Aber egal, es ist jetzt schon fast zulange her, seit diese letzte Kreatur auf der Erde erschien und wir glauben nicht, dass die Dunkle sich plötzlich ihrer bisher unterdrückten Güte besonnen hat, denn so etwas ist ihr so fremd wie dem Karpfen der Tango, jedenfalls sind wir vom Rat der Beschützer trotz der gegenteiligen Meinung Champigniolls der Ansicht, dass es höchste Zeit wird, einen neuen Schüler auszubilden. Und jetzt erschreckt bitte nicht, aber das ist genau der Punkt, an dem ihr Beide in das seltsame Spiel tretet. Da ist einmal die Tatsache, dass ihr beide uns sehen könnt. Das konnte noch keiner der bisherigen Schüler! Sie haben uns erst sehen können, nachdem wir ihnen dies mit Hilfe eines speziellen Zaubers ermöglichten. Außerdem sind ein paar von uns, denen die Verse der Überlieferung bekannt sind, der Ansicht, dass es irgendwann einmal einen Zeitpunkt geben wird, zu dem es gleich zweier Schüler bedarf, um dem Licht erneut zum Sieg zu verhelfen. Allerdings will ich Euch nicht verheimlichen, dass ihr Euer Leben riskiert, wenn ihr Euch dazu bereit erklärt, Euch zu Schülern des Lichtes ausbilden zu lassen.“
Peter schluckte heftig, Bernie wurde schwindlig, er schwankte leicht, so etwas bekam man schließlich nicht alle Tage zu hören. Jedenfalls kam dieser bärtige Kerl mit den sympathischen Augen schnell zur Sache.
„Des weiteren weist die Überlieferung uns auch an, wie dies zu geschehen hat. Allerdings rückt der gute Champignioll nur Scheibchenweise damit heraus, zudem noch ist dummerweise alles in Gedichtform verschlüsselt, sagte ich das schon? Einige von uns können sich der Annahme nicht ganz erwehren, dass Champignioll da vielleicht ein ganz klein wenig versucht hat, seine persönliche Note mit hinein zu bringen. Wir sind uns nicht aller Interpretationen dieser Verse sicher, manchmal gibt es Streit über deren Auslegung. Aber das ist ja eine andere Sache. Ihr Beide sollt euch natürlich erst einmal gut überlegen, ob ihr solche Gefahren überhaupt auf euch nehmen möchtet.“
Die beiden Freunde sahen einander mit großen Augen an, in denen sich ihre Überraschung und der Schreck spiegelte, während Salidor fortfuhr “Ihr sollt euch Zeit lassen mit eurer Entscheidung. Ihr müßt euch sicher sein. Führt euch vor Augen, was dies wirklich für euch heißt. Wenn ihr euch tatsächlich entscheiden solltet, Schüler des Lichtes zu werden, dann könnt ihr nicht mehr zurück!“
Es herrschte eine Zeit lang Schweigen im Raum, bis Peter, das Rubbellos in seiner Hand betrachtend, fragte: „Was ist eigentlich Poko-Poko?“
Salidor lächelte und antwortete: „Poko-Poko ist der Name des ersten Ausbildungsortes der Schüler des Lichtes. Auf den Karten der Menschen ist er nicht verzeichnet. Aber kommt mal mit rüber...“.
Bernie und Peter folgten Salidor zu der dreidimensionalen Afrikakarte, die sie bereits bewundert hatten.
Salidor zeigte auf eine der kleinen, roten Markierungskügelchen. „Poko-Poko!“ sagte er lächelnd.
Poko-Poko lag, wenn man es großzügig betrachtete, in etwa mitten in Afrika.
Das rote Kügelchen warf einen kleinen Lichtkegel auf die darunter liegende, öde Landschaft, die nur gelegentlich unterbrochen wurde von Miniatur- Dornenhecken und kleineren Waldgruppen.
„Darf ich dich auch noch etwas fragen, Salidor?“ fragte Peter verlegen.
„Nur zu, Peter!“.
