Die Zimmernummer habe ich von Peter. Hatte ich mich so verhört? Als ich ihn zur Rede stelle, nimmt er mich lachend in den Arm und erklärt, er halte das Seminar zusammen mit Kollege Meuthen und teile auch das Hotelzimmer mit ihm. Ich habe keinen Grund, seine Erklärung anzuzweifeln.
(Peters Großmutter heißt Meuthen. Er ist unter ihrem Namen in Junkersdorf abgestiegen. Ohne die Zeche zu zahlen, zieht er um ins Messehotel. Es gibt keinen Kollegen und auch kein Seminar. )
Peter verhält sich eigenartig zurückhaltend und einsilbig, wirkt verunsichert. Nichts von seinem Charme, seinem sonst so ungehemmten Redefluss. Plötzlich nimmt er mich bei den Schultern und sieht mich eindringlich an. „Ich habe dieses Wochenende mit dir unüberlegt und übereilt geplant“ sagt er. „Du weißt von meinen Negativerlebnissen mit Frauen. Es liegt mir sehr viel an unserer Beziehung, nur geht mir alles zu schnell. Bitte sei nicht böse, wenn ich dich wieder nach Hause begleite.“
Was soll ich dazu sagen, ich bin völlig überrumpelt. Er bringt mich zurück auf die andere Rheinseite, zu meiner Wohnung. Schon im Flur höre ich das Läuten des Telefons. Am anderen Ende der Leitung entschuldigt sich Peter tausendmal für sein Verhalten und versucht mir seine Berührungsängste zu erklären. Ihm sei erst jetzt klar geworden, wie viel in ihm zerstört ist. Ich will ihn ja verstehen, jedoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack.
Sonntag, den 16. Dezember 2001 trete ich wie üblich meinen Dienst im Deep an. Gegen Mittag kommt Peter. Das schlechte Gewissen steht ihm ins Gesicht geschrieben. Zerknirscht fragt er, ob ich ihm noch böse bin. Die Unterhaltung will nicht so recht in Gang kommen. Er wirkte übernächtigt, ist unrasiert. Nervös und zerfahren druckst er herum, was so gar nicht seine Art ist. Und dann kommt etwas, mit dem ich ganz und gar nicht gerechnet habe. Er bittet mich, ihm für ganz kurze Zeit 15.000 DM zu leihen, erzählt im Flüsterton von einer geheimnisvollen Organisation, der er seit einiger Zeit angehöre, deren Namen laut zu nennen äußerst gefährlich sei. Jedes Mitglied sei verpflichtet, in gewissen Abständen eine Einlage zu leisten. Käme er diesen Auflagen nicht nach, könne es ihn Kopf und Kragen kosten.
Die Organisation tätige Geldverleih in ganz großem Rahmen. Die Einlage bilde das Grundkapital für diese unseriösen Geschäfte, mit sehr hohem Gewinn. Aus eingangs erwähnten Gründen wage er sich nicht an seine Konten in der Schweiz, da er sich noch immer von der Steuerbehörde überwacht fühle. Ich bin überrascht, unangenehm berührt von seinem Anliegen. Angst beschleicht mich. Deutlich gebe ich zu verstehen, dass ich nicht gewillt bin, ihm zu helfen. „Mein Geld ist fest angelegt und so kurzfristig nicht kündbar.“ Völlig niedergeschlagen, mit den Worten: „Dann muss ich anderweitig um Hilfe bitten,“ geht er.
Am Abend kommt er wieder. Unter Tränen offenbart er mir, nicht mehr ein noch aus zu wissen. Die Organisation ließe nicht mit sich spaßen und setze ihn massiv unter Druck. Den Vater, der im Krankenhaus liegt, kann er nicht um Hilfe bitten. So bedrängt und in die Enge getrieben, verlange ich eine Bedenkzeit. Mein Sohn, den ich ins Vertrauen ziehe sagt: „Es ist dein Geld das du dir schwer verdient hast und nur du kannst entscheiden, was damit geschieht.“ Das bringt mich nicht weiter. Also rufe ich meine Freundin Elke an. Die reagiert empört: „Ein Mann, der eine Frau anpumpt, vor allem nach so kurzer Zeit, ist kein guter Mann. Schieße ihn in den Wind.“
Es ist alles unbefriedigend und nicht das, was ich hören will. „Zeig dich von deiner großzügigen Seite, spring über deinen Schatten und sei mal nicht so knauserig. Außerdem bekommst du ja nach kurzer Zeit das Geld mit hohem Gewinn zurück.“ Das will ich hören.
