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Meine Jugend im III. Reich
und im Chaos der Nachkriegszeit
Bericht eines Zeitzeugen des Jahrgangs 1932
von
Rolf H. Arnold
Arnold, Rolf H. Me ine Jugend im III. Reich und im Chaos der NachkriegszeitBericht eines Zeitzeugen des Jahrgangs 1932 Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin www.epubli.deCopyright © 2012 Rolf H. Arnold Alle Rechte vorbehalten
Diese Aufzeichnungen erfolgten auf Anregung
meiner Cousine Eleanor Nielson und ihrer Tochter Susan Goldstein, New York, die mich motiviert haben, „alles einmal aufzuschreiben“.
Ich widme diesen Bericht meiner Enkelin
Emily Arnold.
Ich möchte, dass sie später einmal lesen kann,
unter welch ungewöhnlichen Verhältnissen
ihr Opa seine Jugend verbracht hat.
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort9
Herkunft
Die Wurzeln laut Ahnenpass 10
Die dänische Komponente 14
Die Nachkommen der Familie Schmidt in den USA 17
Die Nachkommen der Familie Arnold in den USA 19
Ein Großvater, der auf der Walz in Hamburg blieb 34
Eine Dänin als Großmutter väterlicherseits 38
Wenden als Großeltern mütterlicherseits 42
Aus dem 1. Weltkrieg nichts gelernt 56
Sonstige Verwandtschaft
Onkel Artur auf der Yacht „Hohenzollern“ des Kaisers II. 58
Onkel Otto in Norwegen „auf der Flucht erschossen“ 63
Onkel Harald, ein Däne als Patenonkel 69
Tante Else und Onkel Franz - ein ungleiches Paar 72
Kindheit
Die ersten 7 Kinderjahre im Hamburger Stadtteil Horn 77
Sommerfrische in der Laubenkolonie im Horner Moor 87
Der erste Kontakt zu einem SA-Mann 90
Im Fangnetz der neuen Straßenbahn 93
Durch den Umzug nach Harvestehude den Krieg überlebt 95
Jugend im Krieg
Mit Adressschild auf der Brust mit 8 Jahren in die Fremde 99
Bei Tante Olga im mittelalterlichen Duderstadt 103
Duderstadt nach dem Krieg im Zonenrandgebiet 113
Ein halbes Jahr bei Pflegeeltern in Kopenhagen 118
Mit 10 Jahren voller Stolz als Pimpf zum Jungvolk 124
Mit viel Glück die Luftangriffe auf Hamburg überlebt 132
Ein hoffnungsloser Brief meines Vaters vom 15. 9. 1943 146
Im Kinderlandverschickungslager in Gößweinstein 152
Das Kriegsende glücklich überlebt
Noch Mitte März 1945 in ein neues Lager an der Ostsee 205
Zurück in das zur Festung erklärte Hamburg 208
3. Mai 1945 – Hamburg kapituliert bedingungslos 209
Wie ich den Einmarsch der Engländer in Hamburg erlebte 209
Die Verhaftung meines Vaters durch die Engländer 212
Die Stunde Null – der totale Zusammenbruch des Staates 214
Opferzahlen des Krieges 217
Kriegskinder 219
Pubertät im Chaos der Nachkriegszeit
Unvorstellbar große Wohnungsnot 221
Trümmerbeseitigung 224
Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes 229
Die große Hungersnot in den Städten 231
Lebensmittelkarten 232
Die Schulspeisung 238
Größter Mangel an Kleidung und Schuhen 240
Schwarzer Markt mit der Zigarette als Ersatzwährung 246
Mit 14 Jahren an der Schwelle zum Millionär 250
Das „Hamstern“ der hungernden Stadtbevölkerung 253
Chaotischer Zugverkehr 259
Kohlenklau und andere Vergehen in schlimmen Zeiten 262
Verwundete Soldaten prägten das Stadtbild 271
Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft 271
Schulunterricht vor großen Problemen 274
Unsere Rettung kam aus Amerika: CARE-Pakete 278
Das Elend der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen 283
Die Abschulung wird empfohlen – ein Schock 285
Die Währungsreform beendete die allgemeine Not 291
Die Blockade Berlins durch die Sowjetunion 294
Mit sechzehn Jahren unter 130 hübschen Mädchen 297
Attraktives Angebot: Karriere und Einheirat 310
In der Nordseebrandung an der Grenze des Lebens 311
Unterricht in den Dünen von Wenningstedt/Sylt 317
Das „Arbeitergymnasium“ mit eigenem Ruderklub 324
Erich, der Löwe, als erster Steuermann 326
Eine Seefahrt ist nicht immer lustig 330
Es war in Urach – Eleanora hieß sie – ich war 18 335
Unsere letzte Klassenreise 347
Unsere Lehrer 349
Die Qual der Berufswahl 355
Danksagung 361
Literaturhinweise362
Glossar370
Zeitschiene392
Ceterum Censeo:
Plädoyer für eine modernisierte Friedhofskultur 403
Diesen Bericht habe ich nach bestem Wissen und Gewissen so geschrieben, wie ich die Dinge erlebte und sie erinnere. Das schließt nicht aus, dass das eine oder andere auch Aspekte hat, die mir nicht bekannt waren oder an die ich mich nicht erinnere. Diese Schrift ist also durchaus subjektiv, dessen bin ich mir bewusst.
