Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und Universalkirche

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Viele Ergebnisse des Zweiten Vatikanums wurden bereits durch vorherige Entwicklungen in den Ortskirchen auf den Weg gebracht. Nach dem Konzil galt es, die Ergebnisse zurück in die Ortskirche zu rezipieren.
Wie lieferte die Kirche aus dem Osten Deutschlands ihren Beitrag am Konzil und wie rezipierte sie das Konzil in ihrer Diasporasituation? Welche Rolle spielte der politische Kontext in der wechselseitigen Rezeption? Wie und was erfolgte im Bereich der Liturgie und im Kirchenrecht?
Neben Darlegungen von konkreten Geschehnisse werden auch Grundsatzthemen diskutiert: Wie wird Rezeption in der Ortskirche überhaupt erforscht? Wie entwickelt sich der Glaubenssinn zwischen Orts- und Universalkirche? Was bedeutet es, wenn die Kirche selbst zum Dialog wird? Der Tagungsband enthält Beiträge u.a. von Bischof Joachim Wanke, Josef Pilvousek, Ormond Rush, Hermann Josef Pottmeyer, Gilles Routhier, Benedikt Kranemann, Rüdiger Althaus.

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ERFURTER THEOLOGISCHE SCHRIFTEN

im Auftrag

der Katholisch-Theologischen Fakultät der

Universität Erfurt

herausgegeben

von Josef Römelt und Josef Pilvousek

BAND46

Myriam Wijlens Hg Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und - фото 1

Myriam Wijlens (Hg.)

Die wechselseitige

Rezeption zwischen

Ortskirche und

Universalkirche

Das Zweite Vatikanum

und die Kirche

im Osten Deutschlands

Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und Universalkirche - изображение 2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar

1. Auflage 2014

© 2014 Echter Verlag, Würzburg

ISBN

978-3-429-03698-0 (Print)

978-3-429-04753-5 (PDF)

978-3-429-06167-8 (ePub)

www.echter-verlag.de

Inhalt

VORWORT

Myriam Wijlens

SEELSORGE MIT KONZILIAREM RÜCKENWIND PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN AUS DER DIASPORAPASTORAL MITTELDEUTSCHLANDS

Joachim Wanke

KIRCHE UND DIASPORA. DIE KATHOLISCHE KIRCHE IN DER DDR UND DAS ZWEITE VATIKANISCHE KONZIL

Josef Pilvousek

REZEPTIONSFORSCHUNG AUS LOKALER PERSPEKTIVE – METHODOLOGISCHE REFLEXIONEN

Gilles Routhier

ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT. KONZILSREZEPTION ZWISCHEN INNERKIRCHLICHEM AUFBRUCH UND STAATLICHEN REPRESSIONEN IN DER DDR

Sebastian Holzbrecher

WAS BEDEUTET REZEPTION DER LITURGIEKONSTITUTION? BEOBACHTUNGEN IN DER DIASPORA OST- UND MITTELDEUTSCHLANDS

Benedikt Kranemann

ZUR REZEPTION KIRCHENRECHTLICHER NORMEN – VORAUSSETZUNGEN UND UMSETZUNGEN

Rüdiger Althaus

AGGIORNAMENTO VOR ORT – CHRISTLICHES LEBEN UND DENKEN IN DER WELT VON HEUTE UND MORGEN

Michael Quisinsky

SENSUS FIDELIUM UND KATHOLIZITÄT ORTSKIRCHE UND UNIVERSALKIRCHE IM GESPRÄCH MIT GOTT

Ormond Rush

DIALOGSTRUKTUREN IN DER KIRCHE UND DIE COMMUNIO-THEOLOGIE DES ZWEITEN VATIKANUMS

Hermann J. Pottmeyer

AUTORENVERZEICHNIS

ANMERKUNGEN

Vorwort

Myriam Wijlens

„In quibus et ex quibus“ ist eine Kurzformel aus der dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium , mit der das Zweite Vatikanische Konzil zum Ausdruck gebracht hat, dass die eine und einzige katholische Kirche „in und aus den Ortskirchen“ besteht (LG 23). Wer das Zweite Vatikanische Konzil und all das, was das Konzil ausmacht, studiert, wird tatsächlich feststellen, dass diese Formel nicht nur eine lehramtliche Aussage ist, die das Verhältnis zwischen den Ortskirchen und der Universalkirche beschreibt, sondern gerade bezogen auf Vatikanum II auch zum Ausdruck bringt, was vor, während und nach dem Konzil geschah.

