„Hey Sonja, wann fängst du denn als Night Manager im Hostel an?“, fragte sie mich gerade heraus.
„Ab heute, wieso?“, fragte ich verwundert zurück.
„Ach, verdammt, weißt du, Tim hat sich einfach im letzten Moment Urlaub genommen, wollte einen Monat wegbleiben und jetzt hängt er einfach noch einen Monat dran und da wollte ich dich fragen, ob du es machen willst. Du kannst dann auch in das Apartment ziehen. Es ist halt sieben Tage die Woche. Wir wollen Tim eh nicht mehr haben. Er hat eh nie einen guten Job abgeliefert und Michael, der es für ihn übernommen hat, ist schrecklich. Er ist nur am Saufen, geht nicht ans Telefon, braucht zehn Stunden bis zur Tür und einen guten Eindruck macht er auch nicht gerade.“, erklärte sie mir etwas aufgeregt.
„Du machst Witze. Ich will das auf jeden Fall machen. Ich bekomme mein eigenes Apartment und komme aus diesem Hostel hier raus.“, sagte ich erfreut.
„Bist du dir sicher? Es ist sieben Tage die Woche, weißt du?“, fragte sie noch mal nach.
„Na klar. Das ist doch kein Problem. Es ist nicht so viel los und tausend Mal besser als hier im Hostel zu night managen.“, erklärte ich ihr.
„Und was ist mit Sam?
Denkst du, er wird böse sein?“
„Nee, auf gar keinen Fall. Die Maria macht nur wegen mir keinen Night Manager mehr. Sie wird es definitiv weiter machen. So kann sie doch wieder Miete sparen, solange Todd weg ist. Boah. Wie geil. Ich freu mich
so. Ich komm morgen gleich mal vorbei.“
Der erste Lichtblick nach nur knapp einer Woche.
KAPITEL 3 EIN HOLPRIGER START IM MANLY BEACH INN
Sam war überhaupt nicht böse, als ich ihm davon erzählte. Night managen war ein total beliebter Job im Hostel, denn jeder wollte irgendwie Miete sparen. Auch wenn Maria nein gesagt hätte, hätte er mit der Minute jemand anderen gefunden.
Gleich am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zum Beach Inn, um mir das Apartment anzuschauen.
Ich hatte immer das Gefühl, es sah cooler aus. Von außen wirkte es immer so, als wäre es voll groß und neu. In der Realität war es ein kleines Zimmer mit einer Matratze in der Mitte. Gegenüber war die Küche, die aus einem Kühlschrank und einem Waschbecken mit einem Unterschränkchen bestand. Daneben der Fernseher und sogar ein DVD Player in einem musste ich zugeben, total schönen alten Holzregal mit Schwingtüren. Es hatte aus unerklärlichen Gründen drei Nachtschränkchen und über dem Bett waren zwei Surfbretter auf einem Gestell verstaut, was den Raum schon sehr beachig und cool aussehen ließ. Das machte das ganze schon sehr australisch. Ich nahm an, sie gehörten Tim, was bedeutete, dass ich sie nicht ewig als Deko behalten konnte. Das war zwar schade, aber man konnte ja nicht alles haben. Neben dem Bett stand ein rot-orangener 60er-Jahre Sessel mit einem silbernen Fuß in der Mitte. Der gefiel mir auch ganz gut. Das Bad bestand aus einer Toilette und einer Dusche, getrennt durch eine Wand. Schnell stellte ich fest, dass alles insgesamt sehr dreckig war und ich putzen musste wie ein Weltmeister, um mich jemals wohl zu fühlen.
„Ich glaube, dieses Zimmer wurde seit mindestens einem Jahr nicht mehr geputzt“, sagte Estefania völlig außer sich, während wir uns so umschauten.
Die Wand neben der Schiebetür begann zu schimmeln und das Holz brach raus.
„Da gibt es einiges zu tun“, bemerkte ich.
„Oh ja, aber wenn es einmal geputzt ist, ist es bestimmt ziemlich nett.“
Estefania war offensichtlich sehr geschockt darüber, wie die beiden Männer das Zimmer verwahrlosen ließen.
„Auf jeden Fall. Es ist zwar ziemlich dunkel hier drin, aber es wird alles meins sein. Meine Dusche, mein Klo, mein Kühlschrank, mein Fernseher.“, erwiderte ich optimistisch.
„Ja, dann sag ich Belinda mal Bescheid und sag Michael, das er ausziehen muss.“
„Okay.“
„Michael meinte, er muss sich ja was anderes suchen und braucht noch ein paar Tage, aber Belinda will, dass du den Job gleich übernimmst und solange eins der Zimmer im Beach Inn bekommst“, erklärte mir Estefania ein paar Stunden später am Telefon.
