von Dagmar Schönleber
Werte Leser und -innen!
Sie halten ein Buch in der Hand: Das ist ein guter Anfang! Egal, was sie vorhaben, es kann nie schaden, ein Buch in der Hand zu haben. Ein Buch in der Hand lässt sich vielfältig einsetzen: Man kann sich bei heißem Wetter damit Luft zufächeln, auf Mückenjagd gehen, es unter wackelnde Tische schieben, es als Stütze verwenden (falls Sie bei der Yoga-Asana „das gedrehte Dreieck“ nicht mit der Hand bis auf den Boden kommen), sein Image damit auf intellektuelle Weise aufpolieren (das kommt natürlich ganz auf das Buch an) und letztendlich Kriege verhindern, denn wer ein Buch in der Hand hat, kann z.B. nicht gleichzeitig eine Uzi bedienen.
Das Abgefahrenste jedoch ist: Sie können darin lesen.
Jetzt haben Sie allerdings genau dieses Buch in der Hand. Vielleicht fragen Sie sich: „Was wird es mir bringen?“ „Wie soll ich es nutzen?“ oder einfach nur „Warum?“
Ich aber sage: Viel, mehrfach und darum!
Kurt Sawalies ist zwar eigentlich Musiker, aber in Zeiten der pandemiebedingten Auftrittslosigkeit hat er die völlig überraschende Feststellung gemacht, dass er auch Worte ohne Töne schreiben kann und dann sind es direkt so viele geworden, dass sich ein Buch nicht vermeiden ließ.
Wenn Sie mich fragen (was selten einer tut, aber ich biete es gerne an): Er tat gut daran.
Dieses Buch kann Ihnen in vielen Lebenslagen behilflich sein, denn Kurt schreibt so, wie er Musik macht: Mit Leib und Seele, von beidem hat er recht viel. In diesen speziellen Corona-Tagebüchern finden Sie Antworten auf Fragen, die Sie sich bisher vielleicht nie stellen wollten. In einer Arte-Ankündigung würde es vermutlich folgendermaßen beschrieben:
„Der Autor philosophiert über das besondere Heute, ohne gestern und morgen außer acht zu lassen.“
In einem Baumarkt-Katalog lautete die Produktbeschreibung vielleicht so:
„Kurt Sawalies’ Buch ist ein Multifunktionswerkzeug. Korpus: Massiv, robust und kompakt konstruiert, trotzdem leicht zu verstauen und daher ein unverzichtbarer Begleiter im Haus und unterwegs, verständliche Anleitung und intuitiv anwendbar.“
Kurt nimmt Sie mit in seinen rheinhessischen Kosmos, in dem er wegen temporärem Berufsverbot inquarantäniert ist. Er kommentiert, karikiert, klugscheißt und kalauert über die Wunderlichkeiten des Alltags, aber immer mit Haltung und Herz. Wir erfahren sowohl etwas über die Kochkünste der klugen Frau als auch vom Durst, vom Ärger mit der Bürokratie und fehlgeschlagenen Balkonkonzerten, von den Widrigkeiten des Älterwerdens und des Jungseins, vom Heimwerken und sonstigem Scheitern und wer im Rudel Sawalies das Kommando hat. Und ja, wir sind hinterher vielleicht nicht klüger, aber wesentlich besser gelaunt.
Nur über eines sollten Sie sich im Klaren sein: Kurts Mitteilungen sind alles außer kurz. Zum Glück.
Getränkeempfehlungen zur Literatur entnehmen Sie bitte derselben oder fragen Sie ihren Arzt oder den Autor (letzterer wird vermutlich andere Vorschläge machen als der Arzt.)
Hören Sie zwischen den Kapiteln bitte Musik, am Besten die von NURKURT, das entspannt die Lachmuskeln und wärmt die Seele.
Und jetzt: machen Sie es sich bequem und sich darauf gefasst, dass Sie laut schmunzeln oder leise fluchen werden.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit diesem Werk, ich zumindest hatte ihn.
Mein lieber Scholli, was war das denn bitte? Ende des Jahres 2019 berichteten die Medien von einem seltsamen Virus, das in China ausgebrochen sei, und dass man in China eine ganze Provinz mehr oder weniger unter Quarantäne gestellt habe, um eine weitere Ausbreitung dieses Teufelsdings zu vermeiden.
Puh, Glück gehabt: Von Wöllstein aus gesehen ist China 7.326,23 km entfernt. Auf 100m mehr oder weniger kommt es da wohl nicht an.
