Maggi Lidchi-Grassi - Der Große Herr und die Himmlische Frau

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Wer mit alten Kriegsveteranen nähere Freundschaft schließt, dem begegnen oft Berichte von wundersamen Errettungen, sei es durch unvermittelte Eingebungen oder durch Zufälle, die so ungewöhnlich wirken, daß sie kaum noch als Zufall bezeichnet werden können. Mag man einen oder zwei dieser Berichte als «schon irgendwie erklärbar» abtun, so treten sie doch mit solcher Regelmäßigkeit auf, daß es schwerfällt, das Phänomen als Ganzes einfach beiseite zu schieben. Es scheint, als würde die Situation des Krieges, die die Menschen bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und in die unmittelbare Nähe des Todes treibt, den Schleier dünner werden lassen, der unsere normale Erfahrungswelt von dem trennt, «was sich unsere Schulweisheit nicht träumen läßt».
Dieses Buch basiert auf dem wahren Erfahrungsbericht eines amerikanischen Infanteristen aus dem Zweiten Weltkrieg. Es war vielleicht seine irische Abstammung, die John Kelly empfänglicher für «Botschaften von der anderen Seite» machte, und so erhielt er Eingebungen, die ihm und seinen Kameraden mehrfach das Leben retteten. In diesen Eingebungen taten sich zwei Wesen hervor, die er als seine «Himmelseltern» bezeichnete. Lange nach dem Krieg erfährt er zu seiner Überraschung, daß es sich bei diesen «himmlischen» Wesen um ganz reale Menschen handelt, die nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen im Krieg geholfen haben.

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Impressum

Der Große Herr und die Himmlische Frau – der unglaubliche Erlebnisbericht eines GI

Maggi Lidchi-Grassi

published by:epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2013 Maggi Lidchi-Grassi

ISBN 978-3-8442-5682-6

Originaltitel: “Great Sir and the Heaven Lady”

Copyright der Originalausgabe © 1993 Maggi Lidchi-Grassi

Umschlaggestaltung: Ireno Guerci

Aus dem Englischen übertragen von Ulrich Wartenberg

I

Als sich der Riegel hob, glitt die von Schrapnellen zernarbte Tür in ihren losen Angeln auf. Drinnen saßen sieben Männer herum, deren Köpfe an der Wand lehnten oder sich über Kartenspiele beugten. Deutlich konnte man im trüben Licht die riesige Kritzelei lesen, die einem von der feuchten Wand entgegensprang: Dich wird ‘s erwischen. Die beiden Männer, die an der Türschwelle standen, starrten auf die Botschaft. Regen trommelte aufs Dach und lief die Fensterscheibe hinunter.

“Hallo”, sagte der größere von den beiden und machte einen Schritt in den Raum hinein. “Ist das die Kompanie Easy?” Sein Optimismus prallte von den Wänden ab und erstarb. Das bereitwillige Lächeln verschwand aus seinem offenen, sommersprossenbedeckten Gesicht. Er stand unentschlossen an der Tür und blickte auf seinen Gefährten, einen kleinen Soldaten von olivbrauner Hautfarbe mit einem intensiven und nicht unhübschen Straßenlümmelgesicht. Auf seinem Kopf nahm sich ein Helm wie die Mütze eines Komikers aus. Der kleine Mann betrachtete rundäugig den Spruch an der Wand. “Wir sind der Ersatz.”

“Und?” fragte der Blonde, ohne von der geschwärzten Laterne aufzublicken, an der er herumbastelte.

“Schließt die Tür!” rief jemand energisch.

“Kümmert euch nicht um Koch. Er ist lediglich eine arme Kreatur. – Ich heiße Kowalski. – Nun kommt schon rein. Und schnell. Es ist kalt genug hier drinnen.” Sie traten salopp herein, und er ließ ein Bein hervorschießen, um die Tür zuzuknallen.

“Koch, warum tust du nicht endlich etwas für diese verdammten Angeln?”

“Er ist unser Spieß”, sagte Koch. Und dann wiederholte er im Leierton: “Kowalski ist unser Spieß.”

“Koch hat ‘nen Absalomkomplex [1] “, rief eine Stimme aus der Ecke, und Kowalski fing an zu lachen. John, der größere Soldat, schob Impi weiter in das Zimmer hinein, und sie ließen ihre Rucksäcke gegen die Wand fallen. Der Platz roch leicht nach Kaffee, aber auch alt und vermufft, etwa wie Stiefel und Strümpfe. Die beiden Neuen fügten dem feuchte Kleider und nasse Regenmäntel hinzu. “Das ist Blom, unser Intellektueller. Von der Uni. Wenn ihr ihm eine Chance gebt, bringt er euch völlig durcheinander.” Der Mann, der Kowalski hatte lachen lassen, erhob sich in der fernen Ecke aus seiner ausgestreckten Lage und brachte, auf einen Arm gestützt, eine zeremonielle Verbeugung fertig.

“Blom zu Diensten.”

“Das ist Robert.” Robert hob einen Arm und ließ ihn fallen.

“Das ist Appleby.”

“Hallo”, sagte Appleby und zog seine Karten näher an sich heran.

“Türk, unser Musiker.” Ein kleiner, gorillahafter Mann mit großen Augen nickte aus der Ecke. Er grinste breit, und man sah, daß ein paar seiner Vorderzähne fehlten.

“If heife Folantif.”

“Wir haben dir doch gesagt, du heißt Solantis.”

“Jetzt ist es Zeit für Walker, seine Redegewandtheit zu demonstrieren”, sagte Blom.

