1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Auch zahlreiche Motorradhersteller sprangen auf den fahrenden Zug und entwickelten Modelle mit Wankelmotor. So beispielsweise der japanische Hersteller Suzuki, aber ebenso BSA/Triumph in Großbritannien. Sogar die Ingenieure von Fichtel & Sachs tüftelten an einem eigenen Wankelmotor für ihre Marke Hercules. Bei NSU indes war es aufgrund der kostspieligen technischen Probleme beim Ro 80 eher ruhiger geworden – die Wankel-Euphorie war längst verflogen. Es war ein offenes Geheimnis, dass der VW-Konzern bei jedem verkauften NSU Ro 80 mehrere tausend Mark zulegte.
Immer stärker wurde zudem der Dieselmotor als alternativer Antrieb für Personenkraftwagen diskutiert. Opel hatte sich bereits mit seinen Weltrekordfahrten, die mit einem serienreifen Vierzylinder-Dieselmotor stattgefunden hatten, in der öffentlichen Wahrnehmung werbewirksam positioniert. Schon ab Herbst 1972 wollte Opel das Erfolgsmodell Rekord mit einem 60 PS starken Selbstzündermotor in den deutschen Markt einführen. Diese Entwicklung wurde von zahlreichen Fachleuten als verkehrstechnischer Rückschritt bezeichnet – ungeachtet dessen arbeiteten auch in Wolfsburg und bei Ford in Köln Ingenieure unter Hochdruck an einem eigenen Dieselmotor. Einzig BMW-Pressesprecher Werner Zentzytzki erklärte es kategorisch für ausgeschlossen, einen Selbstzündermotor zu entwickeln, denn »ein BMW mit Dieselmotor wäre für mich ein grauenhafter Gedanke«{32}.
Zum Ende des Jahres 1972 hatte BMW erstmals einen Jahresumsatz von über 2 Milliarden Mark (ca. 1 Milliarde Euro) erreicht. Entsprechend stolz gingen die Münchner aus dem Erfolgsjahr und meldeten: »Täglich werden in Milbertshofen und den angeschlossenen Produktionsstätten zur Zeit 800 Automobile und knapp 100 Motorräder produziert: Angesichts der ansonsten rückläufigen Produktionstendenz in der deutschen Automobilindustrie ein glänzendes Indiz für die marktnah konzipierten BMW Karossen. Während man bei BMW das hohe Produktionsniveau vom Herbst 1971 hat halten können, verlor die gesamte deutsche Automobilindustrie bei den PKW binnen Jahresfrist (von Juni 1971 auf Juni 1972) immerhin 3 % an Produktion.«{33}
1973 – Die Ölkrise verändert den Automobilmarkt
So gut die Verkäufe bei BMW liefen, so schlecht lief die 1969 gegründete BMW-Autovermietung GmbH. Das von Paul Hahnemann ausgetüftelte Geschäftsmodell, mit der Mietwagentochter Rent a BMW neue Kunden für die Marke BMW zu begeistern, war gescheitert. Die defizitäre Mietwagenfirma galt inzwischen in München als ungeliebte Tochter und die Verantwortlichen nahmen die Gelegenheit wahr, die BMW-Autovermietung GmbH im Februar 1973 an den expandierenden Autovermieter Europcar zu verkaufen. Zum 1. März war das Geschäft abgeschlossen und die BMW-Autovermietung GmbH vollständig in den Händen von Europcar, die wiederum zu 100 Prozent dem staatlichen französischen Autohersteller Renault gehörte.
Ungeachtet dessen galt es gerade auch für BMW, weiter zu wachsen und sich so gegen die Herausforderungen des Wettbewerbs zu wappnen. Diesem Ziel folgend, eröffnete BMW 1973 im südafrikanischen Rosslyn bei Pretoria das erste ausländische Montagewerk. Allerdings war das südafrikanische Werk keine Fertigungsstätte in herkömmlichem Sinne, sondern ein Montagewerk, in dem pro Jahr rund 6.000 aus München angelieferte CKD-Fahrzeugbausätze (CKD = Completely Knocked Down) zusammengebaut wurden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise lag auf der Hand: BMW konnte durch die Anlieferung der Fahrzeuge als Bausatz hohe Importzölle vermeiden, zudem konnte auf ein teures Vollwerk mit Presswerkzeugen, Karosseriebau und Lackiererei verzichtet werden. Dass die Lohnkosten in Südafrika zudem nur ein Bruchteil der Lohnkosten in Deutschland betrugen, war ein weiterer gewichtiger Punkt in der Kalkulation. Ungeachtet dessen sollte das südafrikanische Werk ab 1974 auch eigene Komponenten produzieren.
