1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 (Wie gut er den gekränkten, traurigen Mann mimt.)
Seine Worte sind natürlich Balsam für meine desolate Verfassung. Das Ganze geht nicht spurlos an mir vorüber und die Angst, die Angst vor der Mafia bleibt. „ Nach deiner Entlassung aus dem Krankenhaus,“ so entscheidet Peter mit Bestimmtheit, „fahren wir nach Bayern und sehen uns dort ernsthaft nach einem neuen zu Hause um.“ Den Seminartermin bei Hermann hat er natürlich abgesagt. „Liebling, Du gehst vor.“
(Zufälle, wie zum Beispiel meine Erkrankung, helfen ihm immer wieder, glaubhaft dazustehen.)
Endlich darf ich die Klinik verlassen. Überglücklich holt mich Peter ab. In der nächsten Zeit entdecke ich einige Veränderungen an mir. Ich bewege mich unsicher. Mein Blickfeld ist erheblich eingeschränkt. An diesen Zustand muss ich mich erst gewöhnen. Hinter das Steuer meines Autos wage ich mich nicht, geschweige auf ́s Motorrad.
„Liebling, ich versuche meinen Audi-Quatro aus Belgien zu holen, natürlich Paulianos Einverständnis und Hilfe vorausgesetzt. Wie soll ich dem Fiskus den plötzlichen Besitz eines Autos erklären, wo ich doch noch immer keine Papiere habe. Ich werde den Hausmeister unserer Wohnanlage, der Schlüssel zur Wohnung, Garage und zum Auto hat bitten, den Wagen durchchecken zu lassen, sodass er fahrbereit ist. Ich möchte, dass du es auf der Fahrt nach Bayern bequem hast. Nichts gegen deinen Golf, er ist mir einfach nicht geräumig genug.“
Von Peters neuen Reiseplänen bin ich nicht begeistert, weil ich mich erst mal in vertrauter Umgebung zurecht finden, die alte Sicherheit wieder erlangen will. Außerdem kann er nicht ständig seine Arbeit vernachlässigen, schließlich warten wichtige Patiententermine auf ihn. Und überhaupt, wie ist es mit den Finanzen.Keine Arbeit, keine Reiseerlaubnis ins Ausland, Türkei, Schweiz, Belgien,
somit auch kein Geld.
„Schatz, bist du nicht zufrieden, so wie ich mich sorge und kümmere? Mach ich etwas falsch?“ Liebevoll hält er meine Hände. „Ich will doch nur, dass es dir wieder besser geht und du ganz gesund wirst. Habe ich nicht für die Unterbringung und gründliche Untersuchung in der Klinik gesorgt. Weißt du noch immer nicht, dass du für mich das Wichtigste auf der ganzen Welt bist. Ich liebe dich und meine es nur gut,“ dabei drückt er meine Hände so feste, dass es schmerzt.
(Er spielt den total Besorgten und hat mich schon wieder voll im Griff.)
Sofort bekomme ich Undankbare ein schlechtes Gewissen. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Jede andere wäre froh, solch einen fürsorglichen Partner zu haben. Das Gespräch regt mich auf. Aufregung ist Gift für meinen Genesungsprozess. Ich werde sehr schnell müde, fühle mich hilflos und zerschlagen.
(So hat er wieder leichtes Spiel. Er kümmert sich, ich lasse es zu und bin auch noch dankbar.)
„Weißt du Hase, jetzt wo ich mein Auto aus Belgien bekomme, könnten wir doch deinen Golf Eric schenken. Der braucht dringend einen fahrbaren Untersatz, um die Einkäufe für das Lokal zu tätigen. Ich kann nicht mehr mit ansehen, wie er sich abschleppt. Sogar meinen Sohn schließt er in seine Fürsorge ein, was für ein guter Mann.
(Auch die Aktion Auto ist bestens von ihm durchdacht.)
Es ist Karfreitag, als Peter mit dem Vorschlag heraus rückt. Ich bin sofort Feuer und Flamme, geht es doch darum, meinem Sohn eine Freude zu machen.
Ostersonntag überreichen wir ihm symbolisch in ein Osterei verpackt, den Autoschlüssel. Mein Sohn kann erst gar nicht fassen, dass er nun Autobesitzer ist.
Bei dieser Gelegenheit erzählt ihm Peter von unseren Reiseplänen. „Natürlich nur zum Wohle deiner Mutter.“ Mein Sohn ist gerührt.
Diesmal packt Peter. Ostermontag fahren wir in Richtung Bayerischen Wald, jedoch nicht mit einem Audi-Quatro, sondern mit einem Mercedes-Leihwagen von Sixt. Der Hausmeister hat es zeitlich nicht geschafft, ist in den wohl verdienten Osterurlaub gefahren. Der Leihwagen läuft natürlich auf meinen Namen, meine Kreditkarte muss wieder herhalten, Peter hat ja noch keine Papiere.
