„Nein, das ist ein Überfall!“
„Ach nein, wie witzig.“
Der Clown entsicherte eine überdimensionale Knarre.
„Müssen Sie beim Anblick meiner Kanone immer noch lachen? Wenn ja, hab ich bestimmt ein Mittel dagegen!“
„Oh! Schon in Ordnung!“
Der Clown richtete sich nun an alle Anwesenden.
„Meine Damen und Herren, das ist ein Überfall.“
Aus der Rose in seinem Knopfloch spritzte ein Wasserstrahl.
„Wie niedlich, die Rose im Knopfloch spritzt ja Wasser!“
„Warum passiert mir das immer in dem Moment?“ jammerte der Clown.
Die Leute lachten.
„Ist das auch ne Wasserpistole?“ fragte jemand.
„Warum nehmen mich die Leute bloß nicht ernst?“ rief er verzweifelt.
Dann schoss er in die Luft.
Die Leute wurden still.
Eine Angestellte kreischte auf und drückte den Alarm.
„Vielen Dank.“
„Das ist mein Wagen“, rief Müller und zückte seinen Dienstausweis. Das schien den Fahrer des Abschleppwagens nicht sehr zu beeindrucken. Müller überlegte, ob er seine Kanone präsentieren sollte, wie Börk das so oft tat, doch dann begann irgendwo ein Alarm zu lärmen. Müller hielt inne und sah sich um.
Der Clown richtete seine Waffe auf die Anwesenden. Die Show konnte beginnen.
„Liebes Publikum, ich freue mich, dass Sie alle mit dabei sind, hier beim großen Banküberfall!“
Er deutete mit seiner Kanone in eine Richtung.
„ Und nun alle da rüber an die Wand!“
„ Hören Sie nicht auf das, was dieser Clown Ihnen sagt!“ unterbrach ihn eine Stimme.
Der Clown fuhr herum. Es war Börk.
„Na, wen haben wir denn da?“
„Meine Güte“, murmelte Börk, „nicht nur doof, schlechtes Gedächtnis auch noch!“
„Hatte ich nicht gesagt, dass wir uns wieder sehen würden?“
„Nein, du hast gesagt, dass ich das bedauern würde. Und das tu ich.“
Börk griff in sein Jackett.
„Hey, Bulle, Vorsicht! Lass deine Hände schön aus deiner Jacke draußen!“
„Keine Panik, Clownsgesicht.“
Börk nahm ein Päckchen Zigaretten heraus und steckte sich eine an.
„Oder hast du Angst vorm Passivrauchen?“
Rauchend ging er langsam auf den Clown zu.
„So, Clownie, kommen wir zum geschäftlichen Teil. Was bringt dich auf den Gedanken, dass du hier lebend wieder raus kommst?“
„Ich habe Geiseln.“
„Ja.“
Börk nickte. Dann blies er langsam den Rauch aus.
„Nur besteht die Hälfte deiner Geiseln aus einem Spezial-Einsatzkommando der Polizei. Oder, um genau zu sein, die ganze Bank wimmelt von Scharfschützen, die nur darauf warten, dir die Schminke vom Gesicht zu ballern.“
„Aber...“
Eine Angestellte wollte den Kopf schütteln und diesen Irrtum richtig stellen, doch Börk winkte ab.
„Meinst du, dann wäre es unklug, damit anzufangen, Zeugen zu erschießen?!“ fragte der Clown und richtete seine Waffe auf die Zeugen.
„Hängt davon ab.“
„Wovon?“
„Wie gut du Blei verträgst. Siehst du, ich mag keine Pantomimen…“
„Ich bin Clown!“
„…ja, was auch immer, aber es ist folgendermaßen: Sobald auch nur eine Kugel deine Knarre verlässt, schlagen 50 in deinen Körper.“
Der Clown dachte darüber nach.
„Lass mich raten: Die kugelsichere Weste passte nicht zum Clownsoutfit?“
„Ich wollte sie drunter anziehen, aber es ist enger geworden.“
Börk nickte.
„Wollen wir dann?“
Der Clown nickte.
„Na meinetwegen. Kann ich meine Kanone behalten?“
„Nur, bis wir draußen sind!“
In die Stille drang nun das Geräusch von sich nähernden Sirenen.
„Hey“, der Clown blieb stehen, „was ist das?“
„Das ist die Verstärkung. Du bist immerhin ein Promi unter den kriminellen Clowns, da brauchen wir schon ne Menge Unterstützung.“
„Wow!“
Der Clown war von seiner eigenen Berühmtheit beeindruckt.
