Geleitete Komposition |
Die Tänzer entscheiden in der Improvisation, wie sie sich bewegen, und reagieren dabei auf Anweisungen von außen. |
Visualisierung |
Bewegungen entstehen über ein inneres Bild. |
Identifikation |
Bewegungen entstehen durch die Einarbeitung in eine vorher umrissene Charakterisierung einer Figur. |
Emotion |
Bewegungen entstehen über das Herstellen vorher definierter emotionaler Stimmungen. |
Unabhängig davon, ob Sie für einen Showtanz ein Repertoire zusammenstellen oder aus Ihren innersten Regungen heraus schöpferisch authentisches Material entwickeln - für jede Bewegung, jede Szene und jedes Stück gibt es eine Intension und mit ihr eine übergeordnete, stilistische Form.
Sehen Sie sich die Proben oder Tanzstücke im Theater an und beurteilen Sie aus freiem subjektivem Empfinden heraus:
1 Sehen Sie eine Intension, eine Notwendigkeit im Aufeinanderfolgen der Bewegungen? Die Intension muss aber nicht unbedingt verbal benennbar sein.
2 Ergänzen sich bei Gruppentänzen die Intensionen der Tänzer bzw. stehen diese, weil es die Dramaturgie erfordert, zueinander im Kontrast?
3 Gibt es eine Gesamtintension und eine daraus übergeordnete, stilistische Form?
4 Ist eine szenische Intension erkennbar?
5 Wie kommt die Bewegungsintension zum Ausdruck?
6 Was genau transportiert Intensionen?
7 Was wirkt austauschbar?
Da die getanzte Intension oft nicht in Worten fassbar ist, ist es wichtig, immer wieder mit den Tänzern in den Dialog zu treten. Begreifbar zu machen, WAS ES IST. Was wollen wir damit? Was passiert überhaupt? Wer hier keine Antworten spürt oder keinen Grund, warum er überhaupt losgeht, der wird auch nirgendwo landen.
Die Kraft des Antriebs, ein Stück zu inszenieren, geht nicht selten in der wachsenden Komplexität der Probenarbeit verloren. Wachstum endet dort, wo sich die Wurzeln verlieren. Machen Sie sich also immer wieder die Intension klar - dann gibt es etwas, das Sie mit dem Stück wollen, wonach die Tänzer suchen können und woran - insofern die Ansätze greifen - alle an der Produktion Beteiligten glauben werden.
Nehmen Sie Aufträge für die choreographische Umsetzung von gegebenen Themen an, werden Sie sich so lange mit dem Thema beschäftigen müssen, bis Sie persönliche Intensionen in dem Stoff entdecken - etwas, das Sie als Ihre persönliche Chance begreifen. Sie müssen die Schnittmenge Ihres Selbst und der des Materials entdecken, bevor eine Notwendigkeit entsteht, die Sie mit der Aufgabe hinaus auf die Bühne vor die Augen der Zuschauer treibt. Nehmen Sie Choreographieaufträge für Tanzeinlagen in Schauspielproduktionen an, kann es mitunter zu einem schwierigen Unterfangen werden, die Visionen des Regisseurs zu treffen und gleichzeitig eine Identifikation mit der Materie zu erlangen.
Um die Verbindung zwischen Form und Intension zu überprüfen, experimentieren Sie mit den folgenden Extremen:
2 Thema – Struktur – Dramaturgie
Die Energie eines Stückes ist vor dessen Entstehung schon da. Diese Energie sucht sich eine Form, in der sie sich entwickeln kann. Diese Form wird gebildet aus den in der oberen Abbildung vorhandenen Elementen, über denen ein Thema oder eine Idee schwebt.
Das Thema kann wirklich alles sein: die reine Bewegung an sich, die Besetzung zentralafrikanischer Staaten, einfach Tanz zu Musik, das Ausprobieren, alles kann ihr Thema sein. Aber Sie müssen es haben, sonst können Sie es nicht vertiefen. Die Tänzer, das Licht, alle Faktoren, die gestalterisch in Ihre Aufführung einfließen, alles, was außerhalb des Choreographen stattfindet, das alles wird es nur geben, wenn vorher im Innersten eine Notwendigkeit und eine damit verbundene Intension entstanden ist.