Ich möchte meiner Enkelin Emily und mit ihr anderen jungen Menschen von einer Zeit erzählen, die es heute hier glücklicherweise so nicht mehr gibt. Auch diese jungen Menschen haben in unserer Zeit mit vielen Problemen zu kämpfen, aber generell sicherlich nicht in der existentiell bedrohlichen Form, wie es damals insbesondere bei der städtischen Bevölkerung in Deutschland die Regel war. Vielleicht hilft es ihnen, ihre Probleme zu relativieren und somit leichter zu tragen, wenn sie von den lebensbedrohenden Herausforderungen lesen, die die Jugendlichen aus den Städten in den Kriegs- und Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkrieges zu bewältigen hatten.
Mit meiner Geschichte beschreibe ich die Zeit, die ich erlebt habe, in der es uns in Deutschland mit Bombenkrieg in den Städten, Flüchtlingselend, Vertreibung und in den ersten drei Jahren nach dem Krieg mit Hunger, Not und Elend sehr schlecht ging. Deshalb ist es mir wichtig, vorab zu betonen, dass ich nicht aus dem Auge verliere, dass dies alles geschah, nachdem die Deutschen eine Partei in die Regierung gewählt hatten, die Judenverfolgung zum Regierungs-programm erhob und bereits Jahre vor dem Kriege eine Reihe gesetzesbrecherischer Maßnahmen zu verantworten hatte. Was ich beschreibe, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die deutsche Reichsregierung vorher in blutigen Angriffskriegen Nachbarvölker unterjocht hatte und in Konzentrationslagern systematisch grauenvolle Untaten beging, die alle vorstellbaren Dimensionen sprengten.
Rolf H. Arnold im September 2012
Herkunft
Die Wurzeln gemäß Ahnenpass
Im April 1933 erließ die Reichsregierung das „ Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, gemäß dem alle Beamten einen Ahnenpass erstellen mussten. Auch mein Vater hatte daher, als er 1937 Beamter wurde, den Nachweis zu erbringen, dass er „ arischer “ Abstammung “ war und sein „ Blut “ – gemeint waren wohl die Gene – von „ artfremden Einflüssen rein “ geblieben war.
Dieses Gesetz bot den nationalsozialistischen Machthabern die Möglichkeit, politische Gegner und insbesondere jüdische Beamte aus dem Dienst zu entfernen. Beamte, die ihre arische Abstammung nicht nachweisen konnten, weil sie etwa einen jüdischen Großelternteil im Stammbaum hatten, konnten entlassen oder in den Ruhestand versetzt werden. Ausnahmeregelungen gab es auf Intervention von Hinden-burg zunächst noch für „Frontkämpfer“ und für Beamte, deren Vater oder Sohn im Ersten Weltkrieg als Soldat gefallen waren, sowie für diejenigen, die vor 1914 verbeamtet wurden. Mit der „ Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom November 1935 wurden jedoch auch diese Ausnahmeregelungen beseitigt. Alle noch verbliebenen jüdischen Beamten mussten aus dem Dienst ausscheiden. Der Beamtenstatus blieb „ Deutschblütigen “ vorbehalten.
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