Er verhält sich wie ein Kind in Erwartung des Christkindes. Schmiedet Pläne. An bestimmten Abenden wird er zur Untermalung auf dem Saxophon spielen. Dieses Instrument beherrscht er perfekt.
(In Wirklichkeit kann er nicht eine Noten lesen.)
Eine neue Küche, am Besten eine komplett neue Einrichtung muss her, alles wie immer, nur vom Feinsten. Zufällig ist gerade die Gastronomie-Messe in Köln. „Schatz hier holen wir uns Anregungen, vielleicht finden wir auf Anhieb das Richtige und kaufen sofort. Mir schwebt schon etwas vor.“ Zu meinem Glück kommt es nie zu einem Kaufvertrag, auch der Pachtvertrag ist noch nicht unterzeichnet. „Wir müssen so schnell wie möglich in die Türkei, in die Schweiz und nach Belgien, dann mach ich mein Hasenherz zur reichsten Frau Kölns.“
(Er wiederholt sich oft, verspricht vieles, widerspricht sich nie. Sicher hat er seine Lügenmärchen schon zu oft erzählt.)
Einige Tage später ruft uns der Besitzer vom Deep an. Im Laufe des Gespräches erfahren wir, dass es für das Lokal keine Küchengenehmigung gibt, Bestimmung vom Ordnungsamt. So fallen unsere Träume allesamt mit einem Schlag ins Wasser. Nun erst Recht. Der Gedanke, ein Speiselokal zu eröffnen, hat sich so in Peters Kopf festgesetzt, dass er noch am gleichen Tag unseren Makler anruft und ihn mit der Suche nach einer passenden Immobilie beauftragt. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, es pressiert ja nicht. Rom ist schließlich auch nicht an einem Tag entstanden. Wir decken uns mit Fachliteratur ein. Ich zeige für alles größtes Interesse. Seine Weinlieferanten muss er unbedingt kontaktieren. Wir besuchen sogar ein Weinseminar. Ich mache alles voller Begeisterung mit.
Am 19. Februar 2002 komme ich nachmittags von einem Kosmetikbesuch nach Hause. Peter ist meines Glaubens arbeiten.
(In Wirklichkeit darf er sich nicht mehr in die Nähe der Praxis wagen. Er hat dort eine größere Menge Zahngold und sonstiges Material gestohlen, einen Vorschuss für Arbeiten kassiert, die er gar nicht beabsichtigt, auszuführen. Auch hier läuft eine Anzeige gegen ihn. )
Peter ruft mich tagsüber mehrfach aus der Praxis an und erkundigt sich, was ich gerade mache und wie es mir geht. Er ist ja so ein besorgter Mann. Als ich heute seine Stimme am Telefon vernehme, weiss ich sofort, da stimmt etwas nicht. Und tatsächlich, er ruft aus Hamburg, nicht aus Düren an. Er ist aufgeregt und tut sehr geheimnisvoll. Auftrag von Pauliano! „Du musst so schnell wie möglich nachkommen. Packe das Nötigste zusammen. Ich habe dir schon die Fahr- und Platzkarte von hier aus reserviert. Du musst sie nur noch am Serviceschalter des Kölner Bahnhofs abholen und in den nächsten Zug steigen. Und Maus, ich habe eine Überraschung. Ich war hier beim Juwelier Niessing und habe für uns die schönsten Trauringe ausgesucht. Freust du dich? Du bist so still.“
Ich bin tatsächlich sprachlos. Was soll ich sagen? Ich bin so perplex, so überfahren. Bin ich verrückt oder er? Außerdem hat er sich die Flugpläne für die Türkei ausdrucken lassen, kann mir jedoch am Telefon nichts Konkretes sagen. „Du weißt ja, wegen der Abhörgefahr.“
(Sofort ist sie wieder da, die Angst. Er ist sehr geschickt und durchtrieben oder bin ich zu gutgläubig?)
„Mausilein, meine Telefonkarte ist gleich leer, ich liebe dich und brauch dich hier, bitte komm.“ Die Verbindung bricht ab. Was mache ich? Natürlich, packen. Und so fahre ich in diesem Monat zum zweiten Mal nach Hamburg. Peter erwartete mich bei meiner Ankunft am Bahnhof. Die Freude ist überschwänglich groß,. „Bin ich froh, dich hier zu haben.“
(Natürlich, braucht er doch mein Geld. )
Dieses Mal wohnen wir im Hanse-Clipperhaus, einem anonymen Garni-Hotel. Hier wird unser Kommen und Gehen kaum registriert und da wir wie immer unter meinem Namen einchecken, besteht für Peter im Falle einer Fahndung, keine Gefahr. Er besteht darauf, dass wir sofort am nächsten Tag zu Niessing gehen, kann es kaum erwarten, mir die Ringe zu zeigen. „Sie sind etwas ganz besonderes, mein Hase, so wie unsere Liebe. Ich liebe dich mehr denn je und möchte, dass du endlich meine Frau wirst. Ich will dich nie mehr verlieren. Liegst du nachts nicht neben mir, kann ich nicht schlafen. Ohne dich könnte ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen.“
Und wirklich, wache ich nachts auf, so ist er oft über mich gebeugt, beobachtete mich im Schlaf. Mein Aufwachen am Morgen kann er kaum erwarten. Oft hält er mich stumm in den Armen. „Ich gebe dich nie wieder her.“ Es kommt vor, dass ihm dabei die Tränen laufen. Solche mir geltenden Gefühlsausbrüche kenne ich nicht. Bin ich nicht geradezu verpflichtet für diesen Mann alles zu tun? Na gut, anschauen kann ich mir die Ringe aber heiraten? Auch ohne Trauschein führen wir eine wunderschöne harmonische Beziehung. Es geht mir einfach alles zu schnell.