Es strengt mich noch alles zu sehr an, also lasse ich es geschehen. Was ist auch schon dabei? Wir sind zusammen, ich werde verwöhnt und umsorgt. So beruhige ich mich.
(Vor meinem Schlaganfall habe ich keinen Einhalt geboten, so würde es weitergehen, bis zum bitteren Ende.)
Peter sucht für uns in St. Englmar ein wunderschönes Hotel aus, in dem ich mich auf Anhieb sehr wohl fühle. Aus seiner Sorge um mich macht er keinen Hehl, im Gegenteil. Er sonnt sich in der Bewunderung, die ihm dafür zuteil wird. Er achtet kleinlichst darauf, dass ich meine Medikamente regelmäßig einnehme.
(Die Kuh, die man weiter melken will, heißt es gut zu pflegen.)
Mit dem Küchenchef bespricht er meinen Speiseplan. Wegen meines hohen Cholesterinspiegels soll ich tierische Fette meiden. Ist etwas nicht nach seinem Sinn, beordert er den Koch an den Tisch, und maßregelt ihn vor den anderen Gästen. Mir sind diese Auftritte peinlich. Spreche ich ihn verstimmt und unangenehm berührt darauf an, erhalte ich zur Antwort: „Die bekommen unser Geld, also müssen sie auch gute Arbeit leisten.“ Er lässt sich mit meinem Namen anreden. Auch das Unterschreiben der Verzehrquittungen geht ihm ganz leicht von der Hand. „Hasenherz, ist es noch zu anstrengend, wenn wir uns einige Immobilien ansehen? Gefällt es dir hier, bleiben wir in Bayern. Ich könnte mich in Deutschland wieder mit einem Labor niederlassen. Wäre das nicht toll, wenn ich alles aus der Türkei hierher verlege. Habe ich dir schon erzählt, dass Akif mein väterlicher, türkischer Freund bald zu Besuch kommt? Du weißt, der mich in seinem Heimatland so großzügig unterstützt, nur weil ich einer entfernten Verwandten geholfen habe.“ Ja, ich erinnere mich an die Geschichte, die er ganz zu Anfang unserer Bekanntschaft in seine Erzählungen einflocht und nicht versäumte, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu wiederholen.
Zu der damaligen Zeit arbeitete Peter in Istanbul in einer Zahnklinik. Zur Entspannung weilte er einige Tage in Alanyia. Bei einem Spaziergang kam er an einem Menschenauflauf vorbei. Eine Frau saß, mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm, weinend vor einer Apotheke. Das Kind war bewusstlos. Es hatte einen Zuckerschock und schwebte in Lebensgefahr. Blitzschnell erkannte Peter die Situation. Die Mutter besaß kein Geld um das nötige Insulin zu kaufen. Ohne Bezahlung verweigerte der Apotheker die Herausgabe des Medikaments. Peter handelte und zahlte und rettete so dem Kind das Leben. Diese Geschichte kommt Akif zu Ohren. Mutter und Kind sind entfernte Angehörige seiner Sippe, deren Oberhaupt er ist. Akif, ein erfolgreicher Geschäftsmann will den großherzigen Deutschen kennen lernen. Er fühlt sich zu Dank verpflichtet.
Im Laufe der Zeit entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen dem Türken und dem Deutschen. Von nun an stehen Peter alle Türen und Tore offen. Akif ist ihm bei allem behilflich, lässt seine Beziehungen, die er in fast allen großen europäischen Städten hat, spielen. Er stellt Verbindungen zu türkischen Banken her und handelt für Peters Geld einen sehr hohen Anlagezins aus. Seine fest etablierten Standorte in
Deutschland sind Köln und München. In der Nähe von Alanya kauft Peter sein Ärztehaus, ein Wohnhaus, Auto, Motorrad, alles ist vorhanden, alles mit Hilfe und Vermittlung des neuen Freundes. Peters gute Tat löst eine Lawine guter Taten aus. Von nun an gehört er zu Akifs Familie. Er holt einige ehemalige Angestellte und Arbeitskollegen aus Deutschland in die Türkei, darunter Jan, den belgischen Zahnarzt, der in seinem Heimatland Konflikte mit dem Betäubungsmittelgesetz hat. Aus diesem Grund darf er dort seinen Beruf nicht mehr ausüben. Alle finden in Peters Praxis einen sicheren, gut bezahlten Arbeitsplatz. Seine Bücher führt die Türkin Aiysche tüchtig und zuverlässig. Sie hat in Deutschland Betriebswirtschaft studiert.
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