Leider musste ich passen, dieser Gottkönig war mir völlig unbekannt. »Nein, nicht wirklich. Vielleicht habe ich diesen Namen schon mal gehört, aber wenn du ein Pharao warst, dann bestimmt keiner von den berühmten. Jeder kennt Thutmosis, Amenophis III., Tutanchamun, Echnaton, oder Ramses den Großen, aber Haremhab? Hm, lass mich mal überlegen. Ach ja, natürlich! Jeder Mann kann dir einen Satz mit deinem Namen bilden!«, machte ich ihm ein wenig Mut, weil ich sah, wie seine welken Gesichtszüge einen traurigen Ausdruck annahmen.
»Wirklich?«, fragte der Pharao mit Stolz geschwellter Brust.
»Wenn ich es dir doch sage? Warte mal... Ja, genau: Ich gehe nie wieder in den Puff, weil ich jetzt einen eigenen Harem hab!«, schlug ich mir lachend auf die Schenkel. »Harry? Du bist Harry vom Nil? Oh, kennst du diesen Abzählreim? Harry Piel sitzt am Nil, wäscht sein´ Stiel mit Persil. Nebendran sitzt Mia Mai und schüttelt ihm das linke Ei; und du bist frei.«
»Nein!«, entrüstete sich die Mumie. »Mein Name ist nicht Harry, sondern Haremhab!«
»Okay, ich habe es jetzt gepeilt, aber würdest du mir einen Gefallen tun und keinen Ärger mehr machen, sondern dich wieder hübsch in deinen Glaskasten legen und still sein?«
»Nein, ich nicht daran denken!«, entgegnete Mister Dörrfleisch trotzig. »Ich schon viel zu lange herumliegen und warten! Mir wurde versprochen Bier, Brot, viele Diener und ewiges Leben. Stattdessen nur alles todlangweilig, mit schlimmen Hunger und ebensolchen Durst. So ich habe mir ewiges Leben nicht vorgestellt!«, beschwerte er sich bitterlich. »Du! Du mir zeigen jetzt sofort, wo ich bekomme viel Wasser!«, zeigte er mit seinem schrumpligen Finger auf mich.
Leicht irritiert sah ich zu meinem Schöpfer herüber. »Weißt du, wo der Kerl etwas zu trinken herbekommt? Oder muss ich ihm jetzt den Finger brechen?«
Auch Malfurion wirkte erstaunt. »Auf den ersten Schlag fällt mir nur die Besuchertoilette ein. Na gut, ich bringe ihn hin. Wollen Eure königliche Hoheit mir bitte folgen? Hier entlang«, deutete Malfurion in Richtung der stillen Örtlichkeit.
Mich mit einem verachtenswerten Blick strafend, marschierte das Hutzelmännchen erhobenen Hauptes an uns vorbei und folgte meinem Schöpfer. Ich hörte noch, wie er fragte: »Was für eine Gottheit bist du?«, und ihn dabei kritisch musterte.
Malfurion nahm es gelassen. Er wusste, dass die alten Ägypter über zweitausend verschiedene Götter besaßen. All die verstorbenen Gottkönige nicht einmal mit einberechnet.
»Oh, ich bin Malfurion, der Gott, der dafür sorgt, dass die kleinen Kinder nachts im Bett bleiben«, schmunzelte er.
… Kein Wunder, wenn die Kinder nachts im Bett blieben! Wenn ich so eine Visage erblicken würde, zöge ich mir die Bettdecke über den Kopf und würde nie wieder das Bett verlassen!...
»Hm, bei den beiden Kleinen dort hat es wohl nicht gefruchtet!«, stellte die Mumie fest. »Der kleine Gott mit dem goldenen Haar und der Rote mit den Hörnern, sieh nur, sie laufen immer noch hier herum. Weißt du was? Ich ernenne dich zu meinem Fächerträger!«
Während mein Schöpfer tief geehrt mit der Mumie der heißbegehrten Wasserquelle entgegenstrebte, sah ich die beiden Übeltäter genervt an. »Ich wusste genau, wenn ich mal wieder in ein Museum gehe, kommt dabei nicht Gescheites heraus. Was machen wir jetzt mit dem Verdorrten? Der kann wohl kaum hier bleiben? Was meint ihr, was passiert, wenn er dem Nachtwächter über den Weg läuft, oder am frühen Morgen die ersten Besucher erschreckt?«
Agnir und Ructus guckten sich an, nickten und sprachen unisono: »Können wir ihn nicht behalten?«
»Wenn ich diesen Satz heute Nacht, noch einmal von einem von euch beiden höre, hagelt es eine Tracht Prügel! Behalten? Er war mal ein Mensch und ist kein Hund, oder eine Katze, die man bei sich aufnimmt. Gut, er kommt mit uns, hierlassen können wir Harry nicht«, überlegte ich.