Sie kamen zur Tür.
Börk wandte sich an die „Beamten“ in der Bank: „Okay, Jungs, sagt unseren Leuten draußen, dass wir jetzt rauskommen.“
Langsam traten die beiden vor die Tür. Der Clown mit der Waffe in der Hand ging vor, Börk hielt sich hinter ihm.
Wie ein Prominenter, der das Scheinwerferlicht sucht, blickte der Clown um sich. Doch statt Kameras, Blitzlichtern und Scharfschützen war dort… nichts! Kein SWAT-Team, kein Einsatzkommando, keine Polizei. Nur ein paar Fußgänger. Und Müller, der auf der anderen Straßenseite stand und nun erschrocken zu Börk herüber sah.
„Hey“, der Clown war sauer, „da ist ja niemand. Wo sind die Scharfschützen von denen du gesprochen hast? Das Einsatzkommando? Die Spezialeinheit? Du hast mich verscheißert!“
„Japp!“
Die Polizeiwagen kamen um die Ecke gerast.
Börk machte einen Schritt nach hinten und schloss die Tür von innen. Er hielt sie zu, damit der Clown nicht mehr in die Bank zurück konnte.
„Ich schätze, den Rest schaffst du auch ohne meine Hilfe!“ rief er.
Die Wagen hielten mit quietschenden Reifen.
Polizisten sprangen heraus.
Sie sahen den Clown mit der Waffe.
„Hey“, rief der panisch, „du kannst mich hier draußen doch nicht alleine lassen. Hey, lass mich rein, lass mich wieder in die Bank!“
Der Clown rüttelte an der Tür.
„ Lass mich wieder rein, verdammt!“
Die Polizisten gingen hinter ihren Fahrzeugen in Deckung und richteten ihre Waffen auf den Clown.
Börk hielt weiterhin die Tür zu.
„Na, gefällt dir das, du Clown?“
Das schien nicht der Fall zu sein. Der Clown drehte sich nun langsam um, den Rücken zur Tür, und musterte die Streitmacht, die ihm gegenüberstand.
„Wir haben Sie im Visier!“ sagte eine Stimme aus einem Megaphon. „Lassen Sie sofort die Waffe fallen!“
„Was... was soll ich denn jetzt nur tun?“
„Sag ihnen, dass du sie alle umbringen wirst“, riet Börk durch die geschlossene Tür. „Und schieß auf einen der Wagen, dann werden sie sofort aufgeben.“
„Meinst du wirklich?“
„Na klar!“ Börk deutete den Leuten in der Bank an, sich besser hinzulegen. „Und erwähn vielleicht noch, dass drei von den Bullen, die du bei deiner Flucht angeschossen hast, umgekommen sind. Das wird sie besonders beeindrucken!“
„Ich wiederhole, lassen Sie sofort die Waffe fallen!“
„ Verschwindet hier!“ Der Clown begann, mit seiner Waffe herumzufuchteln. „ Ich habe bereits Polizisten getötet, ich habe keine Skrupel es wieder zu tun.“ Er sah über die Schulter. „War das gut so?“
„Perfekt“, sagte Börk, „und jetzt den Warnschuss!“
Der Clown richtete seine Waffe auf die Polizisten.
„Okay, ihr miesen Bullen, ihr habt es so gewollt!“
Man hörte einen Schuss.
Börk sprang in Deckung.
Man hörte eine Menge Schüsse.
Die Tür ging auf.
Der durchsiebte Körper des Clowns kam herein.
Er fiel auf den Boden.
Und blieb dort regungslos liegen.
Es schwirrten noch ein paar Kugeln herum, dann herrschte Ruhe.
Börk erhob sich langsam, klopfte sich den Dreck von der Kleidung und trat an die Leiche heran.
„Oh Mann, Clownie, dich hat die Sache wohl ganz schön mitgenommen, was?“
Börk nahm eine Zigarette aus der Packung.
In der Tür erschienen Polizisten, ihre Waffen auf den Clown gerichtet.
„Börk, Kripo.“ Börk hielt seinen Ausweis hoch.
„Sind Sie für diese Sache hier verantwortlich?“
„Nein, das war er.“
Börk deutete auf den Clown.
„Er hat die goldene Clownregel verletzt.“
„Welche? Bring niemals dein Publikum um?“
„Nein, die andere: Arbeite niemals, wirklich niemals mit einem Souffleur!“
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