Das Einsatzkommando begann, die Bank zu sichern. Müller kam mit ihnen herein.
„Börk, alles in Ordnung mit dir?“ fragte er.
„Ja, aber ich schätze ihn hier hat’s erwischt.“
„War das nicht der Plan?“
„Nicht seiner!“
Genussvoll atmete er den Rauch seiner Zigarette aus.
„Sie dürfen hier nicht rauchen!“
„Aber dass er den Teppich voll blutet ist für Sie kein Problem?“
Börk seufzte und trat über die Leiche hinweg hinaus in den sonnigen Morgen.
Der Einsatzleiter klopfte ihm im Vorbeigehen auf die Schulter.
„Gute Arbeit, Börk.“
„Danke.“
Müller sah ihn fragend an.
„Und, was hast du jetzt vor?“
„Ich weiß nicht.“ Er schnippte seine Zigarette weg und schlenderte von dannen. „Ich hab diesen ganzen Zirkus satt!“
Es war ein kalter Abend im Dezember
Als jemand lag auf nem Geländer
Der Schnee fiel leis vom Himmel nieder
Bedeckte steifgefrorne Glieder
Von jener traurigen Gestalt
Die auf der Trepp lag, tot und kalt.
Durch eis‘ge Luft kommt Börk herbei
Und schaut sich an die Sauerei.
Ein Mann ist tot und liegt im Schnee
Der Mord tat sicher ziemlich weh:
In seiner Brust klafft nun ein Loch
Ein tiefer Einstich der wohl noch
Den Umriss eines Sternes trägt
– Und seine Händ‘ sind abgesägt...
„Und sowas kurz vor Weihnachten“, murmelte Börk. „Mann Mann Mann!“ Er sah Dr. Schnippler an. „Was können Sie mir sagen, Doktor?“
„Sieht so aus, als hätte man ihn mit einem Zimtsternstecher ermordet.“
„Mit einem Zimtstern... was?“
Börk sah Schnippler verwirrt an, der die Leiche interessiert ansah.
„Mit so einem dieser Teile, mit denen man Zimtsterne aussticht. Für Kekse. Zum Backen. Weihnachtsgebäck.“
„Ah, ja, verstehe.“
Börk nickte.
„Irgendjemand hat ihm so ein Teil durchs Herz gejagt.“
„Woher wissen Sie das so genau?“
Schnippler deutete auf das Opfer.
„Das Teil steckt noch.“
„Hmmm... Das erinnert mich an was!“
„An einen anderen Fall? Einen wahnsinnigen Mörder, der auf ähnliche Weise zugeschlagen hat?“
„Nein...“ Börk, der nur seinen üblichen schwarzen Anzug trug, begann zu bibbern, „daran, dass ich mir was Wärmeres hätte anziehen sollen! Mann, das ist echt verdammt kalt heute!“
Ein Mann ist tot, der Schnee fällt leis
Und alles, was die Kripo weiß:
Ein Zimtsternstecher – ohne Scherz! –
Steckt in des Toten toten Herz...
„Wird ne Zeit dauern, das wieder rauszukriegen“, meinte Schnippler. „Anschließend hat man ihm die Hände abgehackt, um die Identifizierung zu erschweren.“
„Ja. Wirklich clever“, murmelte Börk, der die Jacke des Toten untersuchte. „Aaaaaaber... nicht clever genug... uaaaaahhhh...“ Er zog dem Toten die Brieftasche aus der Hosentasche. „Da haben wir sie ja...“ Er öffnete die Brieftasche und sah Schnippler an. „Was halten Sie davon?“
Schnippler schüttelte den Kopf.
„Unprofessionell! Manchen Leuten sollte es einfach verboten sein, Menschen umzubringen.“
„Es IST verboten. Eigentlich allen Leuten.“
„Richtig, das vergesse ich immer. Aber, mal ehrlich, das ist doch keine gute Arbeit. Das ist doch nichts, auf das man als ein Mörder stolz sein kann. Ich meine, warum hack ich jemandem mühsam die Hände ab, wenn ich seine Brieftasche mit seinen Papieren dann da lasse?“
„Sie wären also dafür, dass sich die Leute mehr Mühe geben, wenn sie andere Menschen umbringen?“
„Welchen Sinn hat es denn sonst, jemanden umzubringen? Da kann ich dann doch auch gleich meine Visitenkarte da lassen oder mich bei der Tat fotografieren. Wer ist es denn?“
„Gute Frage.“ Börk warf einen Blick in die Brieftasche. „Horst Klavitter.“
„Horst Klavitter? DER Horst Klavitter?“
Börk nickte unbeeindruckt. „Das nehme ich an.“ Er dachte kurz nach. „Wer is n DER Horst Klavitter?“
Der Pathologe wurde ganz aufgeregt.
