Von außen sind sie Gold, blendend im Scheine,
Von innen Blei und schwer, daß Friedrichs Kragen
Aus Stroh geflochten schienen, wie ich meine.
O Mantel, schwer in Ewigkeit zu tragen! –
Wir schritten jetzt mehr linkshin gleich den Schatten
Und folgten ihnen, lauschend ihren Klagen.
Doch schlichen unter ihrer Last die Matten
So träg, daß wir bei jedes Fußes Heben
Stets andere Gesellschaft bei uns hatten.
Drum ich: »Schau, Herr, mags hier wohl solche geben,
Die sich bekannt nach Tat und Namen fanden?
Und laß rundum beim Gehen die Blicke streben.«
Und einer, der mein tuskisch Wort verstanden,
Rief hinter uns daher: »Hemmt eure Schritte,
Die ihr so eilt durch dunkler Lüfte Branden!
Vielleicht kann ich erfüllen deine Bitte.
Drauf wandte sich und sprach der Führer: »Weile
Und regle deinen Tritt nach seinem Tritte.«
Ich hielt und schaute zwei voll großer Eile,
Die mühsam sich uns einzuholen plagten;
Doch hemmte Last und schmale Wegeszeile.
Und scheu, alsob sie nicht zu sprechen wagten,
Sah ich die Angekommenen scheel verdrehen
Die Augen, drauf sie leis einander fragten:
» Der lebt; man kann die Kehle atmen sehen.
Doch sind sie tot: welch Recht verstattet ihnen,
Hier ohne lastenden Talar zu gehen?«
Drauf laut zu mir: »O Tusker, der erschienen
Hier in der Heuchler traurigem Verbande,
Laß, wer du seiest, zum Bescheid uns dienen.« –
»Die große Stadt am schönen Arnostrande
Erzeugte und erzog mich einst, und nimmer,«
Sprach ich: »entschlüpft ich noch dem Staubgewande.
Doch wer seid ihr denn, deren Wangen immer,
Wie ich bemerkt, von Schmerzenstränen starren;
Und welche Pein verleiht euch solchen Schimmer?« –
»Der gelben Kutten bleigegossene Barren
Sind also schwer,« sprach eins der armen Wesen,
»Daß unter ihnen muß die Wage knarren.
Wir waren Lustige Brüder, Bolognesen:
Loderingo der, ich Catalan geheißen.
Und deine Stadt hat uns zugleich erlesen,
Wie man sonst einen wählt, der sich befleißen
Des Friedensamtes soll. Es fühlt noch immer
Gardingo, wie wir Wölfe konnten beißen.«
Und ich begann: »O Brüder, euer schlimmer...«
Doch da erstarb mein Wort, denn an drei Pfählen
Gekreuzigt sah ich einen mit Gewimmer
Am Boden krümmen sich und schmerzhaft quälen,
Und wie er ächzte in den Bart mit Stöhnen,
Fing Bruder Catalan an zu erzählen:
»Der hier gekreuzigt knirscht in Jammertönen,
Verhalf einst seinem argen Rat zum Siege:
Ein einziger soll durch Tod das Volk versöhnen!
Du siehst, daß nackt er überm Wege liege,
Damit der hinterlistige Pharisäer
Am Fußtritt fühle, was ein jeder wiege.
So leidet auch in dieser Bucht sein Schwäher
Und alle vom Synedrium; dort fielen
Des Unheils Saaten einst für die Judäer.«
Da sah ich großes Staunen bei Vergilen,
Daß einer hier gekreuzigt lag am Orte,
Schmachvoll-verbannt zu ewigen Exilen;
Worauf er sprach zum Frater diese Worte:
»Wenn ihr es dürft, gefall es euch, zu sagen,
Ob rechts sich öffnet eine Felsenpforte,
Die ungehemmt uns läßt den Ausgang wagen,
Da sonst die Schlucht uns in den Notfall brächte,
Daß uns drausfort die schwarzen Engel tragen.«
Der sprach: »Wohl näher, als dein Hoffen dächte,
Zieht sich ein Fels her von der großen Runde,
Der Brücken wölbt ob all der schlimmen Schächte;
Nur barst er hier und führt nicht überm Schlunde.
Doch durch den Steinschutt könnt ihr aufwärtssteigen,
Der sich am Abhang böscht und staut im Grunde.«
Der Führer stockte kurz; ich sah ihn neigen
Das Haupt. Dann sprach er: Ȇbel als Berater
Wollt der sich, der die Sünder harkt, uns zeigen.« –
»Schon in Bologna hört ich,« sprach der Frater,
»Von Teufelstücken reden, auch das Wort:
Er sei ein Lügner und der Lüge Vater.«
Drauf ging der Führer großen Schrittes fort,
Indem Zornblitze durch die Stirn ihm fuhren.
