1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Ohnehin war die Stimmung bei BMW zu dieser Zeit angespannt, denn Herbert Quandt hatte mit Bernd Kalthegener einen alten Vertrauten in die Münchner Zentrale gesandt, der Eberhard von Kuenheim direkt unterstellt und als Chef der Gesamtplanung mit zahlreichen Vollmachten ausgestattet war. In Folge wurden zahlreiche Manager gekündigt oder aber kündigten selbst. Auf Vorstandssitzungen wurde unterdes offensichtlich: Auch das Verhältnis zwischen Vertriebschef Bob Lutz und Bernd Kalthegener war nicht von Vertrauen und Sympathie geprägt.
Einen Wechsel gab es unterdessen in der Designabteilung, da Chefdesigner Paul Bracq BMW in Richtung Frankreich verließ, um bei Peugeot als Chief of Interior Design zu arbeiten. BMW stand nun ohne Chefdesigner da. Auch Bob Lutz kündigte bei BMW seinen Posten und stieg gleichzeitig auf der Karriereleiter eine Sprosse nach oben. Er wechselte zum kriselnden Hersteller Ford in Köln, wo er als Deutschland-Chef erfolgreich die Modernisierung der Modellpalette vorantrieb und später zum Chef von Ford Europe aufstieg. Sein Nachfolger bei BMW wurde Hans-Erdmann Schönbeck, bisher in Ingolstadt als Vorstand der VW-Tochter Audi-NSU AG zuständig für den Vertrieb in Deutschland.
Zu seinen Gründen, von BMW zu Ford zu wechseln, gab Bob Lutz in einem Interview zur Antwort: »Allerdings – nach etwa zweieinhalb Jahren in München habe ich irgendwie den Gedanken an die zukünftige Herausforderung vermißt. Und da habe ich mich gefragt, ob ich wirklich mit 40 Jahren bereit sei, für den Rest des Lebens, der beruflichen Laufbahn, genau an diesem Ort zu sitzen und genau diese Funktion auszuüben. Und da mußte ich mir sagen: nein.«{38}
Auch in den USA gab es einen Personalwechsel, denn BMW trennte sich vom Generalimporteur Max E. Hoffman. Gemäß offizieller Begründung sollte Hoffman seine Rechnungen an BMW zu zögerlich bezahlt haben, darüber hinaus kritisierten die Münchner das Marketing in den USA, das sie als unzureichend bemängelten. Maximilian E. Hoffman sollte jedoch als leitendes Mitglied des Board of Directors der BMW of North America weiterhin für BMW tätig bleiben. Hinter vorgehaltener Hand galten die Gründe für die Kündigung jedoch als Ausflüchte, denn BMW wollte fortan sein lukratives USA-Geschäft über ein firmeneigenes Verkaufs- und Servicenetz selbst in die Hand nehmen. Dieser Umbau war in Europa bereits in vollem Gange. Konsequent wurden BMW-Tochtergesellschaften für den Import und den Vertrieb von BMW-Automobilen und -Motorrädern gegründet.
Am Ende des Jahres 1974 stand bei BMW im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzrückgang im In- und Ausland von insgesamt 4,4 Prozent. Immerhin war die Motorradproduktion um 11 Prozent gestiegen und hatte so die Verluste aus dem Pkw-Geschäft etwas gedämpft. Der Jahresüberschuss war hingegen im Jahr 1974 von 63,2 Millionen DM auf 42,0 Millionen DM (von ca. 31,5 Millionen Euro auf 21 Millionen Euro) um rund 30 Prozent zurückgegangen.{39}
Aufhebungsverträge, Entlassungen, Kurzarbeit – das waren Anfang 1975 die Hauptthemen in der deutschen Industrie. Auch bei BMW war klar, dass das Jahr 1975 nicht ohne Kurzarbeit starten würde – zu schlecht waren die Absatzzahlen. Die Werke in München, Landshut und Dingolfing arbeiteten weit unter ihrer Auslastung, weshalb für Februar und März Kurzarbeit beantragt wurde.
Im Frühjahr 1975 deuteten indes erste Indikatoren darauf hin, dass die Ölkrise abflaute. Die Auftragseingänge stiegen bei BMW so überraschend in die Höhe, dass die beantragte März-Kurzarbeit nicht umgesetzt wurde. Stattdessen waren bereits seit Februar 200 neue Mitarbeiter eingestellt worden, 70 offene Stellen galt es nun schnellstens zu besetzen. Das war noch aus einem anderen Grund dringend notwendig, denn im Januar waren 300 Mitarbeiter aus dem Werk München nach Dingolfing versetzt worden, um dort zeitlich begrenzt auszuhelfen.
