Hayashi lehnte mit der Begründung ab, dass das gegen die Regeln und Etikette der Gesellschaft verstoßen würde. Reiki würde traditionell nur in Japan praktiziert und nur von Japanern. Und vor allem würden Heilmethoden ausschließlich an Männer weitergegeben. Eine Frau zu unterrichten, erschien damals absurd. Doch Takata bewies Hartnäckigkeit. Sie bat den Arzt, der sie operieren sollte, um Unterstützung. Dieser schrieb eigenhändig, mit Pinsel und Tinte einen Brief an Doktor Hayashi, in dem er ihn darum bat, Takata doch Reiki beizubringen. Es habe bei ihr derart erfolgreich gewirkt, dass es sinnvoll für sie sei, sich selbst und auch ihre Familie in der Heimat weiter zu behandeln. Hayashi war sehr beeindruckt von dem Engagement des Arztes. Er berief eine Sitzung aller Mitglieder seiner Reikigesellschaft ein und zeigte ihnen die Bittschrift.
Takata wurde daraufhin als Ehrenmitglied akzeptiert und durfte am nächsten Training teilnehmen. Nachdem sie die Ausbildung bei Hayashi beendet hatte, ging Takata im Sommer 1937 nach Hawaii zurück. Kurze Zeit späte folgte ihr Hayashi für ein halbes Jahr dorthin, um seiner Schülerin zu helfen, ihre Arbeit mit Reiki vor Ort zu etablieren. Am Ende seines Aufenthalts kamen viele Freunde und Reiki-Anhänger zum Abschiedsfest und brachten Geschenke, um ihre Dankbarkeit zu zeigen. Bei dieser Gelegenheit verkündete Hayashi öffentlich, dass Takata nun anerkannte Reikimeisterin sei. Auf diesem Wege war Reiki über die Landesgrenzen Japans hinaus in die Welt gelangt.
Als Hayashi seinen Freitod vorbereitete, entschied er gemeinsam mit der Familie, dass Takata seine Arbeit fortführen und die „Große Meisterin“ des Usui-Systems sein solle. Für Takata bedeutete dies nicht nur einen Ehrentitel, die Nachfolge beinhaltete zugleich die Übernahme des Grundstücks und die Verantwortung für die Klinik in Tokio. Takata hatte ihre Kinder allerdings auf Hawaii gelassen und wollte sie auch dort aufwachsen sehen. Also beriet sie sich mit Frau Hayashi und beide beschlossen gemeinsam, dass diese die Klinik ihres Mannes bis zur Rückkehr Takatas kommissarisch fortführen würde. So kehrte Takata zurück nach Hilo, wo sie bereits eine Reikiklinik gegründet hatte, und betreute ihre Kinder, bis diese erwachsen waren.
Einige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reiste Takata zurück nach Tokio, um die Reikiklinik zu übernehmen. Überraschenderweise stand das Gebäude noch, während die Umgebung durch den Krieg in Schutt und Asche gelegt worden war. Sie machte auch Frau Hayashi ausfindig, die Flüchtlinge aufgenommen und ihnen Unterkunft geboten hatte. Takata übergab Frau Hayashi formell das Haus zurück und kehrte Anfang der 1950er Jahre heim nach Hawaii.
Dort praktizierte und unterrichtete sie erfolgreich die nächsten 30 Jahre lang. Sie erkannte, dass Reiki für jeden hilfreich und praktisch ist, der sich auf den Weg macht. Sie hatte die Idee, Familienmitglieder in Reiki einzuweihen, damit sie fortan kranke Angehörige behandeln könnten. Sie hatte auch die Idee, Reiki in den Alltag zu integrieren, so wie Essen, Zähneputzen und Schlafen dazugehören.
In ihren 40 Jahren als Reikimeisterin weihte Takata viele Menschen in das Usui-System ein. Kurz vor ihrem Tod 1980 übertrug sie 22 Menschen, die aus aller Welt gekommen waren, die Reikimeisterschaft. Sie gab ihnen den Auftrag, Reiki in die Welt hinauszutragen. Unter diesen Botschafterinnen war auch Phyllis Furumoto. Nach Takatas Tod übernahm Phyllis die Aufgabe, das Usui-System der natürlichen Heilung in Form und Essenz zu halten, unter Anerkennung der „Reiki Alliance“, einer Vereinigung von Reikimeisterinnen und -meistern, die sich direkt nach Takatas Tod gebildet hatte.