Drob schied ich von den Bleibeladenen dort,
Anschließend mich den teuern Sohlenspuren.
Vierundzwanzigster Gesang
Zu jener Jahresfrühzeit, wenn im Zeichen
Des Wassermanns die Sonne wärmt die Locken,
Und schon dem halben Tag die Nächte gleichen,
wenn Reif hinmalt aufs Feld mit zarten Flocken
Des weißen Bruders Bild, obwohl der warme
Lufthauch bald seine Feder bringt zum Stocken,
Dann steht, weil er um Futter ist im Harme,
Der Bauer auf und späht, sieht weißbeschlagen
Die Landschaft, stemmt zur Hüfte drob die Arme,
Geht heim ins Haus, um hier und dort zu klagen,
Dem Armen gleich, nicht wissend, was nun werde,
Kehrt um und sieht aufs neue Hoffnung tagen,
weil er verändert schaut das Bild der Erde
Seit kurzen Stunden, greift zum Hirtenstecken
Und treibt zur werde seiner Schäflein Herde –:
So setzte mich der Meister auch in Schrecken,
Als seine Stirn mir wies, was ihn bedrücke.
Doch sollte Balsam bald die Wunde decken.
Denn als wir kamen zur zerstörten Brücke,
Sah er mich an, von Freundlichkeit umflossen,
Wie jüngst am Bergesfuß zu meinem Glücke.
Er überlegte kurz und tat entschlossen
Die Arme auf, als er die felsige Gegend
Gemustert; hob mich hoch und – unverdrossen
Gleich jenem, der sich abmüht überlegend
Und zeitig prüft, was wohl in Zukunft nütze –
So sah er, mich zur Kuppe hinbewegend,
Von dem zum nächsten Fels und riet: »Nun schütze
Vorm Fall dich! Klammre dich an diese Pflöcke;
Doch sieh erst, ob sie fest genug zur Stütze.«
Das war kein Steig für die Kapuzenröcke,
Weil wir ja kaum (er: leicht, und ich: geschoben)
Aufklimmen konnten über Stöcke und Blöcke.
Und hätte sich viel flacher nicht erhoben
Als drüben hier die Böschung aus dem Grunde:
Wenn er nicht, ich erläge solchen Proben.
Doch weil der Übelbuchten ganze Runde
Zum tiefsten Brunnenmund stets tiefer schwenkte,
So wirkt die Gliederung von jedem Schlunde,
Daß dieser Rand sich hebt, wenn der sich senkte,
Doch endlich waren wir zur Höh geklommen,
Allwo sich los der letzte Felsblock sprengte.
Nicht weiter könnt ich droben. Ganz benommen
Von Atemsmangel nach den Hindernissen,
Mußt ich mich setzen, kaum noch angekommen.
»Wohlan! der Mannheit zeig dich nun beflissen,«
Der Meister sprach, »denn Ruhm wird unter weichen
Deckbetten nicht errungen, noch auf Kissen.
Und wer sein Leben ruhmlos läßt verstreichen,
Der hinterläßt nur Spuren auf der Erde,
Die Rauch in Lüften, Schaum im Meere gleichen.
Und darum auf! Der Schwachheit Meister werde
Der Geist, der doch in jedem Kampf muß siegen,
Sonst zieht ihn bodenwärts des Leibes Beschwerde.
Noch zu erklettern giebt es längere Stiegen!
Die zu verlassen, gilt noch nichts, mein Guter:
Verstehst du mich, laß dirs am Herzen liegen.«
Aufsprang ich da und tat viel ausgeruhter
An Lungenkraft, als ich mich wirklich spürte,
Und rief: »Komm! ich bin stark und frohgemuter.«
Am Felsengrat entlang der Weg uns führte.
Ein enger, steiniger wars und mühsamleitender;
Viel steiler auch als der vorhinberührte.
Kraftheuchelnd, sprach ich wie ein rüstig Schreitender,
Bis eine Stimme scholl vom nächsten Grunde,
Als war ihr Mund ein mühvoll-wortbereitender.
Nicht weiß ich, was sie sprach, obschon zur Runde
Des Brückenbogens ich hinaufgegangen;
Doch wer da sprach, tats wohl mit zornigem Munde.
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