So, ich glaube, die Reisegruppe „Cognac“ beendet jetzt die muntere Stadtführung. Natürlich gäbe es noch mehr zu sehen wie die Donnerbrücke, das Tor der Freiheit, den Schrein von Vigdis, die Kaserne der kaiserlichen Armee und noch zahlreiche andere Wahrzeichen, an den heute wohl ein PokeStop eingerichtet wäre, aber das würde jetzt alles zu lange dauern und wir können ja später noch immer darauf zurückkommen. Seht ihr das auch so? Perfekt!
Eine prächtige Stadt wie gesagt, aber die Stimmung in ihr war an jenen Tagen leider alles andere als prächtig. Kaiser Hieronymus war seit über einem Jahr tot und bis jetzt war noch immer kein Nachfolger gefunden.
Wie denn auch? Es gab ja keinen. Der dicke Hieronymus war nicht nur kinderlos, er hatte auch sonst keine anderen Verwandten. Er war der letzte aus der Linie des weißen Bluts. Die einst so mächtige Herrscherfamilie war ausgestorben.
Nicht nur einige der 13 Fürsten spitzten auf den Thron, sondern auch jeder andere Mann, der glaubte wichtig zu sein. Die Elfen, genauer gesagt die Hochelfen, waren außerdem der Meinung, dass es nun endlich einmal Zeit für einen Kaiser elfischen Blutes sei. Manche der neuen Provinzen, die früher eigenständige Königreiche waren und einst von Quirin erobert wurden, strebten nach Unabhängigkeit und wollten sich von Ithrien abspalten. Hieronymus war ein guter Kaiser, der für jeden noch so kleinen Bürger ein Ohr hatte und sorgte, dass all die alten Probleme von der Bildoberfläche verschwanden. So einen Kaiser gibt es kein zweites Mal. Was nun, wenn wieder so ein Quintus oder Jove den Thron besteigen würde? Es wäre das gleiche Elend wie früher gewesen. Speziell die Elfen hatten riesige Angst, erneut unterdrückt zu werden. In Siien und Milanth, den ehemaligen Elfenreichen, kam es als erstes zu Aufständen. Bald sprangen auch Groß Zimmen und Woldawa auf den Unabhängigkeitszug auf. Die angespannte Lage breitete sich aus, es brodelte wie in einem Suppentopf und es gab weit und breit keinen Kaiser, der den Topf vom heißen Gussofen nehmen konnte.
Frühzeitliche Terroranschläge fanden statt, um den Ernst des Willens nach Unabhängigkeit zu unterstreichen. Häuser und Karren brannten, der rassistische Hass zwischen den Völkern kochte wieder auf.
„Die Elfen sind schuld am Tod des Kaisers! Es war Mord! Sie wollen die Macht an sich reißen!“, riefen die Menschen.
„Wir haben genug unter den Menschen gelitten, wir sind nur Abschaum in ihren Augen, das waren wir schon immer, obwohl wir etwas Besseres sind! Unter Hieronymus ging es uns gut, ja, aber bald wird wieder ein Rassist am Thron sitzen. Das machen wir nicht mehr länger mit! Hunderte von Jahren der Unterdrückung sind genug, viele von euch haben das noch selbst miterlebt. Setzt einen Elfen auf den Thron, oder gebt uns ein eigenes Land! Wenn nicht, dann werden wir zur Gewalt greifen!“, tönte es von den Elfen.
Die kaiserliche Armee griff gegen alle mit eiserner Härte durch und wurde deswegen bald zum Feindbild und somit auch zum Ziel einiger Attacken. Aber was sollten sie tun? Irgendwer musste ja für Recht und Ordnung sorgen.
Ithrien stand am Rande eines Bürgerkriegs, wenn er nicht schon längst ausgebrochen war. Elfen gegen Menschen, Elfen und Menschen gegen die Armee, Menschen gegen Menschen und Elfen gegen Elfen. Denn nicht alle Elfen waren derselben Meinung. Das ist jetzt ein bisschen kompliziert, ich weiß. Die Wald- und Dunkelelfen waren perfekt integriert, fühlten sich tief mit Ithrien verbunden und hatten kein Bedürfnis nach Eigenständigkeit, sie unterschieden kaum noch zwischen Mensch und Elf, genau wie es Hieronymus wollte. Obwohl es eigentlich nur sehr wenige Waldelfen in Ithrien gab. Es war nie ihre wirkliche Heimat, sie kamen als Wirtschaftsflüchtlinge im goldenen Zeitalter unter Hieronymus. Dunkelelfen dagegen gab es viele. Das Problem allerdings waren die Hochelfen, die sorgten für den Krawall. Die anderen Elfenarten distanzierten sich auch von ihnen. Dennoch war das vielen Menschen egal, Elf ist nun einmal Elf und so wurden auch viele unschuldige Dunkelelfen vom Hass erfasst, was denen natürlich auch nicht gerade gefiel und dadurch entstanden wieder neue Brandherde.