(Heute, nachdem ich nicht mehr träume, sondern mich einer bitter harten Wirklichkeit, geringem Sozialeinkommen, drückenden, von ihm verursachten Schulden stellen muss, frage ich mich, kann jemand so schauspielern? Dann hat er wirklich eine oscarreife Leistung hingelegt. Ein guter Freund sagte mir als ich an Selbstvorwürfen zu ersticken drohte: „Vergiss nicht, er hat das Betrügen zu seinem Beruf gemacht, und das perfekt. Mit Empathie, skrupelloser Gerissenheit war er dir immer nicht nur einen Schritt voraus, er kannte das Ziel und hatte es fest im Auge. Du dagegen tapptest ihm vertrauensvoll hinterher. Er hatte es so einfach. An deiner Seite brauchte er nur zu glänzen und musste sich nicht mal dabei anstrengen. Du bist eine gut aussehende Frau, mit sicherem Auftreten, weltgewandt. An dir, mit deiner offenen, herzlichen Art, den Menschen zugetan, kann man nicht vorbei schauen. Außerdem warst du vermögend. Du hattest alles, was solch ein Schmarotzer braucht. Jemand wie er, entwickelt dafür ein sicheres Gespür.“)
Einen guten Geschmack hat er, das muss man ihm lassen. Die Ringe sind von umwerfender Schönheit. Für mich hat er einen lupenreinen Halbkaräter mit unglaublichem Feuer, für sich einen schlichten, breiten Goldring gewählt.„Der Sonderpreis beläuft sich auf nur 15.000 €. Damit zeigt man uns ein nicht alltägliches Entgegenkommen. Müssen wir da nicht zugreifen?“ Da kann ich doch nicht nein sagen. „Hasenherz, du bist ja stumm, hat es dir die Sprache verschlagen oder gefallen dir die Ringe nicht? Ich habe für die Schönste und Beste den schönsten Ring ausgesucht und du freust dich nicht.“ Diese erschrockenen, enttäuschten Augen. Er hat sich so viel Mühe gegeben und nun soll ihm die Überraschung nicht gelingen. Das kann ich ihm nicht antun. Vor den Angestellten, sogar der Geschäftsführer ist extra wegen uns anwesend, nimmt er mich in die Arme, küsste mich und dann an die Umstehenden gewandt: „Habe ich nicht eine wundervolle Frau?“
(Kein Schutzengel steht hinter mir, der mich bei den Schultern nimmt und wach rüttelt. Meine innere Stimme, die versucht warnend in mein Bewusstsein vorzudringen, ignoriere ich. Keiner ist da, der mich rettete. Die Welle von der ich mich tragen lasse ist eine trügerische, die mich in die Tiefe zieht.)
„Komm mein Herz, jetzt gehen wir erst einmal lecker essen. Du musst dich nicht sofort entscheiden. Wir sind ja noch ein paar Tage hier und so lange hast du Bedenkzeit. Außerdem hat Pauliano seine Beziehungen spielen lassen, ich bekomme in den nächsten Tagen meinen Personalausweis zurück. Du weißt, den hat die Polizei bei meiner Entlassung aus der U-Haft einbehalten, um meine Rückkehr in die Türkei zu verhindern. Somit wäre das Problem auch bald vom Tisch und du musst auf die Rückzahlung der 15.000 € für unsere Eheringe und für das von dir so großzügig vorgestreckte Geld nicht mehr lange warten. Was glaubst du, wie sehr mich das bedrückt? Da liegt jede Menge Geld in der Schweiz, meine Konten in der Türkei wachsen und ich kann nicht darüber verfügen. Du willst doch auch nicht, dass ich zurück in den Knast muss? Es ist, solange ich meine Papier nicht habe, höchste Vorsicht geboten.“ „ Ach, das ist ja was ganz Neues, auch für die Ringe soll ich das Geld vor strecken?“ Nun bin ich richtig böse. „Nein, das geht wirklich zu weit. Du kannst dir ja dieses Mal das Geld von Pauliano leihen,“ sage ich heftig. Erschrocken, ganz entsetzt sieht er mich an. „Du weißt, das geht nicht. Er darf von unseren Heiratsplänen noch nichts erfahren. Er hat doch, was uns betrifft und mein Ausscheiden aus der Organisation, noch keine Entscheidung getroffen. Du liebst mich nicht mehr, sonst könntest du so etwas nie von mir verlangen. Du weißt genau, in welcher Gefahr ich schwebe. Ich will dir nur beweisen, wie ernst es mir mit uns ist.“ Er zeigt sich total zerknirscht und niedergeschlagen. „Wenn du mir so misstraust, werde ich eben das Wagnis auf mich nehmen und alleine in die Schweiz fahren. Ich hole mir den türk. Pass aus dem Schließfach, fliege weiter in die Türkei und werde alles erledigen.Wenn man mich an der Grenze allerdings ohne Papiere erwischt, darfst du nicht traurig sein und mir später Vorwürfe machen, Kleines. Du siehst, für dich tu ich eben alles.“
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