
BMW 7er-Reihe: Nach 5 Jahren Entwicklungszeit und über 3 Millionen Testkilometern machte BMW im Frühjahr 1977 schließlich ernst mit dem Angriff auf Mercedes-Benz. Mit dem 7er (E23) präsentierten die Münchner ein ansprechendes Automobil für die Oberklasse. (Bild: nakhon100 / Wikimedia Commons)
Auch aus technischer Sicht brauchte sich der BMW 7er nicht vor dem Stuttgarter Wettbewerber verstecken, denn die Münchner Ingenieure hatten alle Register ihres Könnens gezogen. Mit dem Einsatz von digitaler Motorelektronik hatten die Entwickler zudem ein klares Zeichen gesetzt. Stolz fasste die BMW-Mitarbeiterzeitung BAYERNMOTOR die Serienausstattung zusammen:
»Serienmäßig sind der BMW 730 und der 733i mit Zentralverriegelung und alle drei Modelle [mit 728] mit Fond- und Vordertürenseitenbeheizung, integriertem Überrollbügel, elektronischem Tachometer und Tourenzähler und 85-Liter-Tank ausgestattet. Die Hohlraumversiegelung und der Unterbodenschutz, die eingearbeitete Service- und Reparaturfreundlichkeit, die Unterbringung des Erste-Hilfe-Kastens in der Mittelarmlehne, elektrisch einstellbarer Außenspiegel (auf Wunsch auch an der Beifahrertür), vorbereiteter Telefoneinbau, Rückstrahler an den Türen, getönte Rundumverglasung vervollständigen das Angebot.«{48}
Besonderes Augenmerk hatten die Entwickler zudem auf die Innenmaße gelegt, wobei sich diese bei allen wichtigen Werten wie Kopffreiheit und Raumangebot mit der S-Klasse mindestens ebenbürtig zeigten. Zum Marktstart waren die drei Modelle 728, 730 und 733i im Programm, die durchgängig mit den aus dem Vorgängermodell E3 übernommenen M30-Motorenausgerüstet wurden. Eine Sparversion mit vier Zylindern, so wie beim BMW 520 bereits vorexerziert, sollte es vom 7er nicht geben.
Bei Mercedes-Benz wurde durchaus registriert, mit welcher fahrzeugbauerischen Kompetenz das neue Münchner Flaggschiff konstruiert und gefertigt worden war. Nach dem Misserfolg des BMW »Barockengel« und der nachfolgenden Modellreihe Reihe E3 war der 7er nun unbestritten auf Augenhöhe mit der S-Klasse – eine neue Sachlage, die in Stuttgart nicht offen kommentiert wurde. Doch auch in München hielten sich Eberhard von Kuenheim und der Verkaufsvorstand Hans-Erdmann Schönbeck bedeckt. Als Angriff auf Mercedes-Benz, so erklärten beide unisono, sei der BMW 7er nicht zu werten, denn BMW und Mercedes-Benz seien ja zwei ganz eigenständige Marken.{49} Was BMW allerdings nicht zu bieten hatte, das war ein V8-Motor.
Besondere Sorgfalt und Energie wurde der Fertigungsqualität und der Verarbeitung des 7ers zuteil. Dies nicht ohne Grund, denn hier bildeten die Fahrzeuge von Mercedes-Benz immer noch die Messlatte, an die BMW bislang nicht heranreichte. Dies sollte sich nun mit dem 7er ändern, weil eine spürbar höhere Fertigungsqualität ganz oben auf der Prioritätenliste stand. Zum Vorgehen von Eberhard von Kuenheim erläuterte DER SPIEGEL: »Schon deshalb wird der neue BMW nicht im Münchner Stammwerk gefertigt, wo überwiegend Gastarbeiter werkeln. Im bayerischen Dingolfing dagegen, wo die „Siebener-Reihe“ vom Band laufen soll, legen überwiegend akkurate Niederbayern Hand an. Allein dieser Ortswechsel soll nach den Erfahrungen der Münchner die Fertigungsqualität spürbar verbessern.«{50}
Schließlich endete im Juli 1977 auch die Produktion des BMW 1502, der seit 1975 im Programm verblieben war. Immerhin 72.635 Exemplare waren von diesem Sparmodell von den Fließbändern gerollt. Als neues Einstiegsmodell fungierte nun der 316. Auch am anderen Ende der Leistungsskala gab es zum neuen Modelljahr Veränderungen, denn der Vierzylindermotor im BMW 320 wurde durch einen Motor mit sechs Zylindern ersetzt. Für die Entwicklung dieses Motors hatte BMW 110 Millionen DM (ca. 55 Millionen Euro) aufgewandt. Dabei hatten die Konstrukteure den neuen Motor so konstruiert, dass er schneller und kostengünstiger produziert werden konnte als die alten Motoren mit vier Zylindern.
