Doch der gemeinschaftlich entwickelte Wagen hatte einen schwierigen Start, denn Verarbeitungsmängel und Rostanfälligkeit brachten den VW-Porsche schnell in Misskredit. Schlimmer aber war der Streit zwischen Porsche und VW um die Vermarktungsrechte. Aus der Not heraus wurde für den Verkauf des Modells schließlich eine neue Firma gegründet, die »VW-Porsche Vertriebs GmbH« mit Sitz in Ludwigsburg. Hinzu kam, dass der preisliche Abstand zwischen dem VW-Porsche 914/6 und dem Porsche 911 viel zu gering ausgefallen war, so dass sich nur wenige Porsche-Kunden für den stärkeren VW-Porsche entschieden. Kurz gesagt: Für Porsche hatte sich diese gemeinsame Entwicklung nicht ausgezahlt.
Und noch ein weiteres Modell kam 1969 von VW: der »Kurierwagen« (Typ 181), besser bekannt als »Kübelwagen«. Auftraggeber war die Bundeswehr, die ein Nachfolgemodell zum zweitaktenden Altmodell DKW Munga (»Mehrzweck-Universal-Geländewagen mit Allradantrieb«) benötigte. Dieses rustikale Modell fand durch seine Robustheit und das Fehlen eines festen Daches bald auch außerhalb des militärischen Einsatzes seine Käufer. Vor allem in der Alternativen- und Hippieszene der USA erreichte der Typ 181 unter dem Namen »The Thing« bald Kultstatus. Zur Konzeption und Technik des Typ 181 konkretisiert der VW-Konzern auf seinem Portal VOLKSWAGEN CLASSIC :
»Erstaunlicherweise besteht das Lastenheft nicht auf Vierradantrieb. So können die Entwicklungsingenieure in den großen Volkswagen Baukasten greifen: Vom Karmann Ghia Typ 14 kommt die überarbeitete Plattform, vom Käfer 1500 stammen die abgeänderte Vorderachse, der Motor und die Kupplung, die Lenkung und die Instrumente, vom Transporter Typ 2 T1 (und nicht von dessen Nachfolger) das Getriebe und die Hinterachse mit dem seltenen Radvorgelege, das Bodenfreiheit und Übersetzung erhöht. Optional wird ein Sperrdifferenzial angeboten. Mit diesem Paket soll auch unter militärischen Bedingungen die nötige Geländetauglichkeit gewährleistet sein.« 6
1969 vergrößerte sich der Volkswagen-Konzern abermals: Die beiden Firmen Auto Union GmbH und NSU-Motorenwerke AG wurden zur Audi NSU Auto Union AG zusammengeschlossen. Nach dem Zusammenschluss hielt VW 59,9 Prozent der Firmenanteile der neuen Gesellschaft, doch bald schon waren 99,9 Prozent der Anteile im Besitz von VW. Damit stand dem VW-Konzern die komplette Fahrzeugpalette von NSU zur Verfügung. Darunter war der 1967 eingeführte, technisch und optisch futuristische NSU Ro 80 mit seinem von Felix Wankel entwickelten Kreiskolbenmotor. Wirtschaftlich interessanter aber war die nahezu fertig entwickelte Mittelklasse-Limousine K 70, die mit ihrem wassergekühlten Frontmotor einen modernen Gegenentwurf zur antiquierten VW-Modellpalette darstellte.
1970–1979: Existenzkrise und Wandel
Zweifelsohne hatte der verstorbene Heinrich Nordhoff die Volkswagenwerk AG lange Zeit auf dem richtigen Kurs gehalten. Doch schon während seiner Amtszeit wurden die Stimmen immer lauter, die sich gegen den VW Käfer aussprachen und eine Neuorientierung forderten. Diese Neuorientierung sollte nicht nur die Modellpalette umfassen, sondern das gesamte Unternehmen. Unter dem Nachfolger Kurt Lotz wurde VW dann tatsächlich in vielerlei Hinsicht moderner, dies nicht zuletzt aufgrund des sich verschärfenden Wettbewerbs.
