Band 1
Für Dich, mein lieber Louis.
Ähnlichkeiten mit echten Personen können rein zufällig oder beabsichtigt sein. ;-)
Mit einem zaghaften Blinzeln öffnet Fridolino seine Äuglein, die Sonne kitzelt ihn schon lange an seinen Füßen, denn Fridolino ist groß geworden, seitdem wir das letzte Mal von ihm gehört haben. Kaum zu glauben, aber das einst so riesige Baumhaus wird nun langsam, aber sicher, zu klein für unseren kleinen großen Freund.
Eines Tages musste er zwei Löcher in sein Baumhaus schneiden, genau aus diesen Löchern schauen nun seine beiden Füße heraus. Am Anfang musste er sich erst daran gewöhnen, dass Wind und Wetter an seinen Füßen kitzelten. Der erste Regen fühlte sich ziemlich aufregend an. Es war schön zu spüren, wie die Regentropfen mit seinen Zehen Klavier spielten. Jedes Mal, wenn ein Tropfen seine Füße berührte, ließ er in seinem Kopf einen Ton erklingen.
Es entstanden dadurch erstaunliche Kompositionen, von sanften Balladen bis hin zu echter Heavy Metall Musik. Mittlerweile wusste er schon im Voraus, welcher Regen wohl welche Musik mitbrachte. Natürlich war es auch schön, am Morgen mit den warmen Sonnenstrahlen geweckt zu werden. Und jedes Mal war er stolz und belustigt zugleich über seine Idee mit den Löchern im Baumhaus und seinen Füßen da draußen.
Zugegeben, am Anfang war es ein Problem, wenn er sich nachts drehen wollte, aber heute geht es wie von alleine, Füßchen reinziehen, drehen und Füßchen wieder rausstrecken. Das Gefühl sich ganz auszustrecken liebte er besonders, denn er wollte unbedingt ganz groß und stark werden. Mit seinem Freund Bäri übte er stundenlang Ringen und Raufen. Er war auch schon ziemlich stark, aber gegen Bäri hatte er noch keine Chance zu gewinnen. Aber er war sicher, dass sich das irgendwann ändern sollte. Denn sie hatten eine gemeinsame Verabredung getroffen. Erst wenn Bäri im Ringen und Raufen unterlegen sein sollte, erst dann darf Fridolino auf Reise gehen.
Heraus aus dem Wald in die weite Welt! Es war sein größter Traum überhaupt. Doch Bäri hatte Sorge um seinen kleinen großen Freund und er wollte einfach sicher sein, dass Fridolino auf seiner Reise. Es mit jedem aufnehmen konnte und sei er auch so stark wie ein Bär. Auch wusste Bäri, dass es bald soweit sein würde, er gab sich die größte Mühe, aber es viel ihm immer schwerer Fridolino im Ringen und Raufen zu besiegen.
Immer stärker wurde Fridolino, aber es war nicht nur seine pure Kraft, Fridolino war auch überaus geschickt, schnell und trickreich. Er mochte schon gar nicht mehr so gern mit Fridolino raufen, weil er wusste, dass er bald sein Wort halten und ihn in die weite Welt hinausziehen lassen muss.
„Bäri, wo bist du?“, hörte er Fridolino aus seinem Baumhaus herausrufen. Gleich würde er noch rufen, dass er noch nie so einen großen Hunger verspürt habe und ohne Honig gleich Ohnmächtig wird.
„Bäri, ich habe noch nie so einen großen Hunger wie heute Morgen verspürt. Kannst du mir bitte einen großen Topf Honig bringen, damit ich nicht Ohnmächtig werde?“
Bäri lächelte und natürlich hatte er schon eine Extraportion Honig bei den Bienen eingekauft. Naja, in Wirklichkeit hat er wie jeden Morgen versucht den Bienen heimlich den Honig aus den Waben zu schütteln, aber wie jeden Morgen haben die Bienen, nachdem sie ihn erwischt hatten, ihn gebeten für den Honig zu bezahlen. Da er ja kein Geld hatte, waren sie immer sehr froh, wenn er stattdessen ein paar Reparaturen am Bienenstock vornahm.
Es gab ja eigentlich immer etwas zu tun und die Bienen produzierten schon seitdem es Fridolino in ihrem Wald gab, eine Extraportion für ihn mit. Sie mochten ihn, wie alle Tiere des Waldes.
Mit großem Appetit und laut schmatzend verputzte Fridolino seinen Honig.
„Bäri, du machst einfach den besten Honig.“, sagte Fridolino zufrieden. Und wie jeden Morgen sagte Bäri zu Fridolino.
„Ach, Fridolino, den Honig machen doch die Bienen.“ Dann lachte Fridolino immer und erwiderte darauf.