“Ja, das ist Walker. Wacky. Unser BAR-Mann [2] . Aus Texas.” Ein hohlwangiger Soldat, die Hände in die Hüften gestützt, prüfte sie mit ernstem Blick.

“Wie geht ‘s?” fragte er mit breitem Akzent. Dann hob er den Kopf, um sie abzuschätzen. “Ihr ersetzt ein paar tolle Soldaten.”

“Seht ihr, wir kriegen alle unsere guten Sprüche aus Action Comics”, sagte Blom. “Wo seid ihr her?”

“Das ist Impi, Imperiello. Ich bin John Kelly. Wir sind beide aus Brooklyn. Wir sind mit dem gleichen Transport gekommen.” Sie setzten sich gegen die Wand und zogen Zigaretten hervor. Türk brachte Becher mit dampfendem Kaffee.

“Er ist nicht sehr gut, aber er wird euch aufwärmen”, sagte er mit einem liebevollen Lächeln. “Ich war Koch in Chicago, und ihr?”

“Ich war beim Armeetransport”, sagte John. “Hochseeschlepper. Haben abwechselnd die Schlepper auf See gelotst. Das war was. Beste Zeit meines Lebens.”

“Ja. Er wollte zur Marine”, sagte Impi. “Aber da stand ein Spieß, um ihn für die Infanterie auszubilden. Ha, ha, ha!” lachte er und ließ die Nase auf und ab tanzen.

“Genau”, meinte Türk. “Seht ihr, und ich dachte, die Armee braucht gute Köche. Aber wißt ihr, was die zu mir sagen? ‚Wir haben genug Köche. Wir wollen deine anderen Talente entwickeln.’ Da stand mein Spieß und wartete auf mich. Wißt ihr, wie er mich nannte? Gorilla!”

“Na, na”, sagte Impi. “So meinte er das nicht.”

“Unser Sergeant ist zum Hauptmann rübergegangen”, sagte Kowalski und schaute von seinem Brief auf. “Er hat ihn rufen lassen, weil unser Leu zum Divisionshauptquartier gegangen ist, um sich auszeichnen zu lassen. Tapferkeitsmedaille.”

“Hey”, sagte Impi. “Was muß man denn tun, um die zu kriegen?”

“Als erstes brauchst du Eier aus Stahl.”

“Sag mir das zweite nicht, kein Bedürfnis”, meinte Impi. “Ich bin ein Feigling.” In der Ferne fingen die schweren Geschütze zu feuern an.

“Das wird dir Haare auf der Brust wachsen lassen.” Walker goß tiefroten Wein aus seiner Feldflasche auf Impis Kaffeereste. John hielt seinen Becher hin. “Den hab’ ich bei Madame Schelle für Rationen eingetauscht. Zwei für zwei. Die hat Fässer im Keller versteckt. Ich glaube, sie wird hier niemals weggehen. Wer würde es auch tun wollen?”

Vom Wein gewärmt, und vom Trommeln der Regentropfen am Fenster eingelullt, lehnte sich John entspannt gegen die Wand und ließ den Blick im Zimmer umherschweifen. Dich wird’s erwischen.

Wer hätte so etwas geschrieben? Nicht Türk. In der Art, wie er ihnen den Kaffee gereicht hatte, hatte es etwas sehr Nettes gegeben. Nicht der Student, nicht Kowalski, und nicht Walker. Nein. Schwer, sich vorzustellen, daß Applebys Hände irgend etwas anderes als Karten halten sollten. Und Robert? Es könnte Koch oder Robert sein.

“Hey”, fragte er, “wer hat das geschrieben?” Er zeigte mit dem Becher zur Wand.

“Einer, den ‘s erwischt hat”, murmelte Appleby, der noch immer nicht aufblickte.

Keiner sprach. John lehnte sich zurück und schloß die Augen, um den Wein zu genießen. Er wollte die Wand nicht sehen. Seit seiner Grundausbildung, als ihm Sergeant Müller ins Gesicht geschrien hatte, hatte er dieses Gefühl oft genug gehabt.

Die Kanalüberquerung vor zwei Tagen war eine Erholung gewesen. Wie er auf dem Deck der Fähre nach Le Havre gestanden und beobachtet hatte, wie das dunkle Wasser die riesigen Schneeflocken schluckte, hatte er die Kälte vergessen, und die U-Boote und seine Sehnsucht nach Kathy. Er hatte alles vergessen, und nur die Seligkeit war geblieben, auf dem Meer zu sein, seinem Element.

In Le Havre hatten sie dem Wasser den Rücken gekehrt und waren über entsetzliches Kopfsteinpflaster marschiert. Im Lastwagendepot sollten sie sich einem Konvoy nach Metz anschließen. Metz lag am Rand der Wälder; es war die letzte Haltestelle vor der Front. Das Depot bot ein Bild der Auflösung. Betäubt wirkende Soldaten lehnten sich gegen die Wände, rauchten, unterhielten sich, oder starrten in die Luft. Ein Würfelspiel. Es wurde nicht viel geklappert. Die Unteroffiziere, die versuchten, die Männer einzuteilen, waren erschöpft. Überall sah man zerknitterte Uniformen, unrasierte Gesichter und Augen mit roten Rändern.

Sie wurden zu einem großen Korporal mit müden Augenlidern geführt. Er hielt in beiden Händen Papiere. Eine Zigarette mit langer grauer Asche hing von seinen Lippen. Er blickte sie durch den Rauch an und lehnte sich gereizt zur Seite, um zu hören, was ihm jemand ins Ohr sagte.

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