Nun, nach vierjährigem Single-Dasein ist ein Mann an meiner Seite, bei dem ich mich rundherum wohl fühle. Wie lange diese Verbindung hält, darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich lebe im Heute und Jetzt. So unbeschwert habe ich das Leben noch nie genossen. Meine Zukunft ist gesichert. Über die 15.000 DM ist bisher kein Wort gefallen. Dieses Thema meiden wir beide. Mir ist es unangenehm ihn auf die Rückzahlung anzusprechen, ihm kann es Recht sein.
Der Heilige Abend verläuft traumhaft. Peters Essen ist köstlich. Ich habe den Tisch festlich gedeckt, die Wohnung weihnachtlich geschmückt, er bleibt zum ersten Mal über Nacht. Am ersten Feiertag besucht Peter seinen Sohn und auch beim Vater, der das Krankenhaus verlassen hat, will er vorbeischauen.
Bei seiner Rückkehr verhält er sich, als hätten wir uns wochenlang nicht gesehen und beteuert: “Ohne dich gehe nichts mehr. Beim nächsten Mal will ich dich unbedingt dabei haben und meinem Vater vorstellen. Meinst du, du kannst für immer mit mir leben?“ Ganz ernst sieht er mir bei der Frage in die Augen. Etwas sperrt sich in mir darauf zu antworten. Schweigend nehme ich ihn in den Arm. Es ist ein beeindruckender Gefühlsausbruch. Da wir ohnehin in drei Tagen den gemeinsamen Urlaub antreten, beschließen wir, nein macht er den Vorschlag, sein Hotelzimmer aufzugeben, und sein Gepäck zu holen. Er zieht bei mir ein, was nur als vorübergehende Lösung geplant ist, denn nach unserer Rückkehr aus dem Bayerischen Wald will er sich ernsthaft nach einer größeren Wohnung umsehen. Kaufen oder mieten, die Entscheidung möchte er erst treffen, wenn er ohne Gefahr Zugriff auf seine Konten in der Schweiz und Türkei hat. Der Fiskus, der Fiskus!!!
Die Zeit im Bayerischen Wald verläuft sehr harmonisch. Peter überrascht mich mit einer achttägigen Urlaubsverlängerung. Möglicherweise zahlt er die mit einem Teil meiner 15.000,-- DM. Mit dem Pächterehepaar unseres Hotels, Hermann und Resi, haben wir schon bald ein freundschaftliches Verhältnis.
Abends trifft sich unsere Reisegruppe zum gemütlichen Beisammensein. Es ist nicht zu übersehen, wie beeindruckt alle von diesem charismatischen Mann und seinen interessanten Erzählungen, vor allem über sein Können und Wissen als Spezialist der Zahnmedizin sind. Man hängt gebannt an seinen Lippen. Geschickt weiss er lustige oder auch tragische Episoden und Erfahrungen mit seinen Patienten in Deutschland und der Türkei einzustreuen. Ich spüre den Neid der überwiegend weiblichen Reiseteilnehmer. Dieser charmante Mann gehörte zu mir.
Peter bucht bei Hermann, zwar noch unverbindlich, Seminarräume für eine Masterwork-Schulung, die er mit seiner Agentur für Februar plant. Die Wahl des Veranstaltungsortes überlässt man ohnehin ihm. Das Hotel und seine Lage bieten sich geradezu für diesen Zweck an. Die Zahl der teilnehmenden Zahnärzte und Techniker steht noch nicht fest.
Nach unserer Rückkehr drängt Peter darauf, die Suche nach einer passenden Immobilie ernsthaft anzugehen. Er macht mir einen Heiratsantrag. Ich bin sprachlos und bitte um Bedenkzeit. Damit habe ich nicht gerechnet. Eigentlich will ich mich nicht mehr binden. Es ist doch auch so alles wunderschön. Auf mein Zögern reagiert er enttäuscht. „Solch einen Antrag stelle ich nur einmal, es ist mir sehr ernst, du bist meine Traumfrau.“
„Ist das nicht romantisch, geht er nicht toll mit mir um?“
(Im Rückblick wird mir speiübel.)
Die nächsten Wochen verlaufen unverändert. Peter fährt weiter jeden Morgen nach Düren, um dem Kollegen zur Hand zu gehen. Auf sein Drängen gebe ich die Arbeit im Lokal meines Sohnes auf. Ich kann ihn ja verstehen. Es missfällt ihm, dass ich oft spät in der Nacht nach Hause komme, außerdem sei er jetzt der Ernährer. Davon merke ich nichts, eigentlich merkte ich gar nichts.
Wir besichtigen mehrere Immobilien und werden Mitte Januar 2002 fündig. Unsere Wahl fällt auf eine traumhaft schöne Eigentumswohnung in Köln- Dellbrück, die gerade renoviert wird. Eigene Pläne und Veränderungswünsche können noch berücksichtigt werden. Mit dem Makler und den Handwerkern führen wir die notwendigen Gespräche. Alles soll natürlich nur vom Feinsten sein, so will es Peter. Wir besuchen Möbelmessen, Einrichtungshäuser, lassen uns Kostenvoranschläge unterbreiten. Es ist aufregend und wir schwelgen in Zukunftsplänen.
