Titelseite Gotthold Ephraim Lessing Nathan der Weise
Personen: Personen: Sultan Saladin Sittah , dessen Schwester Nathan , ein reicher Jude in Jerusalem Recha , dessen angenommene Tochter Daja , eine Christin, aber in dem Hause des Juden, als Gesellschafterin der Recha Ein junger Tempelherr Ein Derwisch Der Patriarch von Jerusalem Ein Klosterbruder Ein Emir nebst verschiednen Mamelucken des Saladin Die Szene ist in Jerusalem
Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
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Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
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Achter Auftritt
Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Letzter Auftritt
Impressum
Gotthold Ephraim Lessing
Nathan der Weise
Sultan Saladin Sittah , dessen Schwester Nathan , ein reicher Jude in Jerusalem Recha , dessen angenommene Tochter Daja , eine Christin, aber in dem Hause des Juden, als Gesellschafterin der Recha Ein junger Tempelherr Ein Derwisch Der Patriarch von Jerusalem Ein Klosterbruder Ein Emir nebst verschiednen Mamelucken des Saladin
Die Szene ist in Jerusalem
Erster Aufzug
Erster Auftritt
(Szene: Flur in Nathans Hause.)
Nathan von der Reise kommend. Daja ihm entgegen.
Daja. Er ist es! Nathan! – Gott sei ewig Dank, Daß Ihr doch endlich einmal wiederkommt.
Nathan. Ja, Daja; Gott sei Dank! Doch warum endlich ? Hab ich denn eher wiederkommen wollen? Und wiederkommen können? Babylon Ist von Jerusalem, wie ich den Weg, Seitab bald rechts, bald links, zu nehmen bin Genötigt worden, gut zweihundert Meilen; Und Schulden einkassieren, ist gewiß Auch kein Geschäft, das merklich födert, das So von der Hand sich schlagen läßt.
Daja. O Nathan, Wie elend, elend hättet Ihr indes Hier werden können! Euer Haus ...
Nathan. Das brannte. So hab ich schon vernommen. – Gebe Gott, Daß ich nur alles schon vernommen habe!
Daja. Und wäre leicht von Grund aus abgebrannt.
Nathan. Dann, Daja, hätten wir ein neues uns Gebaut; und ein bequemeres.
Daja. Schon wahr! – Doch Recha wär' bei einem Haare mit Verbrannt.
Nathan. Verbrannt? Wer? meine Recha? sie? – Das hab ich nicht gehört. – Nun dann! So hätte Ich keines Hauses mehr bedurft. – Verbrannt Bei einem Haare! – Ha! sie ist es wohl! Ist wirklich wohl verbrannt! – Sag nur heraus! Heraus nur! – Töte mich: und martre mich Nicht länger. – ja, sie ist verbrannt.
Daja. Wenn sie Es wäre, würdet Ihr von mir es hören?
Nathan. Warum erschreckest du mich denn? – O Recha! O meine Recha!
Daja. Eure? Eure Recha?
Nathan. Wenn ich mich wieder je entwöhnen müßte, Dies Kind mein Kind zu nennen!
Daja. Nennt Ihr alles, Was Ihr besitzt, mit ebensoviel Rechte Das Eure?
Nathan. Nichts mit größerm! Alles, was Ich sonst besitze, hat Natur und Glück Mir zugeteilt. Dies Eigentum allein Dank ich der Tugend.
Daja. O wie teuer laßt Ihr Eure Güte, Nathan, mich bezahlen! Wenn Güt', in solcher Absicht ausgeübt, Noch Güte heißen kann!
Nathan. In solcher Absicht? In welcher?
Daja. Mein Gewissen ...
Nathan. Daja, laß Vor allen Dingen dir erzählen ...
Daja. Mein Gewissen, sag ich ...
Nathan. Was in Babylon Für einen schönen Stoff ich dir gekauft. So reich, und mit Geschmack so reich! Ich bringe Für Recha selbst kaum einen schönern mit.
Daja. Was hilft's? Denn mein Gewissen, muß ich Euch Nur sagen, läßt sich länger nicht betäuben.
Nathan. Und wie die Spangen, wie die Ohrgehenke, Wie Ring und Kette dir gefallen werden, Die in Damaskus ich dir ausgesucht: Verlanget mich zu sehn.
Daja. So seid Ihr nun! Wenn Ihr nur schenken könnt! nur schenken könnt!
Nathan. Nimm du so gern, als ich dir geb: – und schweig!
Daja. Und schweig! Wer zweifelt, Nathan, daß Ihr nicht Die Ehrlichkeit, die Großmut selber seid? Und doch ...
Nathan. Doch bin ich nur ein Jude. – Gelt, Das willst du sagen?
Daja. Was ich sagen will, Das wißt Ihr besser.
Nathan. Nun so schweig!
Daja. Ich schweige. Was Sträfliches vor Gott hierbei geschieht, Und ich nicht hindern kann, nicht ändern kann, – Nicht kann, – komm' über Euch!
Nathan. Komm' über mich! – Wo aber ist sie denn? wo bleibt sie? – Daja, Wenn du mich hintergehst! – Weiß sie es denn, Daß ich gekommen bin?
Daja. Das frag ich Euch! Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve. Noch malet Feuer ihre Phantasie Zu allem, was sie malt. Im Schlafe wacht, Im Wachen schläft ihr Geist: bald weniger Als Tier, bald mehr als Engel.
Nathan. Armes Kind! Was sind wir Menschen!
Daja. Diesen Morgen lag Sie lange mit verschloßnem Aug', und war Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: »Horch! horch! Da kommen die Kamele meines Vaters! Horch! seine sanfte Stimme selbst!« – Indem Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt, Dem seines Armes Stütze sich entzog, Stürzt auf das Kissen. – Ich, zur Pfort' hinaus! Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! kommt Ihr wahrlich! – Was Wunder! ihre ganze Seele war Die Zeit her nur bei Euch – und ihm. –
Nathan. Bei ihm? Bei welchem Ihm?
Daja. Bei ihm, der aus dem Feuer Sie rettete.
Nathan. Wer war das? wer? – Wo ist er? Wer rettete mir meine Recha? wer?
Daja. Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage Zuvor, man hier gefangen eingebracht, Und Saladin begnadigt hatte.
Nathan. Wie? Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder War Recha nicht zu retten? Gott!
Daja. Ohn' ihn, Der seinen unvermuteten Gewinst Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.
Nathan. Wo ist er, Daja, dieser edle Mann? – Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen. Ihr gabt ihm doch vors erste, was an Schätzen Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles? Verspracht ihm mehr? weit mehr?
Daja. Wie konnten wir?
Nathan. Nicht? nicht?
Daja. Er kam, und niemand weiß woher. Er ging, und niemand weiß wohin. – Ohn' alle Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel, Er kühn durch Flamm' und Rauch der Stimme nach, Die uns um Hilfe rief. Schon hielten wir Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme Mit eins er vor uns stand, im starken Arm Empor sie tragend. Kalt und ungerührt Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute Er nieder, drängt sich unters Volk und ist Verschwunden!
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