Belinda, die zur gleichen Zeit, als Sam das Hostel übernahm, das Beach Inn gekauft hatte, schien mir schon immer eine nettere Chefin gewesen zu sein. So ließ ich das Hostel hinter mir und zog am nächsten Tag in Nummer 12 ein, einem schönen Doppelzimmer in der obersten Etage, zwar ohne Bad und Küche, aber mit viel Licht und einem großen Bett. Das hätte mir auch gut gefallen.
Am Nachmittag lief mir der erste Gast in der Küche über den Weg. Er sah südländisch aus. Er hatte schwarze, kurz rasierte Haare, fast schon schwarze Augen und war braun gebrannt. Ich fuhr ja auf solche Typen gar nicht ab und dazu kam er mir leider auch noch so eingebildet vor.
„Hey, wie geht’s? Ich bin Adam, bist du jetzt Night Manager? Gott sei Dank, Michael ist so ein Loser.“, fing er im Nu an, mit heftigen Gestikulationen auf mich ein zu quasseln.
„Ja, heute ist mein erster Abend. Mal schauen, wie es läuft. Hatte zwar vor, ins Boatshed zu gehen, da ist jeden Mittwoch Songwriter-Kontest, aber meine Freundin ist krank und hat abgesagt.“, erzählte ich ihm, um etwas zu small talken.
„Boatshed, oh man. Naja, vielleicht hab ich ja später Lust.“, erwiderte er und machte auf zu cool für diese Welt.
Er sprach ziemlich laut, aber schien im Großen und Ganzen eigentlich ganz nett zu sein.
Später traf ich noch ein paar weitere Gäste bei einer Zigarette im Innenhof. Jim, ein Ur-Aussi, Mitte fünfzig, wohnte schon seit fast einem Jahr hier im Beach Inn. Er arbeitete im Krankenhaus in Manly als Pfleger. Er hatte grau-schwarzes, dünnes Haar, wie die meisten älteren Australier viele Falten im Gesicht und einen Totenkopf auf seinem Unterarm tätowiert. Er sah aus, als wäre er vor seiner Krankenpfleger-Karriere Koch auf einem Piratenschiff gewesen.
Und dann sollte ich auch Michael das erste Mal begegnen. Ich verstand gleich, was Estefania meinte mit „Eindruck machen“. Er hatte eine dieser billigen Jogginghosen an mit weißen Knöpfen an den Seiten, die vor Jahren mal in Mode waren. Er sah total abgemagert aus und hatte lange, blonde Haare und einen Dreitagebart, was ihn wie einen Obdachlosen wirken ließ. Seine knochigen Finger hielten eine der riesen VB Bierflaschen und er zündete sich eine selbstgerollte Zigarette an. Eine halbe Stunde später tauchte Adam auf. Jim und er schienen sich nicht sehr gut zu verstehen. Sie machten komische Anspielungen und es hörte sich nicht sehr freundlich an. „Also gehen wir dann ins Boatshed?“, fragte mich Adam.
„Ja, ich würde schon gerne gehen. Muss halt nur um 22 Uhr hier die Türen zumachen.“, erklärte ich verlegen, da ich nicht wollte, dass alle Gäste mitbekamen, dass ich weggehen wollte
„Ach, das macht der Jim schon für dich. Nicht wahr Jim?«. Adam drehte sich zu Jim und schaute ihn mit bestimmender Miene an. »Du sitzt eh immer länger hier draußen.“
„Ich mach hier nix. Was willst du denn?“, erwiderte Jim genervt.
„Ja ja, der macht das schon, mach dir keine Gedanken.“, beteuerte Adam.
Ich war mir nicht wirklich so sicher, aber Adam schien ihn besser zu kennen.
Die Bar war anders als sonst gut gefüllt und ich freute mich, mal wieder die lokalen Bands zu hören. Ja, das gute alte Boatshed, das sich wie ein U-Boot unter der Erde versteckte, mit alten Schwimmringen, Fischernetzen und einer alten Landkarte an der Wand, welche die Nordstrände zeigte und Preise und Dauer für die Fähre in den 50er Jahren. Süße Holztische und Stühle kuschelten in der Kerzenlichtatmosphäre.
Wir setzten uns rechts in die Raucherecke und nach einer halben Stunde musste ich leider feststellen, dass Adam nicht wegen der Musik gekommen war und anfing mich zu nerven. Er sprühte nicht sehr von Intelligenz und dachte, ich bin eine von denen, die man betrunken machen kann, um sie ins Bett zu kriegen.
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