Das präsentierte, inoffiziell als 320/6 bezeichnete Modell erhielt erstmals den neu entwickelten kleinen Sechszylindermotor M20{51}, der deutlich kürzer baute als der seit 1968 verwendete große M30-Motor. Der neue M20-Motor sollte künftig Hubraumvolumina von 2.000 bis 2.700 cm3 abdecken. Technisch gesehen unterschied sich der M20-Motor vom größeren M30-Motor grundlegend durch den Nockenwellenantrieb über Zahnriemen statt über Steuerkette. Auch dieser Motor eignete sich bestens für Tuningarbeiten, allerdings zeigte sich bald, dass der Zylinderkopf bei nicht regelgerecht warmgefahrenen Fahrzeugen zu Rissen neigte.
Neben dem Modell 320 mit 122 PS (90 kW) stand mit dem 323i, der den 320i ersetzen sollte, ein weiteres neues Modell der 3er-Reihe auf dem Messestand der IAA im Herbst 1977. Diese beiden 3er mit ihren Sechszylindern waren während der Messe von BMW-Enthusiasten umlagert – ein sicherer Hinweis darauf, dass das BMW-Marketing den Geschmack der Kunden wieder richtig eingeschätzt hatte. Mit seiner Bosch K-Jetronic-Benzineinspritzung leistete der 323i immerhin 143 PS (105 kW).
Eine weitere Attraktion war eine Cabrioversion des 3er-BMW, die bei der Baur Karosserie- und Fahrzeugbau GmbH in Stuttgart-Berg entstehen sollte. Dieses Baur Topcabriolet war ungewöhnlich konzipiert, denn statt eines Roadsterdaches rollte diese Version als »Sicherheits-Cabrio« mit zu öffnendem Targa-Dach und Überrollbügel zum Kunden. Die Fensterrahmen blieben erhalten, der hintere Teil des Daches konnte via Faltverdeck geöffnet werden. Baur-Chefkonstrukteur Hermann Wenzelburger und Karl Baur hatten sich damit für eine Konstruktion entschieden, wie sie bereits in ähnlicher Form beim BMW 2002 Baur Cabriolet von 1971 realisiert worden war. Allerdings waren von 1971 bis 1975 gerade einmal 2.317 Stück dieses Modells entstanden.{52}

BMW Baur Topcabriolet: Diese offene Version rollte mit Targa-Dach und Überrollbügel zum Kunden. Die Fensterrahmen blieben erhalten, der hintere Teil des Daches konnte via Faltverdeck geöffnet werden. (Bild: Boekenwurm / Wikimedia Commons)
Die Planer bei BMW vertrauten darauf, dass es unter den BMW-Kunden einen wachsenden Markt für ein solches Baur-Cabriolet gäbe, auch wenn der Preis deutlich über dem eines herkömmlichen Modells liegen würde. Fakt war: Der Porsche 911, bei dem diese offene Dachkonstruktion »Targa« getauft worden war, verkaufte sich recht ordentlich. Vertrieben werden sollte das Baur Topcabriolet ganz regulär mit voller Werksgarantie über das BMW-Händlernetz.
Expansion mit Licht und Schatten
Im Juni 1977 wurde von BMW mit einem Kapitaleinsatz von 3 Millionen DM (ca. 1,5 Millionen Euro) eine weitere Firma gegründet, die BMW Marine GmbH. Dort wurden Bootsmotoren entwickelt, die schon im Frühjahr 1978 auf den Markt kommen sollten. Diese Motoren entstanden auf der Basis der vorhandenen Vier- und Sechszylindermotoren mit einer Leistungsspanne von 120 bis 190 PS (86 bis 136 kW). Gekoppelt wurden diese »marinisierten« Motoren mit einem neu entwickelten Z-Antrieb, den BMW in Zusammenarbeit mit der Firma Hurth entwickelt hatte.
Zu diesen marinisierten Motoren erläuterte BMW in der Mitarbeiterzeitschrift BAYERNMOTOR: »Unter dem Stichwort „Marinisierung“ von BMW-Motoren läuft hier ein Projekt, das sich in den nächsten Monaten zu einer kleinen, aber leistungsfähigen Fabrik auswachsen wird. Denn Marinemotoren müssen in vielen Einzelheiten anders aussehen als Motoren für Luft oder Straße:
So erhalten die BMW-Bootsmotoren andere Kolben (für Regularbenzin) als die Ausführungen im Milbertshofener Werk.
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