Die Generationenfolge der „Grandmasters of Reiki“, auf Deutsch sagen wir heute „Reikigroßmeister“, lautet also:
Doktor Mikao Usui, Doktor Chujiro Hayashi, Hawayo Takata, Phyllis Lei Furumoto. Phyllis Furumoto ist die heute amtierende Großmeisterin in dieser traditionellen Reikilinie.
Meine Geschichte mit Reiki
„ Reiki heißt übersetzt: Universelle Lebensenergie.
Wie wir diese Kraft aus dem Universum für uns und andere nutzen können, das werde ich euch in den nächsten Tagen zeigen…“
So habe Hawayo Takata stets ihre Workshops begonnen, erzählte Helen Haberlein, eine gute Freundin von ihr. Wir saßen im Frühjahr 1992 an einem runden Tisch in der noch sanften spanischen Mittagssonne und genossen unsere Pause. Meine Kollegin und Freundin Dorothea Selisch hatte mich überzeugt, mit ihr zum Reikimeistertreffen der Alliance zu fahren, auf dem ich auch Phyllis Furumoto, unsere derzeitige Großmeisterin, kennenlernen sollte. Da ich gerne reise, war ich sofort dabei – und fand mich in einer großen Gemeinschaft unterschiedlichster Menschen wieder. Gemein hatten wir die Liebe und Leidenschaft für Reiki und den Wunsch, die traditionelle Lehre so dicht wie nur möglich zu erfassen, verstehen und weiterzugeben.
Für mich als junge Frau und noch frischgebackene Reikimeisterin war dieser Prozess eine spannende Angelegenheit. Ich war bereits 1991 von Doris Sommer in den Schweizer Alpen in den III. Grad eingeweiht worden. Das war der erste Schritt in meine Meisterschaft gewesen. Hier in Spanien ging ich den nächsten Schritt: Ich begann, Phyllis Furumoto zuzuhören.
Den Anstoß für meinen Weg mit Reiki gab Dorothea Selisch. Es geschah im Sommer 1984 in der Bielefelder Einkaufszone. Sie stürmte auf mich zu: „Ashara, das muss ich dir erzählen: Ich habe gerade ein tolles Wochenende hinter mir, das musst du auch machen, unbedingt…“
„Oje“, dachte ich, „schon wieder so was Neues, Seltsames…“ Das waren tatsächlich meine ersten Gedanken zu Reiki. Und meine Skepsis verminderte sich überhaupt nicht, als sie mir mehr erzählte.
„Es ist fantastisch, ganz einfach, im Grunde muss man gar nicht viel tun. Man gibt sich selbst oder anderen eine Behandlung, und man fühlt sich total wohl, währenddessen und nachher. Und dann heilt es auch noch.
Ich kann dir sagen, es ist unheimlich viel passiert an diesem
Wochenende, das ist mein Ding.“ Dorothea war begeistert und ich konnte nicht wirklich glauben, was sie da alles erzählte. Ich war kritisch und skeptisch und fürchtete, sie mache sich da etwas vor. Sie bot an, mir 4 „Sessions“ zu geben. Ich wehrte dankend und lachend ab. Ich brauchte „so was“ nicht.
Doch sie war meine Freundin, ich schätzte sie mit ihren Ideen und Einsichten. Außerdem war ich sehr neugierig. Also ließ ich mich trotz Skepsis darauf ein. Diese ersten 4 Behandlungen an 4 aufeinander folgenden Tagen erinnere ich als unglaublich spektakulär. Nach der ersten Behandlung – ich hatte eigentlich nicht viel bemerkt – stand ich auf, wir sprachen noch etwas, ich ging auf die Straße und setzte mich auf mein Fahrrad. Erst da merkte ich, dass ich mich selbst und die Welt um mich herum ganz anders wahrnahm. Viel deutlicher und heller, leichter. Ich fühlte mich auf besondere Art berührt, auf neue Art lebendig. Mein Kopf versuchte zu bagatellisieren: „Das kommt nur durch die Berührung, wann wird man schon mal eine Stunde absichtslos berührt?“ Doch mein Zustand war nicht zu bagatellisieren. Ich fühlte mich neu, und zwar anhaltend. Das war beeindruckend. Mit den nächsten Behandlungen schmolz mein Misstrauen sozusagen dahin und die skeptische Stimme in mir verlor an Gewicht. Ich spürte deutlich, das Reiki etwas mit mir machte, etwas Gutes – wenngleich ich es auch noch nicht näher beschreiben konnte.
Kurze Zeit später starb meine Mutter. Dorothea begleitete mich als Freundin in meiner Trauer. Sie riet mir, Reiki selber zu lernen, vielleicht könne mir das helfen. Ich folgte ihrem Rat und meldete mich sehr bald für den I. Reikigrad an.
Читать дальше