Einerseits können Sie aus jedem Thema eine gute Arbeit machen, weil es wichtiger ist, was Sie aus dem Stoff machen, als was in ihm steckt. Andererseits, wenn der Stoff zu wenig Gehalt aufweist, wird er ungleich mehr Blut, Schweiß und Tränen kosten, um ein gutes Stück daraus zu machen. Manchmal entpuppt sich ein zuerst großes, vielversprechendes Thema während der Arbeit als Seifenblase, oder eine Lappalie, aus der man unter keinen Umständen ein ganzes Stück machen wollte, entwickelt sich dann jedoch zu einer großartigen Idee, die einen über einen langen Zeitraum begleitet. Läuft Ihnen ein Thema über den Weg, und Sie legen sich sofort fest, daraus ein Stück zu machen, kann es passieren, dass Sie sich dadurch bereits zu sehr fixieren. Geben Sie dem Stoff Zeit, sich zu entwickeln. Vergessen Sie ihn mit ruhigem Gewissen wieder. Wenn der Stoff etwas mit Ihnen zu tun hat, wird er Sie verfolgen, und der Stoff kommt wieder.
Eine als wertvoll erscheinende Idee, die ein Treffen des Zeitgeists erahnen lässt, in Ihnen aber keine Bilder zum Leben erweckt, die nach tänzerischen Übersetzungen verlangen, sollte auf das Potenzial für eine choreographische Lösung hinterfragt werden, bevor dem Stoff ein bloßes „Vertanzen" aufgezwungen wird, das ihn ärmer und oberflächlicher erscheinen lässt anstatt tiefer und mehrdimensionaler.
Wenn Sie über Themen nachdenken, nehmen Sie jene, die bildhaft sind und eine Notwendigkeit zur tänzerischen Auflösung in Ihnen auslösen. Beobachten Sie, wie Sie in Bildern und Gedanken auf die Themen reagieren. Wenn Sie sich von einer Geschichte angezogen fühlen, denken Sie über die mythologischen Aspekte dieser Geschichte nach - oder ob die Geschichte eine archaische Komponente hat, die eine tiefe, nonverbale Thematik in Ihnen anspricht. Damit will ich sagen: Es sollte etwas darin geben, das Sie nur mit Tanz ausdrücken können. Vermeiden Sie das bloße tänzerische Illustrieren einer Geschichte oder einer Handlung.
Der Vorteil einer theatralisch erzählten Geschichte ist, dass sich der Zuschauer mit den Figuren identifiziert, durch die Handlung der Geschichte in einen aufsaugenden, den Zuschauer hineinziehenden Sog gerät, und sich die Grenzen zwischen Wirklichkeit und fiktiver Geschichte im erzählerischen Moment verlieren. Dieser Sog baut sich aus „Plot Points" auf, welche die Figuren, die wir verstehen und lieben lernen, in Situationen bringen, in denen sie über sich selbst hinauswachsen müssen. Dadurch lösen die Figuren innerhalb ihrer Reise durch die Handlung oft einen tiefen unbewussten, eigenen Konflikt, durchlaufen eine Metamorphose mit vielen Rückschlägen und Prüfungen und sind am Ende eine Persönlichkeit, die sich von der am Beginn der Geschichte gelöst oder erweitert hat.
Die Identifikation mit den Figuren über eine erzählende Handlung lässt sich im Tanz nur sehr schwer realisieren, da das erzählerische Moment stark an verbale Ausdrucksformen geknüpft ist. Es entspricht nicht dem Wesen des Tanzes, als Sprachrohr für eine Erzählung zu dienen, bei der es um Identifikation und eine Dramaturgie entlang einer Plot-Point-Linie geht. Vielmehr vermag der Tanz die Geschichte in eine höhere Ebene zu transformieren, eine Ebene, die seelischen Dingen näher ist als rationell-gedanklichen. Untersuchen Sie Ihre Themen nach solchen Ansätzen. Wenn Sie dabei allerdings zu dem Schluss kommen, dass Sie einfach nur eine Geschichte erzählen wollen, dann sollten Sie sich fragen, ob es nicht besser oder effizienter ist, mit Schauspielern zu arbeiten.
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