Gerhard Gemke - Cave Cobaltum

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Im Salzstock Helldor soll Atommüll endgelagert werden! Die Bundesregierung ist froh, nach dem Asse-Desaster endlich eine Lösung für ihr größtes Problem gefunden zu haben, besonders jetzt, wo der Atomausstieg beschlossen ist und nach der Fukushima-Katastrophe die Angst vor dem kontaminierten Abfall wächst. Noch dazu stehen entscheidende Wahlen an. Doch ist bei der Helldor-Genehmigung alles sauber gelaufen, oder wurden gewisse Personen unter Druck gesetzt? Offenbar hat der krumme Graf Kronk seine Finger im Spiel, der auf seiner düsteren Burg Mordent sitzt und auf Rache an den Helldor-Kobolden sinnt, mit denen er eine Jahrhunderte alte Rechnung offen hat.
Ela und die WAAMPIRE geraten zwischen die Fronten einer Kobold-Fehde, und Kommissar van der Velde, der eigentlich zwei mysteriöse Salzmorde aufklären soll, glaubt bis zum Schluss nicht an Zauberei. Und an Kobolde schon gar nicht.
Ein Fantasy-Krimi um unerklärliche Morde, die Verstrickung einer Kleinstadt in alte Geschichten von Gier und Verrat, zwei verfeindete Kobold-Stämme und den Kampf der Weißenhaller WAAMPIRE für den Erhalt des Helldor-Stollens und der wahren Rolling Stones.

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Gerhard Gemke

Cave Cobaltum

Ein Fantasy-Krimi

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Inhaltsverzeichnis

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Impressum neobooks

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Verborgen liegt das Wort

unter blauer Flut

an rundem gläsernen Ort.

Sag es und alles wird Stein,

dreh es und totes Gebein

wird dein Diener sein.

***

Welchen Tod würde er wählen?

Mit geübten Handgriffen machte der Pilot die Cessna startbereit. In der sengenden Sonne, die die Luft über dem Rollfeld vibrieren ließ, kontrollierte er die Höhen- und Seitenruder, prüfte den Treibstoff und checkte die Geräte. Wollte er als Granitblock enden, oder in einem Feuerball verglühen? Jade tippte auf das zweite. Mit halb geschlossenen Augen betrachtete sie den Schweißflecken auf seinem Rücken, der schnell größer wurde und aussah wie ein Clownsgesicht.

Al Mandin, der Pilot. Ausgerechnet jetzt hatte er sie zu einem Flug eingeladen. Jade fragte nicht nach dem Grund, sie kannte ihn längst. Und was interessierte sie die Antwort eines Todgeweihten? Ihm blieben noch zwei Stunden, vielleicht nur eine einzige. Am Ende dieses Tages würde er Geschichte sein. Endgültig.

„Hi, wie seh ich aus?“

Jade drehte den Kopf möglichst langsam in Richtung der schrillen Stimme. Passagier Nummer drei. Ein sehr offensichtlich weibliches Wesen, das auf hochhackigen Stiefeletten durch das taunasse Gras stakste. Sie hatte sich soeben im Seitenspiegel eines LKW die Lippen nachgezogen, zur Freude der beiden Fahrer, die im Spiegel Beatrix bis zum Bauchnabel inspizieren durften.

Beatrix. Sugarbaby.

Kollateralschaden, sorry , dachte Jade und betrachtete die aufgespritzten grellroten Lippen. Worauf Kerle so standen. LKW-Fahrer. Und Piloten. Vermutlich werden die Dinger beim Aufprall platzen und blutigen Botoxbrei verspritzen. Jade lächelte, weil ihr die Vorstellung gefiel.

„Huhu, meine Liebe.“

Das Botox wurde zu einem Kussmund verformt und Jades Schultern verkrampften sich, als Beatrix ihren verschwitzten Arm darum legte und sie in Als Richtung schob.

„Ich stehe auf arbeitende Männer“, hechelte Sugarbaby.

Jade wand sich aus der Umklammerung. Sollte sie noch ein letztes Mal auf irgendetwas stehen. Auch ihre Zeit war abgelaufen, definitiv. Jade sah sich um. Der Start war für neun Uhr vorgesehen. Die Flugplatzuhr zeigte elf Minuten vor. Es fehlte noch der vierte Passagier. Der hatte sich erst vor wenigen Tagen angemeldet. Ein Bekannter , hatte Al genuschelt, der dringend nach Berlin müsse und wegen des Pilotenstreiks keine Linienmaschine nehmen könne.

Muss ich mitnehmen .

Nun gut. Jade war am Ende ihres Weges angekommen. Sie war nicht mehr bereit, Rücksichten zu nehmen, auf nichts und niemanden. Um Beatrix tat es ihr nicht leid, um den unbekannten vierten Mann ebenfalls nicht. Jade hatte unwiderruflich beschlossen, dass es vorbei war. Und Al durfte seinen Weg ins Jenseits selbst wählen – zumindest in einem begrenzten Rahmen. Einem von ihr begrenzten Rahmen.

Versteinern oder verglühen.