Sehr zu meinem Erstaunen kam Malfurion mit dem Stockfisch zurück: »Der König meint, es wäre zu wenig Wasser. Kommt, lasst uns gehen. Gleich in der Nähe ist der Botanische Garten, dort gibt es genug Wasser«, schlug er vor.
»Warum werfen wir ihn nicht gleich in den Arno?! Dann sind wir ihn endlich los. Und sag mir bitte, dass darin Piranhas herumschwimmen«, grollte ich genervt.
»Du sollst nicht immer so vorlaut sein! Bringe der Person, für die wir schließlich die Verantwortung tragen, ein wenig Respekt entgegen!«, maßregelte er mich wieder.
… Bei Odin! Wie ich das hasste! Wenn er das tat, fühlte ich mich wie ein kleiner Junge. Fehlte nur, dass er mich am Ohrläppchen zog und mir mit dem Lineal eins auf die Finger schlug...
»Hä? Wieso heißt es plötzlich ›wir‹? Ach, von mir aus!«, warf ich genervt die Hände in die Luft. »Aber nur ein wenig Respekt, und keinen Befehlston, Harry! Schließlich bist du schon lange kein König mehr!«, begehrte ich auf.
Malfurion wandte sich an ihn und nickte in meine Richtung: »Nimm´s ihm nicht übel. Er hatte früher auch schon immer diese Autoritätsprobleme.«
… Na, zum Glück war Malfurion nicht mein leiblicher Vater, ansonsten hätte er jetzt noch einen Schwank darüber zugute gegeben, wie und wann ich stubenrein wurde...
Ich ignorierte die Tratscherei geflissentlich und knirschte stattdessen mit den Zähnen. Zudem fragte ich mich, wieso die beiden Kleinen, Tote zum Leben erwecken konnten. Weder Agnir, noch Ructus waren in der Nekromantie bewandert. Und noch nie zuvor habe ich davon gehört, man könne mit Dhampirblut und ein wenig Blabla, einen Toten auferstehen lassen. Dies musste einen bestimmten Grund haben. Ich beschloss dem Ex-Pharao auf den Zahn zu fühlen.
Bevor wir das Feld räumten, sah sich die Mumie noch einmal um. Genervt fragte ich: »Was ist? Hast du etwas vergessen?«
Harry schüttelte den Kopf. »Ich wünsche eine Nachricht zu hinterlassen. Ich will kundtun, was von diesem Schuppen ich halte! Als wäre das nicht schon schlimm genug, wenn einem wird das eigene Hirn durch die Nase gezogen! Dann kamen auch noch Diebe, die mich beraubten, mir wegnahmen meine Skarabäen und das goldene Pektoral. Aber dieses ständige Glotzen und Klopfen an diesem gläsernen Sarkophag! Grausig!«
»Na, dann tu dir mal keinen Zwang an. Hier, leider habe ich weder Hammer noch Meißel dabei«, grinste ich und gab ihm ein Blatt von dem Stapel Papier, welches normalerweise zur Information in mehreren Sprachen zu den Ausstellungsstücken auslag. Interessierte Besucher konnten diese Info-Blätter mitnehmen.
»Ah, schönes, glattes Papyrus«, bemerkte Harry. »Ich nichts haben zum Schreiben, außerdem ich nicht beherrschen eure Sprache in Schrift. Nur vom vielen Zuhören, ich einigermaßen gelernt, wie ich kann verständlich reden. Du für mich Nachricht schreiben!«, forderte der Gepökelte.
»Nee, nicht in diesem Ton! Sehe ich vielleicht aus, als wäre ich dein beschissener Sekretär?«, schnauzte ich zurück. Mir war es völlig egal, ob er unsere Sprache schreiben konnte oder nicht.
Freundlicherweise schaltete sich Malfurion dazwischen und reichte Harry einen Kugelschreiber. Dieser mühte sich eine Weile ab, bis er kapierte, dass man hinten drauf drücken musste.
»Ah, sehr interessanter Stift! Wo seien die Tinte? Innen?«, meinte er und kritzelte einige lustige Hieroglyphen auf das Papier. Eine, die zeigte, wie der König auferstand, dahinter war offensichtlich seine Namenskartusche, oder er zeichnete ein Überraschungsei; eine andere Hieroglyphe stellte ihn dar, wie er aus dem Glaskasten stieg, die nächste war eine Hand mit... einem ausgestreckten Mittelfinger, und zuletzt zeigte es den König, wie er durch einen Bogen spazierte, seitwärts natürlich, so wie alle Ägypter dargestellt wurden. Der Bogen sollte wahrscheinlich die Ausgangstür symbolisieren. Dieser Schreibstil gefiel mir außerordentlich gut, der hat etwas Comic-mäßiges.
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