„Ich weiß, mein liebster Bäri.“ Sie hatten beinahe unzählige dieser Rituale. Rituale sind eine feine Sache, sie spenden Vertrauen und Zuversicht. Denn man weiß ja immer genau, was als Nächstes kommt. Es gibt beinahe keine Überraschungen und man kann sich schon vorher freuen, weil man weiß, wie es ablaufen wird und wie schön es sich anfühlt an den immer gleichen Stellen gemeinsam zu lachen. Fridolino und Bäri waren echte Rituale-Weltmeister. Ich bin mir sicher, es gab keine Freundschaft, welche inniger war und so voller liebevoller Rituale. Neben dem Ringen und Raufen, dem morgendlichen Honigessen, liebte Fridolino das Bärenreiten. Dabei war es so, dass Bäri auf seinen Hinterpfoten stand und Fridolino ganz oben auf seinen Schultern saß. Der etwas tapsige Gang von Bäri ließ Fridolino ganz da oben hin- und herschaukeln. Er fühlte sich dann selbst wie ein großer starker Bär. Manchmal brüllte er dabei ganz laut, als wollte er dabei den Wald und alle Tiere gleichzeitig erschrecken. Sie spielten es manchmal so lange, bis Fridolino vom ganzen Bärengebrüll heißer und müde geworden war. Bäri lief dann meistens zu dieser schönen Lichtung im Wald, gerade da wo der Boden von den Bäumen etwas im Schatten lag und der morgendliche Tau lange dem weichen Moos seine Feuchtigkeit spenden konnte und nun zur Mittagszeit die Sonne das kuschelweiche Moosbett erwärmt hatte. Dorthin legte er den müden Fridolino und setzte sich neben ihn, um ihn in seinem Schlaf zu beobachten und zu bewachen. Er sah Fridolino immer sehr gern an. Er hatte ihn so sehr lieb, wie niemanden sonst. In diesen Momenten träumte er von den vielen schönen Abenteuern, welche die Beiden miteinander erlebt hatten.
Es dauerte nicht lange und die Beiden schliefen eingekuschelt in der Sonne auf dem weichen Moos, bis sie der Hunger wieder weckte. Natürlich hatte Fridolino wieder Hunger, wie es kein normaler Erdenbürger haben könnte. Gleich hinter der Moosstelle, nur ein paar Meter an der knorrigen Birke vorbei, gab es die süßesten Walderdbeeren, die man sich vorstellen kann. Sie leuchteten schon von weitem in den unterschiedlichsten roten Farben. Fridolino wusste genau, welche Farbe die ideale Walderdbeere haben musste, um besonders süß zu sein. Sorgfältig wanderten seine Augen über die Walderdbeerpflanzen. Keine einzige würde seinem hungrigen Blick entgehen. Aber dennoch würde er auch bei dem größten Hunger immer genügend Beeren für die Tiere des Waldes übriglassen. Bäri war ja nicht nur sein bester Freund, sondern ein überaus kluger Lehrer. Von Bäri hatte er gelernt, wie man im Wald und der Wildnis zurechtkommt. Er konnte sich zum Beispiel beinahe lautlos anschleichen, auf die höchsten Bäume klettern. Er verstand die Sprache der Tiere, konnte schwimmen und tauchen wie ein Fisch, rennen wie ein Reh und war fast so kräftig wie ein Bär.
Nachdem er seinen Hunger ein wenig an den Walderdbeeren gestillt hatte, wollte er wieder mit Bäri Ringen und Raufen spielen.
„Los komm schon Bäri, du hast doch sonst immer mitgemacht.“, Fridolino knuffte und puffte Bäri in sein Fell.
„Hast du etwa keine Lust?“
„Doch schon, aber ich muss an unsere Vereinbarung denken.“, sagte Bäri etwas traurig.
Aber nach einem mächtigen Knuff von Fridolino, sprang er auf und forderte Fridolino zum Ringen und Raufen heraus. Fridolino ließ es sich nicht zweimal sagen. Er nahm Anlauf und sprang Bäri von hinten auf den Rücken. Geschickt hielt er Bäri die Augen zu. Bäri wurde bei dem Trick immer ganz schwindelig, das wusste Fridolino natürlich und wehrte geschickt die Versuche von Bäri ab, ihn von seinem Rücken abzuschütteln. Fridolino bewegte sich auf dem riesigen Rücken von Bäri wie ein Jockey auf einem Rennpferd. Dadurch drehte sich Bäri immer schneller um sich selbst. Nach kurzer Zeit sah Bäri mit Fridolino auf seinem Rücken aus wie eine Eisprinzessin, welche eine Pirouette dreht.
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