schon recht sicher mit ihren Fingern greifen und zielsicher in den Mund befördern konnte.
• Außerdem sollten die Gerichte so salzarm wie möglich sein. Die Panikmache vor Salz ist fast so groß wie die Panikmache vor dem plötzlichen Kindstod. Ja, zugegeben: Mit zu viel Salz kann man ein Baby sogar umbringen. Ich erinnere mich nur zu gut an einen Zeitungsartikel von vor sicherlich über einem Jahrzehnt (und dass ich mir so etwas so lange merken kann, zeigt schon, wie geschockt ich darüber war): Da hatte eine Stiefmutter ihrer 4jährigen Tochter einen Teelöffel Salz in den Pudding gerührt, weil die Kleine ungezogen war. Und ihr Löffel um Löffel davon reingezwungen. Was zu Bauchkrämpfen, Durchfall, später zum Koma und Tod der Kleinen führte. Unter „Tod nach Schoko-Pudding“ ist diese Geschichte im Internet noch immer zu finden. Also, bloß kein Salz! - Bloß kein Salz? Unser Körper benötigt Salz: Natrium spielt eine Rolle bei der Regelung des Wasserhaushalts sowie bei der Reizübertragung von Nerven- und Muskelzellen. Chlorid ist Bestandteil der Verdauungssäfte im Magen. Salz kommt in geringen Mengen in unseren unverarbeiteten Nahrungsmitteln vor, insbesondere natürlich in Fisch und Meeresfrüchten, aber auch in Innereien, Wurzelgemüse und Kräutern. Selbst in Nüssen und Obst ist von Haus aus Chlorid enthalten. ( Fußnote: s. http://www.rohkostwiki.de/wiki/Chlorid-Gehalt_von_Lebensmitteln ). Es ist wohl unbestritten, dass Salz eine Ursache von Bluthochdruck ist und damit das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Arteriosklerose und ähnlicher Leiden erhöht. Ein bisschen salzärmer zu kochen würde uns also sicherlich nicht schaden. Mein Kompromiss: Ohne Kochsalzzugabe für uns und die Kleine kochen, und wir Erwachsenen können dann beim Essen immer noch zum Salzstreuer greifen und etwas nachwürzen.
• Auf Milchprodukte wollte ich so weit wie möglich verzichten.Zugegeben, dieser Punkt wird sehr kontrovers diskutiert. Für die meisten Menschen (unter anderem auch für meine Mutter, die mich in fast jedem Gespräch zur Kinderernährung entsprechend ermahnt hat) ist Milch aus der Ernährung von Babys und Kleinkindern nicht wegzudenken. Schließlich – so wird argumentiert – ist in Milch Calcium enthalten, was unabdingbar für Knochen- und Gehirnwachstum ist. Ohne das regelmäßige Glas Milch seien Osteoporose und brüchige Zähne quasi vorprogrammiert. Aber es gibt auch die Kehrseite der Medaille: Wissenschaftliche Untersuchungen, die Kuhmilch eine Hauptursache an Krankheiten wie Asthma, Mittelohrentzündung, Akne, Diabetes Typ1, diverse entzündliche Darmerkrankungen, ja sogar Prostata- oder Brustkrebs zusprechen. ( Fußnote: s.http://de.sott.net/article/15856-Immer-mehr-wissenschaftliche-Studien-bestatigen-Milch-verursacht-vielfaltige-schwere-Krankheiten ). Ich bin weder Ärztin noch (Lebensmittel)Chemikerin, und möchte in Bezug auf Unterlassung des Milchkonsums in keinster Weise missionarisch tätig sein. Es soll schließlich jeder selbst für sich entscheiden, was für den eigenen Körper das Beste ist. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Seit ich keine Kuhmilchprodukte mehr zu mir nehme (und das tue ich schon gut drei Jahren nicht mehr, auch während meiner Schwangerschaft waren Milchprodukte tabu), fühle ich mich sowohl körperlich als auch geistig besser und fitter. Die regelmäßigen schweren Erkältungen, die Wochen angedauert haben: Vorbei. Hautunreinheiten? Wie weggeblasen. Blähungen? Nicht mehr als Dauerbegleiter, sondern nur noch nach ausgiebigem Konsum von Hülsenfrüchten. Migräneartige Kopfschmerzen? Kann mich kaum noch daran erinnern... Besonders calciumhaltig sind alle grünen Gemüse, insbesondere Grünkohl (212 mg Calcium in 100g, im Vergleich dazu hat 100 g Kuhmilch „nur“ 120 mg Calcium), Spinat und Brokkoli, aber auch Fenchel, Zwiebeln, Bohnen, Getreide, Bananen oder Nüsse. Wer sich also abwechslungsreich ernährt, sollte locker auf seinen Tagesbedarf von 1000 mg pro Tag für einen Erwachsenen, deutlich weniger für Babys und Kleinkinder kommen. ( Fußnote: Empfohlene Tagesmengen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung siehe https:// www.dge.de/ wissenschaft/referenzwerte/calcium/ ).
• Ich wollte gut greifbares Fingerfood anbieten, mit verschiedenen Haptiken, aber doch so weich dass alles ohne Zähne gegessen werden kann. Ganz zu Beginn ist sicherlich schon ein weichgekochtes Zucchini-Stick in der Größe einer Pommes genug Herausforderung für Ihr Kind. Später wächst es dann mit seinen Aufgaben: Wieviel Spaß es meiner kleinen Tochter zum Beispiel gemacht hat, im Alter von 10 Monaten einen zähen Calamaris-Ring zuerst mit den Zähnen festzuhalten und wie ein Gummiband langzuziehen, um ihn schließlich so zu zerbeißen, dass er ins Gesicht zurückschnalzt, sehen Sie schon auf dem Cover des Breifrei-Praxisbuchs.
• Und natürlich soll die Ernährung ausgewogen, mit allen Nährstoffen, Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen sein – am liebsten natürlich Bio. Ausgewogen bedeutet für mich: Abwechslung. Viele verschiedene Gemüse, viele verschiedene Obstsorten, unterschiedliche Getreide. Variieren Sie Kartoffeln, Süßkartoffeln, Reis, Hirse und vieles andere mehr. Ihr Kind wird nicht immer alle der angebotenen Lebensmittel essen wollen. Das bedeutet nicht automatisch, dass es das heute verweigerte Lebensmittel geschmacklich grundsätzlich nicht mag. Vielleicht braucht es heute andere Inhaltsstoffe einfach gerade mal mehr, andere dagegen weniger oder gar nicht. Mit einem reichhaltigen Angebot vielfältiger Lebensmittel kann Ihr Kind (und Sie übrigens auch!) den ein oder anderen Mineral- und Vitaminspeicher wieder auffüllen, der in den Tagen zuvor vielleicht zu kurz gekommen ist. Meine Kleine kann vor einem Wachstumsschub gefühlte Unmengen von Kohlehydraten (insbesondere Nudeln) in sich hineinschaufeln. Dann wieder gibt es Zeiten, an denen sie sich fast ausschließlich von Obst und Gemüse ernährt hat, oder bei dem Anblick von Eierpfannkuchen vor Freude ganz hibbelig geworden ist, während sie das an anderen Tagen völlig kalt gelassen hat. Ihr Kind weiß am besten, was es gerade braucht. Und bevor es verhungert, wird es sicherlich deutlich und lautstark protestieren!
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