Für Montag Morgen bitte ich meine Kundenberaterin bei der Sparkasse um einen Termin, mit ihr will ich sprechen, sie hat Erfahrung in solchen Dingen. Auch sie rät mir konsequent ab. Aber er ist doch so nett und bemüht um mich, so liebenswürdig und vertrauenerweckend. Das kann ich doch nicht mit Füßen treten. Ich will genau so lieb und nett sein, mich von meiner großzügigen Seite zeigen, nur suche ich jemanden, dem ich die Verantwortung für mein unvernünftiges Handeln übertragen kann. Außerdem, hatte ich nicht im Elternhaus gelernt, und das wurde mir immer wieder vermittelt, sei lieb, sei nett und gefällig, dann wirst du auch geliebt?
Ich rufe meinen Sohn an und bitte ihn, abends ins Deep zu kommen. Peter wird da sein, um meine Entscheidung zu hören. So kann Eric ihn kennen lernen und sich seine eigene Meinung bilden.
Es wird ein netter Abend. Die beiden Männer unterhalten sich, mein Sohn findet Peter sympathisch, „aber Ma, was verlangst du von mir? Ich kann dir die Entscheidung nicht abnehmen.“
Peter begleitet mich nach Hause. Mit geschickt gewählten Worten vermittelt er mir das Gefühl, großartig zu sein, würde ich ihn aus der misslichen Lage retten. An der Haustüre verabschiedet er sich, geht nicht mit in meine Wohnung, sondern traurig mit hängenden Schultern davon.
Ich verbringe eine schlaflose Nacht, schwankend zwischen liebem Mädchen, bösem Mädchen. Dienstagmorgen gehe ich zur Bank, kündige einen Sparvertrag und lasse mir, begleitet von dem verständnislosen Kopfschütteln meiner Sachbearbeiterin 15.000 DM auszahlen. Meine Entscheidung ist gefallen und ich fühle mich gut. Großartig fühle ich mich am Abend, als ich bei der Geldübergabe das Leuchten in Peters Augen sehe. ch spüre seine Dankbarkeit und Erleichterung. Ich komme mir vor wie seine Lebensretterin. Warum habe ich nur so gezaudert? Ist der erste Schritt einmal getan, ist großzügig sein gar nicht so schwer. Außerdem bekomme ich das Geld mit Gewinn zurück.
(Mit meinem Geld begleicht er seine dringendsten Verbindlichkeiten.Vielleicht die Hotelrechnung in Junkersdorf, oder die ausstehenden Unterhaltszahlungen. )
Peter kommt weiter jeden Tag, zeigte sich sehr um mich bemüht, behandelt mich wie ein rohes Ei, wie etwas ganz besonderes. Von nun an bin ich das ja auch, nämlich seine "Scheinwerferin"! Er spielt seine Rolle perfekt, den anständigen überaus dankbaren Mann, der mir in keinster Weise zu nahe tritt. Es bleib weiterhin bei kleinen Zärtlichkeiten und liebevollen Küssen.
Eines Abends erzähle ich Peter von meiner bevorstehenden Reise in den Bayerischen Wald. Spontan, fast entrüstet reagiert er: „Du glaubst doch nicht, dass ich dich alleine fahren lasse. Ich möchte dich begleiten, natürlich nur, wenn du einverstanden bist. Ich habe Angst, du kommst nicht alleine zurück, bist für mich nicht mehr erreichbar. Ich habe dir noch nichts von meinen Gefühlen gesagt, nur so viel, ich möchte dich nie mehr verlieren.“ Also bucht er nach.
(Die Kuh, die sich so leicht melken lässt, will er nicht aus den Augen lassen. )
Am 23. Dezember 2001 ist mein letzter Arbeitstag. Peter und ich beschließen, die Feiertage gemeinsam zu verbringen. Aus seinen Erzählungen weiss ich, dass er ein leidenschaftlicher Koch ist. Er besteht darauf, das Festmenü für uns zu bereiten und beginnt sofort mit der Zusammenstellung der Einkäufe. Heiligabend holt er mich am frühen Vormittag ab und wir machen uns auf, zu dem geplanten Einkaufsbummel. Was er aussucht und wie er seine Wahl trifft, zeigt mir, dass er wirklich Ahnung hat. Richtig spannend wird es beim Aussuchen der Getränke. Er stellt sich als exzellenter Weinkenner heraus, nicht verwunderlich bei einem Mitbesitzer eines Weingutes in Italien. Wir nehmen hier und da eine kleine Kostprobe, sind beschwingt und ausgelassen. So gut habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
Es war mir in den letzten Jahren beileibe nicht schlecht gegangen. Durch meinen Erfolg im Geschäft, mein umsichtiges Handeln konnte ich mir einen gewissen Luxus erlauben. Jedoch achtete ich sorgfältig darauf, dass mein finanzielles Polster nicht abnahm. Ich führte ein sorgenfreies Leben. Meine Wohnung, Auto, Motorrad, alles war bezahlt. Den Erlös aus dem Verkauf meines Geschäftes und der Immobilien legte ich Gewinn bringend an, erwarb Aktienanteile. Im Laufe der nächsten Jahre waren vier Lebensversicherungen zuteilungsreif.
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