Meine Freunde und Verwandten, die ihn auf Familienfesten kennen lernen, sind von ihm begeistert. Eine Freundin fragt mich ganz verschmitzt, ob Peter nicht einen Bruder habe. Er beeindruckt alle durch sein charmantes Auftreten und bei seiner Art, spannend und überaus interessant zu erzählen, hängen alle an seinen Lippen.
Mein Gott habe ich ein Glück, ich kann es manchmal gar nicht fassen. In der letzten Zeit erwähnt Peter wiederholt ganz beiläufig die Organisation, der er angehört. Den Gedanken daran habe ich total verdrängt. Nun erfahre ich Einzelheiten. Da es sich bei den anderen Mitgliedern fast ausschließlich um Italiener handelt, komme ich bald zu dem Schluss, dass es sich um eine mafiöse Verbindung handeln muss. Als ich meinen Verdacht laut äußere, antwortete er: „Ich weiß, du bist ein kluges Mädchen.“ Ich bin entsetzt, geradezu entrüstet. Angst beschleicht mich. Ich verliere die Beherrschung. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben, darum stelle ich ihn vor die Wahl: „Die Mafia oder ich.“
Ich bin ein äußerst wahrheitsliebender Mensch mit festen Prinzipien, der sein Geld immer auf ehrliche Art verdient hat. So etwas kommt für mich nicht in Frage, da gibt es nichts zu überlegen. Lug, Betrug, gar noch schwerere Vergehen sind mir fremd, passen nicht in meine Gedankenwelt, geschweige in mein Leben. Andere Menschen zu hintergehen, ist für mich unvorstellbar. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, damit kann ich etwas anfangen, das bin ich. Peter zeigt sich bei meinem Ausbruch total zerknirscht und ratlos.
Er ist schließlich kein einfaches, kleines Licht in dieser Organisation und kommt da nicht so raus, wie aus einem Kegelclub. Die meisten, die solch einen Versuch wagen, bezahlen mit ihrem Leben. Sein Pate Pauliano, dem er vor einiger Zeit in einer spektakulären Aktion das Leben gerettet hatte, sieht in ihm den zukünftigen Schwiegersohn und Ehemann seiner Tochter Ricarda. Es ist eine ganz besondere Geste, nicht nur, dass man einen Deutschen in der Organisation duldet, die Verbindung mit seiner Tochter macht Peter zum Familienmitglied, das ist eine einzigartige Auszeichnung. Gegen ein kleines Abenteuer mit einer Deutschen Frau, eine unbedeutende Lapalie, hat Pauliano nichts einzuwenden, jedoch eine feste Verbindung mit mir wird er nie akzeptieren.
Peter verspricht, den Paten in einem ernsthaften Gespräch umzustimmen, sich gar mit einer großen Summer freizukaufen. Er hofft auf Verständnis und Paulianos Entgegenkommen, da er mit mir die Liebe seines Lebens gefunden hat.Mich beschleicht ein unheimliches Gefühl. Ich habe Angst, panische Angst um Peter, um mich, unser Leben, unsere gemeinsame Zukunft. Zum ersten Mal in der Zeit mit ihm weine ich. Diesmal nicht vor Glück, sondern aus purer Verzweiflung. Unsere Lage ist so hoffnungslos. „Mafia,“ um Gottes Willen, in was bin ich da geraten? Wie sollen wir da herauskomme? Peter versucht mich zu beruhigen, Pauliano schon am nächsten Tag um die für uns so entscheidende Unterredung zu bitten. Diese Gespräche führt er nicht von unserem Telefonanschluß, sondern aus einer Telefonzelle, um die Gefahr abgehört zu werden, auszuschließen.
Beschwingt und guter Laune, mit guten Nachrichten kommt er nach kurzer Zeit zurück. Pauliano hat für einen der nächsten Abende seinen Besuch zugesagt. Auf den Tag genau festlegen kann er sich nicht, da ihn dringende Geschäfte in Italien aufhalten. „Vielleicht bringt er sogar Nicola, seinen Stellvertreter, einen mir sehr wohl gesonnenen Bruder mit, der sicher ein gutes Wort für uns einlegt. Auf seine Meinung hält Pauliano große Stücke. Du wirst sehen, Hase, wir finden schon eine allseits befriedigende Lösung. Wenn sie mein Mädchen erst mal kennen gelernt haben, können sie sich gar nicht gegen uns entscheiden,“ bei diesen Worten strahlt er mich überzeugend, mit einem Augenzwinkern an. „Ich werde was Tolles kochen. Pauliano ist ein Feinschmecker. Mit einem guten Essen kann ich ihn sicher friedlich stimmen. Natürlich wird es nicht einfach sein, für mich einen adäquaten Ersatz zu finden. Ich bin sein Mann für ganz besonders delikaten Aufträge. Den Job bei Dr. Marescou übe ich doch nur zur Tarnung aus. Nun habe ich dir schon fast zu viel anvertraut. Das hat mit Misstrauen nichts zu tun. Je weniger du weißt, umso sicherer für dich.“ Liebevoll sieht er mich an, „ich weiß doch, mein Mädchen ist verschwiegen.“
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