Al schaute auf und lächelte an Beatrix vorbei in ihre Richtung. Jade lächelte zurück. Es war Sonntag, der 10. Juli, der bisher heißeste Tag des Jahres, drei Monate, nachdem alles begann, drei Monate für die Strecke vom Leben zum Tod.

Drei Monate und eine Woche vorher, Sonntag, 3. April, Weißenhall. Eine halbe Stunde vor Mitternacht.

Ela lauschte in die Stille des dunklen Hauses. Hatte sie ein Geräusch gehört? Draußen schlugen die Zweige der Buche gegen die Hauswand. Eine windige Nacht kündigte sich an, viel zu kalt für die Jahreszeit. Ela wandte sich wieder ihrem Laptop zu, sie hatte sich wohl getäuscht. Das Chatfenster der WAAMPIRE-Seite war geöffnet. Niemand war noch on, außer MissVerständnis . Die letzten Einträge zeigten die üblichen Verabschiedungssprüche der anderen. Bis(s) neulich, cu, halt dich grade, keep smiling und so weiter. Gähn .

Ela hatte sich längst ebenfalls ausloggen wollen und das müde Geschwätz heute Abend nur ertragen, weil sie auf Beryll wartete. Die Lösung der dritten Matheaufgabe hatte sie ihm versprochen. Wie kann ein Läufer A einen Läufer B überholen, wenn A doppelt so schnell ist, B aber 100 Meter Vorsprung bekommt? Sobald A den Startpunkt von B erreicht hat, ist B schon 50 Meter weiter. Wenn A diesen neuen Startpunkt erreicht, ist B aber längst 25 Meter voraus. Der Abstand halbiert sich also ständig, aber A kommt nie an B vorbei. Oder doch?

Da war es wieder, ein Knirschen von Schuhsohlen auf Kies. Ela schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Der Bildschirm tauchte das Zimmer in fahles Licht, gerade hell genug um dem Chaos auf dem Boden auszuweichen. Auf Zehenspitzen näherte sie sich dem Fenster und schob den Vorhang zur Seite.

Der Bürgersteig vor dem Haus war menschenleer. Der Wind, der laut Wetterbericht im Laufe der Nacht Sturmstärke erreichen sollte, zerrte an den Buchenästen. Elas Aufmerksamkeit richtete sich auf die Straße, dann auf den Schatten des Rhododendrons bei der Haustür. Die Tür selbst konnte sie nicht erkennen, dafür aber ein helles Rechteck, das sich unruhig auf und ab bewegte. Das Display eines Smartphones. In seinem Widerschein tauchte ein Wolfsgesicht auf, vorstehende Schnauze und tiefe Augenhöhlen. Eine optische Täuschung natürlich.

Gleichzeitig hörte sie Telefonklingeln unten im Haus und Sekunden später die Stimme ihres Vaters. Absätze knallten auf den Steinfußboden und die Haustür wurde geöffnet. Mit einem Sprung hatte der Wolf den Schatten verlassen und war im Haus verschwunden. Für einen Moment hatte Ela in das bärtige Gesicht geblickt, in die Augenkrater. Blitzschnell war sie zurückgewichen, so hastig, dass der Vorhang flatterte. Hatte er die Bewegung bemerkt? Unten im Haus hörte sie Stimmen. Unverständliche Worte, eindeutig wütender als beim ersten Besuch des Wolfs vor drei Wochen.

Ela kannte die Fußbodendielen ihres Zimmer genau genug, um lautlos zur Zimmertür zu gelangen. Ihre Knie knackten, als sie sich hinhockte und das Ohr ans Schlüsselloch presste.

„… Operation beginnen!“, verstand sie. Ihr Vater antwortete, aber zu leise. Es folgte ärgerliches Gemurmel, bis die Stimme des nächtlichen Besuchers wieder lauter wurde. Eine letzte Frist! Und dann das Wort Bergfrieden , das als Echo in ihrem Kopf widerhallte. Oder war es ihrer überdrehten Fantasie entsprungen, die sich in diesem Moment ausmalte, wie sich das Gesicht des Wolfes dem ihres Vaters näherte. Ela glaubte seinen stinkenden Atem riechen zu können, als er Noch eine Woche knurrte.

Sie warf einen schnellen Blick zum Bildschirm. Dort hatte ein kaum hörbares Pling das Eintreffen eine neue Nachricht angekündigt. Beryll war jetzt on. Ela wagte nicht aufzustehen, sie hatte Angst, dass das Knacken ihrer Knie sie verraten würde. Erst als die Haustür ins Schloss gefallen war, erhob sie sich. Mit wenigen Schritten stand sie am Fenster. Von dem bärtigen Besucher war schon nichts mehr zu sehen. Verlassen lag der Asphalt im gelben Licht der Straßenbeleuchtung. Eine Katze huschte über die Fahrbahn, auch sie schwarz wie die Augenhöhlen des Wolfs. Für eine Sekunde spiegelte sich das Laternenlicht in ihren phosphoreszierenden Pupillen, dann hatte sie die Nacht verschluckt. Der Wind hatte mittlerweile weiter zugelegt. Vier hohe und zwölf tiefe Glockentöne wehten in Fetzen vom Kirchturm herüber. Mitternacht.

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