Dann hörte ich einen Wolf durchdringend jaulen. Darauf folgte ein furchtbarer Schrei. Und i ch spürte einen Todesbiss in meine r Brus t . Unmittelbar danach bebte es unaufhörlich in mir.
Ich lag in einem fremden Zimmer, das nach Desinfektionsmitteln roch. Ich war pitschnass geschwitzt, aber meine Arme und Beine waren nicht angekettet und ich konnte sie wieder frei bewegen. Ich atmete tief durch und wünschte mir den Geruch der Hütte zurück.
Was war passiert, fragte ich mich. Die Tür öffnete sich, und meine Freundin Angela betrat besorgt das Krankenzimmer.
„Ronja, ist alles in Ordnung? Sie mussten dich fesseln, du hattest einen Anfall und hast nach mir gerufen.“
Ich schaute sie sprachlos an. Sie nahm mich in den Arm und strich mir sanft übers Gesicht.
2 Oben angekommen
»Ich bin«
Viele Jahre waren seit diesem Vorfall vergangen. Jetzt saß ich in meinem Büro in der 5. Etage eines weltbekannten Konzerns. Der Sessel kühlte mich an diesem warmen Tag. Mir steckte noch die Müdigkeit der letzten Nacht in den Knochen. Es war spät geworden. Wir waren noch mit unseren Geschäftspartnern ausgegangen, haben Longdrinks getrunken und es war sehr amüsant gewesen. Ich reckte mich, so dass sich meine weiße Bluse spannte. Ich kreiste mit meinen Füßen und ertappte mich bei dem Gedanken, eine kleine Pause machen zu wollen. Dann legte ich meinen Füllfederhalter zur Seite, rollte meinen Bürostuhl nach hinten und ging zur Tür. Ich blickte durch die gläserne Wand auf den Gang, niemand war zu sehen. Schnell drehte ich das Schild um, auf dem stand: »Bitte nicht stören. Wichtiges Meeting!«
Ich ließ die Büro-Jalousien herunter. Mein Blick glitt zum Spiegel, den ich neben der Tür positioniert hatte, und betrachtete mich darin: Ich sah gut aus in meinem Kostüm. Mein schwarzer Rock, der feine Blazer und die anthrazitfarbigen, samtig glänzenden Strumpfhosen passten sehr gut zu mir und zu meiner zierlichen Figur. Ich musste daran denken, wie mich gestern der Geschäftsführer, Dr. Haselnuss, angestarrt hatte. Pardon, eigentlich sollte ich ihn ja Hans-Peter nennen.
„Oh Ja! Hans-Peter Haselnuss.“, sprach ich es leise vor mich hin. Ich musste lachen und näherte mich dem Spiegel mit tanzenden Bewegungen im Rhythmus der letzten Nacht, den ich noch im Ohr hatte. Gestern dort zu tanzen, mich zu drehen, was für ein wunderbares Gefühl war das gewesen, und dazu noch die Aufmerksamkeit der Männer. Ich musste zugeben, dass mir dies geschmeichelt hatte. Hans-Peter, war er vielleicht jemand für mich? Ein erfolgreicher Manager und Rechtsanwalt und schlecht sah er auch nicht aus. Ob er es ernst meinte mit mir?
Das Telefonklingeln holte mich aus meinen Gedanken und brachte mich wieder zurück in die Gegenwart. Ich nahm ab.
„Hallo, Ronja, ich bin es.“, klang eine Stimme aus dem Hörer. Ich erkannte gleich, wer es war. „Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, heute Abend mit mir Essen zu gehen, ich lade dich auch ein!“, hörte ich ihn fragen.
„Du, Hans-Peter, hat dir die letzte Nacht nicht gereicht? Ich bin noch erschöpft und müsste mich heute Abend erholen. Ich habe noch einiges zu erledigen und du weißt doch, ich muss mich noch auf meine Reise vorbereiten“, antwortete ich.