„Der Erfinder des Schokoladen-Maronen-Müsli-Plätzchenbackens ohne Backformen.“
„Hmmm, na wenn das mal keine Spur ist!“ Börk hielt Schnippler seine Kekstüte hin. Dabei betrachtete er den Toten. „Wollen Sie n Keks?“
„Nein, danke.“
Börk betrachtete den Toten. Irgendetwas schien ihn an der Leiche zu stören.
„Warum ist der Typ überhaupt so weiß? Es hat doch erst vor ner halben Stunde angefangen zu schneien!“
„Das ist Puderzucker!“
„Wie süß!“ murmelte Börk.
Müller war derweil mit anderen Dingen beschäftigt. Er verfolgte eine Frau. Sie ging die Straße hinunter. Müller blieb an ihr dran.
Die Frau blieb stehen.
Müller drückte sich in einen Hauseingang.
Wartete.
Und holte sein Handy heraus.
Börk befand sich mit Dr. Schnippler in der Gerichtsmedizin, als sein Handy klingelte.
„Ja?“
„Ich hab sie gefunden!“ flüsterte Müller ins Handy.
„Sehr gut!“ kam es zurück.
Müller spähte vorsichtig um die Ecke.
Die Frau sah sich ein Schaufenster an.
Müller beobachtete sie vorsichtig.
„Ich bin jetzt ganz dicht an ihr dran!“
„Hat sie dich gesehen?“
„Nein, ich war ganz vorsichtig!“
„Versau es jetzt nicht!“ meinte Börk. „Wenn sie dich sieht, war alles umsonst!“
„Das musst du mir nicht extra erzählen. Ich bin viel länger an dieser Sache dran, schon vergessen?“
Die Frau ging weiter.
„Sie geht weiter!“
„Lass dich bloß nicht von ihr abhängen!“
Müller folgte ihr wieder.
Die Frau überquerte eine Straße.
Müller wollte ihr folgen, aber der Verkehr machte ihm zu schaffen.
Nach einer Weile hatte er es geschafft und befand sich wieder auf der gleichen Straßenseite wie sie.
„Okay, sieht geht jetzt auf ein Café zu.“
„Das könnte deine Möglichkeit sein!“
„Was, wenn sie nicht reingeht?“
Sie blieb unschlüssig vor dem Café stehen.
„Ruhe bewahren!“ sagte Börk.
Die Frau sah sich um.
Müller versteckte sich.
„Scheiße!“
„Hat sie dich gesehen?“
Die Frau schien sich nicht ganz sicher zu sein. Hatte sie da jemanden gesehen? War da irgendwas? Sie blickte über die Straße, doch sie konnte nichts ausmachen.
„ Hat sie dich gesehen?“ wiederholte Börk.
Die Frau blickte noch einmal in Müllers Richtung, dann ging sie auf das Café zu.
Müller lugte vorsichtig um die Ecke. Sie sah nicht in seine Richtung, sondern ging jetzt ins Café.
Müller seufzte.
„Nein, sie hat mich nicht gesehen.“
„Ein Glück!“
Müller beobachtete weiter.
„Sie geht jetzt ins Café.“
Dort nahm sie an einem Tisch Platz, sah in die Karte und bestellte sich einen Kaffee.
„Hat sie was bestellt?“ fragte Börk.
„Ja, sieht ganz so aus.“
„Dann los!“
Müller war unsicher.
„Ich weiß nicht...“
„Das ist DIE Gelegenheit!“
„Vielleicht sollte ich noch warten...“
„ Du gehst da jetzt rein, verdammtnochmal!“
Müller seufzte.
„Okay.“
Er ging langsam auf den Laden zu. Unbemerkt von ihr betrat er das Café.
„Ich bin jetzt drin.“
„Vorsichtig weiter.“
Müller ging durch das Café. Sie saß an einem Tisch mit dem Rücken zu ihm. Er sah sich um.
„Okay, sieht gut aus. Der Laden scheint okay zu sein.“
Vorsichtig näherte er sich ihr von hinten. Ein Kellner kam auf ihn zu. Mit der freien Hand zeigte er ihm seine Polizeimarke und deutete ihm an, still zu sein.
Die Frau drehte ein wenig den Kopf. Nur ein paar Zentimeter mehr und sie würde ihn bemerken. Müller blieb stehen. Seine Hand tastete nach etwas unter seiner Jacke, da, wo man die Waffe trägt.
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