Die einst so blühende Blume namens Ithrien war verwelkt.
Der Handel stagnierte, die Unruhen wurden immer mehr, der Wohlstand floss den Yaldul hinunter, die Armut machte sich wieder breit. Die Leute schrien nach einem Anführer, der sie aus diesem Sumpf wieder herausführen würde.
Diesen Schrei nutzten einige aus und präsentierten sich dem Volk als Heilsbringer.
Kolja von Gorod, Ritter von Yanov, zweitmächtigster Mann in der Provinz Woldawa, war so einer. „Der Fürst ist zu schwach, er wird uns nicht in die Unabhängigkeit führen, folgt mir und ich werde euch ein Leben in Freiheit und Luxus bescheren! Wir können uns auf niemanden mehr verlassen, weder auf das Kaiserreich noch auf den Fürsten! Wir müssen selbst handeln! Ergreift eure Waffen und schwört mir die ewige Treue! Wir kämpfen für das Blut und den Stolz Woldawas! Für unser Volk! Für unsere Brüder und Schwestern! Wir werden das Reich unserer ewigen Königin Leila wiedererrichten! Wir kämpfen bis in den Tod!“, propagierte er.
Damir, Fürst von Woldawa, war da natürlich anderer Meinung und so bekriegten sich zwei Männer und deren Anhänger, die eigentlich dasselbe Ziel verfolgten, nämlich die Unabhängigkeit.
Das war leider kein Einzelfall, täglich entstanden neue Gruppierungen und bald blickte niemand mehr durch, wer nun für etwas oder gegen etwas war. Es hatte den Anschein, dass Ithrien in tausend Teile zerbrach. Koljas Kämpfer und der Widerstand der Hochelfen, hinter dem wohl die Brüder des Lichts steckten, waren die beiden größten und mächtigsten Gefahren des Kaiserreichs.
Nur die Armee war gegen alle und ging eben gegen jeden weiterhin mit roher Gewalt vor.
Was war eigentlich mit den Zwergen?
Die Zwerge hielten sich da brav heraus, die hatten ja ihre eigenen Reiche und die anderen Völker interessierten sie noch nie. Sie hatten aber Angst, dass wieder jemand in ihre Berge einfallen und ihnen die Schätze rauben würde. Von daher schlossen sie ihre Tore und verbarrikadierten sich in ihren steinernen Hallen. Jene Zwerge, die in einem Dorf oder in einer Stadt lebten, wanderten wieder in eines der zahlreichen Zwergenimperien, dort konnte ihnen nichts passieren.
Und obwohl das Chaos, der Kampf und der Hass regierten, traf man noch auf ein wenig Fröhlichkeit.
Wir begeben uns in einen Gasthof in der Kaiserstadt und lernen nun endlich die Protagonisten der weiteren Geschichte kennen!
Seid ihr bereit dafür? Perfekt, dann kann es ja losgehen!
Wenn man sie da so sah, wie sie bei Tisch saßen, aßen, tranken, tanzten und lachten, dann hätte man kaum daran gedacht, dass es um das Land nicht gerade rosig stand. Dieses heitere Bild wirkte wie eine Oase des Friedens und der Fröhlichkeit.
Darf ich euch bekannt machen?
Ladies first, würde ich sagen. Im hinteren Bereich der großen Gaststube lehnte sich ein Mädchen ganz lässig gegen einen Pfeiler, flirtete mit einem hübschen, versnobten Jungen und verdrehte ihm dabei den Kopf. Nun, diese junge Dame war Maya.
Nein, nicht wie die Biene, die Biene schreibt man ja mit „J“. Maya war Ende zwanzig, hatte wunderschöne bernsteinfarbene Haare, die sie meistens zu zwei Zöpfen geflochten hatte, ein schelmisches Lächeln im Gesicht, tiefbraune Augen, kleine Grübchen und einen kleinen hellroten Mund. Maya war ein taffes, quirliges und freches Mädchen, das immer munter durch die Welt spazierte und mit beiden Beinen im Leben stand. Sie war überhaupt nicht auf den Mund gefallen und posaunte ihre Meinung stets geradeaus heraus. Am besten gefiel mir aber immer ihr Humor, denn sie war fürchterlich sarkastisch, was nicht immer jeder gerne mochte.
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