Parallel dazu wurde über eine Expansion in die Länder des sozialistischen Ostblocks diskutiert, denn aufgrund des größer gewordenen technischen Abstands lockte dort ein gewaltiger Markt. Diskutiert wurden beispielsweise Lizenzverträge für Motoren. Wie gut eine solche Zusammenarbeit funktionieren konnte, zeigte die seit Jahren dauerende Kooperation von BMW mit dem sozialistischen Ungarn, das im Tausch gegen Waren oder Dienstleistungen von BMW die großen Sechszylinder-Modelle geliefert bekam. Dass eine solche Zusammenarbeit mit einem sozialistischen beziehungsweise kommunistischen Land auch in ganz großem Stil gelingen konnte, zeigte beispielhaft die Kooperation der UdSSR mit Fiat in Togliatti.
Auch in Deutschland wurden die Kapazitäten erweitert. Nicht nur, dass im Mai 1973 der »Vierzylinder«, das neue zentrale Verwaltungsgebäude in München, bezogen werden konnte. Endlich war auch das neue Werk in Dingolfing fertiggestellt; am 27. September 1973 lief der erste BMW vom Band. Nun fehlte nur noch qualifiziertes Personal, weshalb BMW bereits im Frühjahr 1973 in der WESTDEUTSCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG (WAZ) und im Fußballmagazin KICKER großformatig eine ungewöhnliche Werbeaktion gestartet hatte, mit der Mitarbeiter aus der mutmaßlich rußgeschwärzten Zechenlandschaft des Ruhrgebiets nach Bayern gelockt werden sollten. So titelte die Überschrift der im Rahmen des »BMW-Facharbeiter-Auswanderungsprogramms« entstandenen Anzeige: »Du lebst nur einmal, Jupp! Darum raus aus Ruß-Land. Komm nach Bayern. Nach Dingolfing. Zu BMW.«
Im Text der mit weidenden Kühen illustrierten Anzeige zogen die Verantwortlichen alle Register zeitgenössischer Theatralik: »Bei uns gibt es keine Hochöfen und keine Fabrikschornsteine. Und die Autos – die sind auch noch zu zählen. Die Luft ist sauber und Dingolfing (die kleine Stadt in der Du vielleicht bald leben wirst) auch. Drumherum ist Natur. Grün im Sommer – weiß im Winter. Hier wachsen Blumen und Pilze und Schneemänner.
Und jetzt zu den Kühen, Jupp! Die haben wir nämlich wegen Deinem Sohn in diese Anzeige gesetzt. Hat er schon mal eine angefaßt, oder kennt er sie nur aus dem Lesebuch! Jupp, Dein Sohn hätte es hier schöner. Oder bist Du gerne in den Hinterhöfen Winnetou gewesen? Übrigens, um seine Ausbildung brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Realschule und Gymnasium gibt's in Dingolfing schon viele Jahre.« So groß der Werbeaufwand war – die Resonanz enttäuschte. Die Werbekampagne erwies sich als Flop, denn nur 30 »Jupps« wechselten nach Dingolfing.
Schön war für BMW zu sehen, wie sich der Stellenwert des Motorrads veränderte. Längst waren Motorräder kein Transportmittel mehr für Minderbemittelte, die sich kein Auto leisten konnten. Vielmehr rückten sie immer mehr als Spielzeug zur Freizeitgestaltung in den Fokus, wie es der Erfolg der japanischen Hersteller in den USA und in Europa zeigte. Diese Begeisterung fürs motorisierte Zweirad schlug sich auch in den Zahlen von BMW nieder, denn seit 1967 hatte sich die Zahl der verkauften Motorräder mit 24.000 Stück mehr als verdreifacht. Grund genug, sich mit einer neuen »Strich-Sechs«-Baureihe rund um die BMW R 90 S für künftiges Wachstum zu positionieren.
Unterdessen waren die Rufe nach neuen und vor allem stärkeren Motoren für den 5er lauter geworden. Zahlreiche Kunden bemängelten, dass die potenten Sechszylindermotoren nicht im 5er angeboten würden. BMW reagierte, indem ab Sommer 1973 der BMW 525 in den Verkauf kam. In dessen Fahrzeugfront arbeitete nun der Reihensechszylinder mit einer Leistung von 145 PS (107 kW) und einem maximalen Drehmoment von 212 Nm bei 4.000 U/min.
Wem diese Leistungssteigerung nicht ausreichte, für den gab es neben der 1973 gegründeten BMW Motorsport GmbH eine weitere empfehlenswerte Adresse in Deutschland. Dies war der Tuner Burkard Bovensiepen mit seiner auf BMW-Fahrzeuge spezialisierten Tuningfirma Alpina. Die dort modifizierten BMW-Modelle überzeugten nicht nur auf der Rennstrecke, sondern ebenso durch die hohe Qualität der Umbauten. Aus diesem Grund gewährte BMW den bei Alpina umgerüsteten Fahrzeugen volle Werksgarantie. Nicht nur das, denn die BMW Motorsport GmbH griff beim Aufbau ihrer Rennsportfahrzeuge ganz offiziell auf die Spezialisten von Alpina zurück.
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