Trotz der finanziellen Zulage von 16 DM (ca. 8 Euro) am Tag, die diese Mitarbeiter erhielten, war ein hoher Anteil mit der Versetzung nicht einverstanden. Geklagt wurde über das Kantinenessen in Dingolfing und das Schlafen im Hotel oder im Wohnheim. Gerade bei verheirateten Mitarbeitern war der Unmut nachvollziehbar, denn diese Mitarbeiter sahen ihren Lebenspartner so nur an den Wochenenden. Für Unmut sorgten auch die fehlenden Unterhaltungsmöglichkeiten nach Feierabend, die denen in München in vielerlei Hinsicht nachstanden.
Das Ende der Ölkrise zeichnete sich ab und die Konjunktur zog an. Der Blick auf das erste Quartal 1975 sorgte für erstaunte Gesichter, denn mit 78.000 Neufahrzeugen hatte BMW den alten Rekord von 1973 um rund 50 Prozent übertroffen. Besonders gut hatten sich dabei die Modelle 1502 und 518 verkauft – die allerdings so knapp kalkuliert waren, dass BMW zu diesem Erfolg schrieb: »Besonders bitter: gerade der 1502 und der 518 sind die Wagen, an denen BMW vergleichsweise weniger verdient. Das Unternehmen hat zwar neue Kunden, aber deshalb noch nicht recht viel mehr Geld in der Kasse.«{40}
Zweifellos hatte die Ölkrise den Markt in Bewegung gebracht und die Kräfteverhältnisse verschoben. Vor allem in die Reihen der größeren Hersteller mit ihren Volumenmodellen war Bewegung gekommen, denn die Volkswagen AG hatte sich von der Monokultur der heckgetriebenen Fahrzeuge mit Gebläsekühlung zugunsten von neuen Modellen mit wassergekühltem Frontmotor verabschiedet. Mit diesen neuen Modellen hatte der Wolfsburger Konzern endlich gängige moderne Technikkonzepte umgesetzt, was sich in überbordenden Verkaufszahlen niederschlug.
Dieser durchaus grandios zu nennende Erfolg von VW, direkt nach der verheerenden Ölkrise, brachte die Automobilkonzerne in Deutschland in Verlegenheit. Gerade die traditionellen Anbieter von Mittelklassemodellen wie Ford und Opel mussten erkennen, dass mit Volkswagen plötzlich ein ernstzunehmender Wettbewerber auf den Plan getreten war, über den man vorher eher gelächelt hatte. Fakt war: Während viele Autohersteller in Deutschland unter der Ölkrise stark gelitten hatten, ging VW aus dem vorangegangenen Desaster gestärkt hervor.
Unterdessen hatte Bob Lutz seit seinem Weggang von BMW die Marke Ford durch »Fortschritt durch Feinschliff« auf Kurs gebracht. Durch eine Verdoppelung der Neuwagengarantie von einem halben auf ein ganzes Jahr, eine deutlich umfangreichere Grundausstattung, strengere Qualitätskontrollen und eine modernisierte Optik der Fahrzeuge ging auch Ford gestärkt in die zweite Hälfte des Jahrzehnts. Ford war zwar kein direkter Wettbewerber von BMW – trotzdem dämmerte es in München manchem Manager, dass es wohl ein Fehler gewesen war, Bob Lutz nach so kurzer Zeit gehen zu lassen.
Abschied von der »Nischen-Modellpolitik«
Aus München verdichteten sich mittlerweile die Gerüchte bezüglich einer neuen Fahrzeugreihe, die unterhalb der 5er-Reihe angesiedelt sein sollte. Erwartet wurde eine Baureihe, die die kompakte zweitürige 02-Reihe beerben würde. Im Sommer 1975 schließlich rollten die ersten Modelle der 3er-Reihe von BMW (Werkscode E21) von den Bändern. Ebenso wie die 02-Modelle waren die Modelle der 3er-Reihe nur zweitürig lieferbar.
Vorerst sollte es die neuen Modelle ausschließlich mit den weiterentwickelten Vierzylindermotoren des Vorgängers geben. Wahlweise gab es ein Vier- oder Fünfganggetriebe. Was es grundsätzlich nicht gab, waren vier Türen, denn hier sollte der neue 3er ganz bewusst Distanz zur 5er-Reihe halten. Als kostengünstiges Einstiegsmodell behielt BMW jedoch die mit vereinfachter Ausstattung konzipierte Sparversion 1502 bis Juli 1977 im Programm.
Von ihren Proportionen und ihrem Design her kam die neue Baureihe gut bei den Kunden an, allerdings wurde die karge Optik der Stufenhecklimousine, die weitgehend auf Schmuckelemente an Front und Heck verzichtete, kritisiert. Von vorne gesehen wirkte der 3er wohl gut gelungen – von hinten jedoch wurde der direkte Blick auf das lackierte Rückblech zwischen den Heckleuchten kritisiert. »Nacktarsch«, so lautete die gängige despektierliche Bezeichnung für diesen Design-Fauxpas. Aus diesem Grund wurde schon wenige Monate nach Serienanlauf zwischen den Heckleuchten eine schwarze Kunststoffblende montiert, die auch nachträglich bestellt werden konnte.
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