Hierzu konkretisierte der Vorstandsvorsitzende: »Die Bayerischen Motoren Werke, so zeigt sich mit jedem neuen Modell, das auf den Markt kommt, verlassen mehr und mehr jene berühmte Nische, in der sie jahrelang ihre spezifische Kundschaft und damit ihren Rückhalt gefunden hatten. BMW begibt sich in die offene Arena. Mit drei breit aufgefächerten Modellreihen treten wir dort gegen vergleichbare Angebote der anderen Automobilhersteller an. Die Konkurrenz wird härter. Aber unsere Chancen sind groß, und wir werden sie wahrnehmen.«{43} Angesichts der Tatsache, dass BMW seinen Export im ersten Halbjahr 1976 um 50 Prozent gesteigert hatte, klangen die Worte von Eberhard von Kuenheim noch nicht einmal überheblich.
Unterdessen gab es eine gravierende Personalveränderung bei BMW, denn Paul Bracq, der München bereits 1974 verlassen hatte, erhielt nun einen offiziellen Nachfolger. Neuer BMW-Chefdesigner wurde der von VW/Audi kommende 42 Jahre alte Claus Luthe, der bereits als Gestalter des optisch und technisch außergewöhnlichen NSU Ro 80 aufgefallen war. Nicht wenige Autokenner sprachen aufgrund des Designs des Ro 80 gar von einem Meilenstein in der Automobilgeschichte. Doch es war ein offenes Geheimnis, das Paul Bracq bei BMW bereits an einer weiteren Modellreihe gearbeitet hatte, die alsbald präsentiert werden würde.
Im Sommer 1976 wurde dem 5er ein erstes, jedoch tiefgreifendes Facelift zuteil; insgesamt 41 Veränderungen und Verbesserungen wurden vorgenommen. Bei den Sechszylindermotoren wurde die Leistung um 5 PS (3,6 kW) angehoben. Optisch war der Facelift an der geänderten BMW-Niere im Kühlergrill zu erkennen, die jetzt wie beim 3er bis in die Motorhaube reichte und sich dort als Wölbung bzw. Hutze bis zur Frontscheibe fortsetzte. Weiterhin wurden größere Heckleuchten montiert, zudem war der Tankdeckel nun rechts hinten im Kotflügel montiert und nicht mehr rechts neben dem Nummernschild.
Auch wenn sich viele der Änderungen auf nebensächliche Bauteile wie Lüftungsgitter, Abdeckungen oder Klapptaschen bezogen, so war doch unterm Blech mehr verändert worden als es die optischen Modifikationen vermuten ließen. Neugestaltet wurden folgende Blechteile: »Gepäckraumboden, Abdeckung des Tankeinfüllstutzens, Vorderwand, Abschlusswand, Heizung, Luftleitblech, Trennwand Gepäckraum, Frontverkleidung Oberteil, Frontverkleidung Unterteil, Heckspiegel, Seitenwand hinten rechts und die Fronthaube.«{44}
Auch die Wettbewerber schliefen nicht: Neu waren die Anstrengungen, die Audi mittlerweile an den Tag legte. Das formulierte Ziel des Managements war, das Image eines Audi-Fahrers mit Hosenträgern, Hut und Wackeldackel auf der Heckablage abzustreifen. Stattdessen sollte Audi als Technologieführer im Automobilbereich aufgebaut und deutlich von VW abgegrenzt werden. Bei diesen Ambitionen mussten nicht nur Fachleute schmunzeln – dies vor allem mit Blick auf den technisch anspruchsvollen NSU Ro 80, der nur Verluste einfuhr.
Und war schon der alte Audi 100 als »Prokuristen-Mercedes« tituliert worden, so galt diese Einschätzung erst recht für den 1976 vorgestellten neuen Audi 100 C2. Er wurde in der oberen Mittelklasse direkt auf Augenhöhe der Platzhirsche Mercedes W 123 und 5er-BMW positioniert. Dabei konnte der Audi 100 im direkten Vergleich mit einem günstigen Preis und ansprechenden Fahrleistungen punkten.
Wie ernst es dem Audi-Marketing mit dem Imagewechsel war, zeigte sich in der Anstrengung, den Händlern angesichts der anspruchsvollen Klientel die entsprechenden Umgangsformen zu vermitteln. Statt leutselig Stammtischsprüche zu klopfen, wurde den Verkäufern in der zu diesem Zweck aufgelegten Verkaufsfibel beispielsweise geraten, mit dem neuen Audi 100 zu Tennisvereinen, Ausflugslokalen, Pferderennen, Yacht- und Jagdclubs zu fahren.
Im Bereich Motorrad reagierte BMW auf den Boom, indem zur IFMA (Internationale Fahrrad- und Motorradausstellung) im Herbst 1976 die neue BMW R 100 RS präsentiert wurde. Damit war sie eine der ständig von Besuchern umlagerten Hauptattraktionen der Veranstaltung. Unter dem Sammelnamen »Strich-Sieben« hatten die Ingenieure ein Modell konstruiert, in dessen Rahmen der traditionelle, per Fahrtwind gekühlte Boxermotor hing. Gemäß der BMW-Tradition erfolgte der Antrieb über eine Kardanwelle, gebaut wurde das neue Modell im Motorradwerk Berlin.