Zur zeitgenössischen Situation in Wolfsburg erklärte Kurt Lotz: »Schon bei meiner Einarbeitung im Sommer 1967 hatte ich nach Unterlagen gefragt, aus denen hervorgehen könnte, welche Neuentwicklungen in der Schublade waren. [...] Zu meiner großen Überraschung waren die Schubladen leer. Und: neue technische Konzeptionen standen überhaupt nicht zur Diskussion. Alle Zukunftserwartungen waren auf den Erfahrungswerten des Käfers aufgebaut [...] .« 7
Demgemäß rationalisierte Lotz die Fertigungsabläufe und gestand der Forschungs- und Entwicklungsabteilung mehr Geld zu. Hinzu kam eine systematische Entwicklung von Führungskräften innerhalb des VW-Konzerns. Gleichzeitig wurden die Produktions- und Verwaltungsprozesse auf die elektronische Datenverarbeitung (EDV) umgestellt. Die Maßnahmen im Bereich EDV zusammenfassend schreibt der VW-Konzern: »Auch in Forschung und Entwicklung liefert die elektronische Datenverarbeitung neue Impulse, wie der Einsatz einer automatischen Modellabtastanlage in der Karosseriekonstruktion demonstriert. In Verbindung mit Großrechnern und automatischen Zeichenmaschinen verkürzt diese Anlage die Entwicklungszeit der Karosserien erheblich.« 8
Trotz aller Modernisierung stand jedoch vorerst keine Ablösung für den VW Käfer in Aussicht, vielmehr wurde er 1970 umfassend modernisiert, und zwar technisch wie optisch. Unter der Bezeichnung 1302 Limousine (Typ 11) wurde dem Typ 1 eine modernere Version zur Seite gestellt. Im Typ 11 arbeitete vorne nicht mehr die alte Doppellängslenker-Achse, sondern es wurden zeitgemäße MacPherson-Federbeine mit Querlenkern und einem Stabilisator verbaut. Hinten kam eine Schräglenker-Achse zum Einsatz.
In Verbindung mit dem um 20 mm verlängerten Radstand verbesserte sich die Straßenlage des VW Käfer augenblicklich, gerade das tückische Übersteuern reduzierte sich stark. Durch die Verlängerung des Vorderwagens um 70 mm stieg obendrein die passive Sicherheit. Das Reserverad lag nun unter der vorderen Haube, statt dort platzraubend aufrecht zu stehen. Durch diese Maßnahmen besaß der VW Käfer zum ersten Mal einen ernstzunehmenden Kofferraum.
Auch bei der Motorisierung gab sich das neue Modell moderner, wenn auch am grundsätzlichen Motorkonzept festgehalten wurde. Der luftgekühlte Boxermotor des 1302 schöpfte aus 1,3 Liter Hubraum 44 PS (32 kW), daneben wurde der stärkere 1302 S mit 1,6 Liter Hubraum und einer Leistung von 50 PS (37 kW) ins Verkaufsprogramm genommen. Durch ein Doppelkanal-Ansaugsystem verbesserte sich die Durchzugskraft der Motoren. Um die bekannten Kühlprobleme des dritten Zylinders zu lösen, wurde der Ölkühler umgesetzt. Hinzu kamen zwei Reihen Kühlluftschlitze in der Motorhaube. Als technisches Schmankerl bekam der 1302 S sogar Scheibenbremsen an der Vorderachse verbaut.
Im Zuge des offensichtlichen Misserfolgs des VW 411 wurden die Rufe der VW-Händler nach einem wettbewerbsfähigen Modell immer lauter. Diese Forderung war weder abwegig noch unzeitgemäß – im Gegenteil, denn ein konkurrenzfähiges, modernes Modell war im VW-Konzern bereits verfügbar. So der K 70, der von NSU vor der Übernahme durch VW entwickelt worden war und von der VW-Konzernleitung zurückgehalten wurde, um das Geschäft mit den eigenen Fahrzeugen nicht zu stören. Entwickelt hatten die NSU-Ingenieure den K 70 mit einem Front-Reihenmotor, Vorderradantrieb und Wasserkühlung, so dass der Wagen hinsichtlich seiner Platzverhältnisse und seiner Straßenlage die konzeptionell antiquierten Mittelklasse-Modelle aus Wolfsburg ohne Mühe in den Schatten stellte.
Wie umstritten das technisch altbackene VW-Modell 411 innerhalb der Branche und unter Autofahrern war, wurde durch die spöttische Definition des Modellnamens deutlich. VW 411 wurde übersetzt als: VW mit 4 Türen, aber 11 Jahre zu spät. Auch optisch konnte der Mittelklasse-VW nicht begeistern, denn durch seine konservative Bauweise mit Heckmotor musste der Vorderwagen sehr lang ausfallen, um zu einer passablen Kofferraumgröße zu gelangen. Der durch den langen Vorderbau optisch nicht harmonisch wirkende VW hatte dann auch gleich seinen Spitznamen weg: »Nasenbär«. Daran sollte auch das 1972 vorgenommene Facelift und die neue Bezeichnung VW 412 nichts ändern.
Aufgrund des anhaltenden Misserfolgs des VW 411 entschloss sich VW-Chef Kurt Lotz im Sommer 1970, den von NSU entwickelten Wagen unter dem Modellnamen VW K 70 (Typ 48) auf den Markt zu bringen. Dafür wurde in Salzgitter ein eigenes Werk gebaut. Verfügbar war der K 70 mit wassergekühlten 1,6-Liter-Reihenmotoren, die über eine Leistung von wahlweise 75 PS (55 kW) oder 90 PS (66 kW) verfügten. Die bereits entwickelte Kombiversion des K 70 wurde jedoch nicht auf den Markt gebracht. Der VW K 70 wurde trotz mäßiger Verkaufszahlen zu einem Meilenstein in der Geschichte des Wolfsburger Konzerns, denn er markierte die Hinwendung zu moderner Fahrzeugtechnik bei Volkswagen.
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