Vorkonziliare Entwicklungen in den Ortskirchen konnten auf dem Konzil – ein Ereignis der Universalkirche – zum Tragen kommen: die bereits in mehreren Ländern de facto existierenden Bischofskonferenzen, die in der „Logistik“ des Konzils bereits eine entscheidende Rolle spielen würden; die in mehreren Ortskirchen zuvor schon bestehenden Erfahrungen mit einer Reform der Liturgie – hier ist vor allem an Deutschland zu denken; die Impulse, die durch das Laienapostolat z.B. in Frankreich und Deutschland hervorgebracht wurden; ebenso die im Kontext des Zweiten Weltkrieges gemachte Erfahrung, dass alle Christen aufgrund ihrer Taufe primär in Christus verbunden sind und die bestehenden Trennungen deshalb überwunden werden müssen. All diese Erfahrungen, die auf der Ebene der Ortskirche gesammelt worden waren, konnten insbesondere deswegen zu entscheidenden Impulsen für die Entwicklungen im Konzil werden, weil sie mit einer theologischen Forschung vor allem hinsichtlich der Bibelwissenschaften und der Kirchenväter sowie mit einem Bewusstsein für die Geschichtlichkeit von Lehraussagen einhergingen. Nicht zu unterschätzen sind hier die Beiträge der großen klerikalen Orden – z.B. der Benediktiner, Jesuiten und Dominikaner –, die schon seit Jahrzehnten die Forschung ihrer Mitglieder förderten. Durch die Herausgabe von theologischen Fachzeitschriften, in denen die Ergebnisse nicht nur publiziert, sondern auch länder- und sprachübergreifend veröffentlicht wurden, ermöglichten die Orden einen Transfer und somit eine erste Rezeption der Forschungsresultate. Die Ergebnisse des Konzils können somit nicht ohne die Erfahrungen und theologischen Vorarbeiten in den Ortskirchen gewürdigt werden.

Es waren jedoch nicht nur die ortskirchlichen Vorläufe, sondern auch die während des Konzils getroffenen Entscheidungen, die einen vor allem auf persönlichen Kontaktmöglichkeiten basierenden Austausch der Konzilsväter begünstigten: die Sitzordnung der Bischöfe erfolgte z.B. nicht nach Sprachgruppen oder Nationalität, sondern nach Weihe-Anciennität. Es konnte also geschehen, dass ein Bischof aus Europa zwischen einem aus Afrika und einem aus Asien saß, und sich dadurch neue Lernmomente ergaben, die die rein kognitive Ebene überstiegen. Ein weiterer Baustein, der zur Vernetzung der Konzilsteilnehmer führte, waren die an den Nachmittagen von Theologen gehaltenen und von Bischöfen besuchten Vorträge. Hinzu kam, dass viele der Bischöfe aus Afrika, Asien und Südamerika gebürtige Europäer waren, die einfach Kontakte mit Mitbrüdern aus ihren Heimatländern knüpfen konnten. Ferner entstanden durch das bereits bestehende Netzwerk der Ordensinstitute Berührungspunkte. Bischöfe, die als Angehörige eines Ordensinstituts in den verschiedenen Teilen der Welt zu Vorstehern von Ortskirchen berufen waren, trafen sich untereinander, um Erfahrungen und Eindrücke zu tradieren. Diese vielfachen Austauschmöglichkeiten führten zu einer Wechselwirkung zwischen den Ortskirchen unter sich mit der Folge, dass es zu einer gesamtkirchlichen Rezeption dessen, was in den Ortskirchen vorbereitet worden war, kam. Dadurch erhielt das Konzil eine neue Gewichtung.

Nach dem Konzil galt es die Ergebnisse des Konzils in den jeweiligen Ortskirchen zu rezipieren. Dies musste unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Umstände und Gegebenheiten geschehen: so z.B. in der Liturgie, in Entscheidungsfindungsprozessen, in den Bistümern und Pfarreien, in der Ökumene, im Umgang mit der Gesellschaft.

Fünfzig Jahre nach dem Konzil stellt sich nun die Frage, wie diese wechselseitige Rezeption im Osten Deutschlands gerade wegen des besonderen politischen Kontextes verlaufen ist: Durch wen und wie wurde sie vermittelt? Wurde sie überhaupt und wird sie gegenwärtig noch gefördert? Welche Faktoren führten dazu, dass bestimmte Aspekte nicht oder noch nicht rezipiert werden konnten? Wie sah die Teilnahme der Kirche Mitteldeutschlands am Konzil aus und wie beeinflusst das Konzil die Kirche in dieser Region bis heute? Wer das feststellen will, muss sich über die Methode Gedanken machen, dieser Fragestellung nachzugehen, und muss dafür Kriterien festlegen. Ist die deskriptive Analyse mehr oder weniger abgeschlossen, gilt es in die systematisch-theologische Phase einzutreten, indem nun Konzepte wie Glaubenssinn ( sensus fidelium ) und Dialog in der Wechselwirkung zwischen Orts- und Universalkirche reflektiert werden.

Diese Fragen wurden auf einer Tagung, welche an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt am 7. und 8.

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