Neu war die von Motorrad-Chefdesigner Hans-Albrecht Muth im Windkanal ausgetüftelte Vollverkleidung, die weltweit erstmals bei einem Serienmotorrad rahmenfest montiert war. Damit bot die BMW R 100 RS nicht nur optimalen Wetterschutz, sondern blieb auch bei hohen Geschwindigkeiten beherrschbar und spurtreu. Neben einer stattlichen Reduzierung der Seitenwindempfindlichkeit hatte das Designerteam den Anpressdruck auf das Vorderrad um 20 Prozent gesteigert. Laut Angaben von BMW konnte so die Gierrate um 64 Prozent gesenkt und damit die Fahrstabilität unmittelbar verbessert werden. Beileibe keine Banalität, denn: Gerade die Beherrschbarkeit bei Geschwindigkeiten über 130 km/h war 1976 keineswegs selbstverständlich – die tödlichen Unfälle mit dem schweren Tourer Honda Goldwing legten davon beredtes Zeugnis ab.
Der mit Spannung erwartete Geschäftsbericht glänzte mit Superlativen, wobei im Geschäftsbericht 1976 erstmals zwischen der »BMW AG«, dem »BMW Konzern« sowie der »BMW Gruppe« unterschieden wurde. Die Umsätze der BMW AG waren darin um 31,7 Prozent gestiegen, das Gesamtkonzernergebnis sogar um 35,5 Prozent höher angegeben. Ebenso waren die Fahrzeugverkäufe deutlich gesteigert worden, was sich in Verbindung mit den Preiserhöhungen der letzten Monate in einem satten Jahresgewinn von 126 Millionen DM (ca. 63 Millionen Euro) niederschlug. Wie bereits im Vorjahr bildete der mit 0,3 Prozent rückläufige Motorradabsatz im Ausland die einzige negative Zahl des Jahresvergleichs im Geschäftsbericht.{45}
Zur Situation von BMW schrieb die FAZ anerkennend: »Der bayerische Wunderknabe der Automobilindustrie kann sich derzeit ohne Mühe auch als wirtschaftspolitischer Musterschüler präsentieren. BMW schafft neue Arbeitsplätze, investiert so viel wie noch nie und ist zudem ausgesprochen innovationsfreudig. Das Unternehmen ist auch keiner jener „opinion leaders“ in der Industrie, die bei günstiger eigener Situation den Hintergrund grau in grau ausmalen.«{46}
Ende der Modelloffensive
Das Jahr 1977 startete mit der Nachricht, dass in Berlin-Spandau auf dem bereits vorhandenen Gelände ein neues Motorradwerk gebaut würde. Parallel dazu sollten die bereits vorhandenen Gebäude saniert und bis 1978 ein zentrales Ersatzteillager für BMW-Motorräder errichtet werden. Insgesamt 100 Millionen DM (ca. 50 Millionen Euro) wollte die BMW Motorrad GmbH dort bis zum Jahr 1982 investieren. Bei der Motorenentwicklung zeigte sich Motorrad-Entwicklungschef Dr. Dietrich Reister konservativ. Statt wie die japanischen Hersteller die technische Entwicklung voranzutreiben, wollte Reister unverändert den luftgekühlten Boxermotor mit einem Kardanantrieb kombinieren, denn die »Zeit der großen Steigerungen bei Leistung und Höchstgeschwindigkeit der Motorräder werde zu Ende gehen«{47}.
Während BMW im Motorradbereich expandierte, war unterdessen im Automobilbereich die Spannung groß: Nach 5 Jahren Entwicklungszeit und über 3 Millionen Testkilometern machte BMW im Frühjahr 1977 schließlich ernst mit dem Angriff auf Mercedes-Benz und präsentierte ein eigenes Automobil für die Oberklasse. Dies war eine durchaus spannende Entwicklung auf dem deutschen Automarkt, denn Opel verabschiedete sich gerade aus der prestigeträchtigen Oberklasse, in der die Rüsselsheimer keine Zukunft mehr sahen. Die drei Modelle Kapitän, Admiral und der mit V8-Motor ausgerüstete Diplomat (KAD-Klasse) wurden fortan durch den deutlich kompakteren Opel Senator und das biedere Coupé Opel Monza ersetzt.
Bei einem Blick auf die Optik der 7er-Reihe (E23) zeigte sich die logische und konsequente Fortführung des eingeschlagenen Designwegs der vergangenen Jahre. Auf der einen Seite sportlich und repräsentativ – andererseits klar, schnörkellos und ohne jeglichen barocken Zierrat. Natürlich kam als kennzeichnendes Merkmal auch der »Hofmeister-Knick« wieder zum Einsatz, wobei das 1976 vorgestellte 6er Coupé bereits viele Design-elemente vorweggenommen hatte.
Читать дальше