„Ist eigentlich dieser Laden hier auch unsichtbar?“
„Nein, aber ich glaube ich weiß was du meinst. Die Eingangstür zum Laden ist mit einem Zauber verschlossen und läßt keinen Menschen herein. Aber für euch haben wir diesen Zauber für einige Zeit lang aufgehoben. Das hatte zur Folge, dass heute Morgen plötzlich ein Polizist im Laden stand. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn da ist ja auch noch der magische Würzrauch im Laden selbst. Jeder Mensch, der den einatmet vergißt kurz nachdem er den Laden wieder verlassen hat alles, was er dort drinnen erlebt hat.“
Wieder war es Peter, der nach einigem Schweigen eine weitere Frage an Salidor stellte:
„Können euch Zauberern und Zwergen diese, äh, diese Kreaturen eigentlich nichts anhaben?“
Salidor antwortete schmunzelnd: „Nein, dem Lichtwesen sei dank, das können sie nicht und versuchen es auch gar nicht. Das Lichtwesen hat uns einen Schutz mitgegeben. Ihr könnt mir glauben, das ist sehr beruhigend.“
Peter und Bernie hätten noch viele, viele Fragen gehabt, schließlich begegnet man nicht alle Tage einem leibhaftigen Zauberer, aber Salidor wurde an vielen Orten gebraucht, das war auch den beiden Freunden verständlich.
Bevor er sich herzlich von ihnen verabschiedete, gab er Peter noch den Tip, nach seinem Papagei zu schauen, sobald er wieder zurück daheim wäre. Dann öffnete er die Tür und rief Zwubicks herab. Dieser brachte die beiden Freunde durch den Laden nach draußen, zurück auf die Gasse.
Derweil den Blicken verborgen, tief im Dunklen unter der Erdoberfläche, wo das Licht des Tages nicht hinab gelangen konnte, sosehr es sich auch bemühte, stand in einer Höhle irgendwo im endlosen Labyrinth der dunklen Gänge ein Mann im schwachen Lichtschein einer Hand voll schwarzer Kerzen.
Hier unten war alles Stille. Nur hin und wieder schüttelte es den Mann heftig und ein höhnisches Kichern bahnte sich den Weg über seine zu hämischem Grinsen verzerrten Lippen hinweg in die Grabesstille der finsteren Brutstätte kommenden Unheils.
Seine kalten Augen stierten auf eine giftgrüne, wild wabernde und zuckende Wolke, die sich wie die Schalen eines überdimensionalen Eies um die abartigen, gigantischen Gliedmaßen einer Kreatur wand, die wohl nicht mehr allzuviel Zeit von ihrem Schlupftag trennte.
Wahnsinniger Stolz erfüllte den Mann während er dachte: „Das ist mein Werk!“
Aber da war noch ein anderes Gefühl, ihm bis zu diesem Tag vollkommen fremd, ein Schaudern, das an Intensität zunahm, als er hinüber zu den Tierkadavern in der hinteren Ecke der Höhle blickte.
Verstreut über den steinigen Boden lagen dort die Überreste der Tiere, die bei seinem Zeremoniell übrig geblieben waren, Utensilien, wie sie in jede gut ausgestattete Hexenküche wohl gehört hätten. Spinnenbeine, Schlangenleiber, quallenförmiges Geklibber – und das waren noch die eher appetitlichen Bestandteile!
Doch dann schüttelte er dieses ungewohnte Gefühl mit einer wegwerfenden Geste seiner Hand von sich und lachte unheilig schrill auf.
„Meine Falle wartet auf sie. Wenn die zwei Trottel ihren dämlichen Papageien suchen, dann ... . Und dann werd ich diesen Salidor zerquetschen. Ha ha, und es wird so einfach sein! Aber ich werde es ihm nicht einfach machen, oh nein. Soll ruhig weiter denken, er wäre der Größte und niemand könne ihm was anhaben, soll sich ruhig noch ein wenig in Sicherheit wiegen während meine Macht wächst und wächst ...“ Er redete jetzt zu dem abscheulichen Lebewesen, das da im Begriff des Entstehens war und rieb sich die Hände in purer Vorfreude.
„Und später schnappe ich mir diese Elfin Bea und mache ein Dutzend Bälger mit ihr, he, he, he, dann wird die Welt uns gehören!“
Er war berufen. Das dachte er. In Wirklichkeit war er nicht mehr als eine Marionette, an die die Dunkle ihre unsichtbaren Spielseile geknotet hatte, ohne dass er es so recht bemerkt hatte, sie war es, die Regie führte.
Salidor stand im Kräuterladen neben Zwubicks, der noch winziger wirkte als er sowieso schon war und raufte sich seine altehrwürdigen weißgrauen Haare.
Zwischen ihm und dem sehr schuldbewußt dreinblickenden Zwerg stand ein großer Bastkorb, Zwubicks bis fast unters Kinn reichend und von enormem Umfang. Es sah fast aus, als versteckte sich der Kleine hinter dem Behältnis.
„Ich sagte Edle Wurzeln, Zwubicks. Edle Wurzeln!“ stöhnte Salidor, ein Büschel seiner Haarpracht in seiner Hand betrachtend.
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