Und während der spaßbedürftige Deutsche sich in aller epischen Breite dem Karneval hingab und in beinahe allen noch verfügbaren Sälen und Kneipen des Rheinlandes und anderer karnevalistischer Hochburgen das große Schunkeln und Rudelkuscheln auf engstem Raum geübt wurde, hatte Corona schon längst an unsere Tür geklopft.
Wenig später rieben sich die Virologen und Politiker der Welt verwundert die Augen und mussten zugeben, dass sich da wohl aus einer Epidemie eine ausgewachsene Pan-demie entwickelt hatte. Und zwar eine vom Feinsten!
Mehr oder minder zögerlich und auch nicht unbedingt im Gleichschritt begannen die EU-Staaten und wenn möglich innerhalb der Staaten noch die föderalistischen Länder, ihr eigenes Süppchen zu kochen, um der gefährlichen Ausbreitung Herr zu werden. Unter anderem auch indem sie ihre Grenzen völlig entgegen dem Schengener Abkommen einfach dicht machten.
In einigen südeuropäischen Ländern, vorneweg Italien, gingen diese Bemühungen gründlich schief und führten zu katastrophalen Folgen mit unzähligen Todesopfern, weil man das Virus offenbar unterschätzt hatte und das örtliche Gesundheitssystem in kürzester Zeit an seine absoluten Grenzen kam.
Vor diesem Hintergrund wurden in der Bundesrepublik den Umständen entsprechend schnell Maßnahmen einge-leitet, welche die Freiheiten der Bevölkerung erheblich einschneiden sollten. Und diese Maßnahmen wurden irgendwann fast im Stundentakt verschärft, bis sich das Land beinahe mit einer Ausgangssperre konfrontiert sah. Ohne jeden Zweifel waren dies die absolut richtigen Maßnahmen, auch wenn es bei recht leichtsinnigen Teilen der Bevölkerung verhältnismäßig spät ankam, dass die Gesundheit und das Leben insbesondere der älteren Mitbürger und derer mit einer Vorerkrankung unbedingt so gut wie nur irgend möglich zu schützen war.
Weltweit wurde die gesamte Wirtschaft auf Null gefahren. Lediglich die absolut erforderlichen Betriebe, welche die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen sollten, arbei-teten noch. Die Bundesregierung und alle angeschlossenen politischen Organe einigten sich in kürzester Zeit auf ein Hilfspaket nie dagewesenen Ausmaßes um die Betriebe vor dem völligen Aus zu schützen, während die Bevölkerung aus den bereits beschriebenen Gründen im Homeoffice saß und nur noch zum Einkaufen, zu Arztbesuchen oder zu paarweisen Spaziergängen mit möglichst maximalen Abständen zu Anderen vor die Tür durfte.
Die sozialen Netzwerke gerieten beinahe aus den Fugen und die Server glühten. Da persönliche Kontakte wegen „social distance“ nicht mehr erlaubt waren, trafen die Menschen sich in Netzwerken, um den sozialen Kontakt nicht völlig zu verlieren. Nirgends wurde ein sich anbahnender Lagerkoller besser dokumentiert als bei Facebook und Konsorten. Fakenews und Mutmaßungen, leichte Ahnungen und fundiertes Nichtwissen wurden neben weitestgehend sinnbefreiten Internetspielchen in die Welt hinaus gepostet, dass es nur so eine Freude war. Und abermals: Mein lieber Scholli!
Da ich nun generell ein recht optimistischer Zeitgenosse bin und mich zurecht auf das Ende der Pandemie freute, weil meine Berufsgruppe der Musiker mehr oder minder von heute auf morgen den kompletten Verdienstausfall zu schlucken hatte (Kneipen wurden geschlossen, Versammlungen und damit auch Feiern wurden untersagt, Konzerte durften nicht mehr stattfinden), fand auch ich mich im Homeoffice und hatte plötzlich noch mehr Zeit als vorher.
Nun kann man in einer solchen Lage den Kopf in den Sand stecken. Das führt aber zu Knirschgeräuschen beim Kauen und zu erheblichem Dreck in den Ohren.
Und da kam mir angesichts aller möglicher im Netz verbreiteten Aufheiterungsbemühungen Ende März die Schnapsidee, meine Eindrücke aus dem Netz aufzuschreiben und diese meinen Facebook-Bekannten zum Lesen anzubieten. Irgendwie geriet ich damit in einen Fluss und veröffentlichte fortan täglich vormittags und nachmittags „Kurts Mitteilungen“.
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