„Bitte, Ronja, ich würde dich gerne noch einmal sehen, bevor du abreist!“
„O.k., Hans-Peter, aber nicht lang“, antwortete ich. Ich legte auf und ging zum Fenster. Von hier aus konnte ich ziemlich tief hinab blicken. Mein Büro lag in einem sehr hohen Gebäude mitten in der Stadt. Die Straßen waren voll und auf ihnen herrschte das übliche alltägliche Treiben der Menschen. Ich stand hier oben in meinem luxuriösen Büro und hatte es geschafft, eine berühmte Managerin für einen bekannten Konzern zu werden. Das gelang nicht jedermann!
Es klopfte und ich zog mir meinen Rock zurecht. Es war meine Sekretärin, die mir augenzwinkernd ein Päckchen und einen wundervollen Strauß roter Rosen überreichte. Elisabeth kannte mich recht gut, wir hatten uns in den letzten Jahren sehr gut angefreundet und ich verzieh ihr gleich, dass sie mich jetzt in meinen Tagträumen störte.
„Mensch, Ronja, mach das Päckchen auf, ich sterbe vor Neugierde!“ Gespannt nahm ich das Päckchen und die Rosen entgegen. Ich fischte eine kleine Karte aus dem Blumenstrauß, auf der stand: „In Liebe H.P. Bitte trage sie heute Abend“ Überrascht packte ich eine verführerische Schatulle aus. Vorsichtig öffnete ich sie und eine wundervolle Perlenkette leuchtete in dem edlen, schwarzen Etui.
Lissy, so nannte ich meine Sekretärin liebevoll, unterbrach meine Sprachlosigkeit: „Den hast du aber verzaubert. Wie machst du das bloß mit den Männern, dass dir alle immer so zu Füßen liegen?“
Einige Stunden später. Es war mittlerweile dunkel geworden, und ich traf mich mit Hans-Peter bei einem feinen Italiener, der um die Ecke des Büros lag. Er hatte schon Platz genommen. Schick hatte er sich gemacht mit seinem Maß-Anzug. Als ich mich ihm näherte, konnte ich unter seinem weißen Hemd eine große, goldene Uhr blitzen sehen. Hans Peter stand sofort auf, als er mich sah. Er ging um den kleinen Tisch herum, um mir einen Stuhl anzubieten. Ich nahm dankend an und er half mir dabei − ganz Gentlemen − Platz zu nehmen.
„Du siehst wundervoll aus, Ronja. Das rote Kleid steht dir wunderbar. Nur die Kette trägst du nicht“, bemerkte er gleich.
„Sei mir bitte nicht böse, Hans-Peter, aber das Geschenk kann ich nicht annehmen. Es ist viel zu wertvoll“, erwiderte ich. Vorsichtig nahm ich die Schatulle aus meiner schwarzen Handtasche heraus, um sie Hans-Peter zurückzugeben.
„Papperlapapp, bitte nimm mein Geschenk an, es macht mir doch Freude, hübsche Frauen zu beschenken. Wenn du es nicht annimmst, dann bin ich beleidigt“. Zögerlich und ein wenig beschämt, legte ich das Päckchen wieder in meine Handtasche.
Hans-Peter wechselte das Thema: „Wie war dein Tag, Ronja? Hast du wieder alle deine Geschäftspartner von deinen tollen Konzepten überzeugt?“
„Nach letzter Nacht bin ich den Tag heute ruhig angegangen. Ich bin ja nicht mehr die Jüngste, ha, ha. So langsam merke ich wie sich die Dreißig in mir breit machen.“, sagte ich. Woraufhin er amüsiert lachte, nach meiner Hand griff und sagte: „Ronja, du bist wunderschön. Du hast sicherlich gemerkt, wie verzaubert ich von dir bin?“ Er schaute mir lange in die Augen und fuhr dann fort: „Ronja, du musst wissen, ich bin auf der Suche nach einer festen Beziehung.“
Als ich diese liebevollen Worte hörte, wurde ich traurig und entzog mich seinem Griff. Meine Armgelenke schmerzten plötzlich. Dieser Druck in den Gelenken erinnerte mich an meinem Traum in der Hütte, den ich vor Jahren gehabt hatte.
„Du weißt doch, dass ich übermorgen für zwei Monate verreise?“, erwiderte ich. Er nickte bejahend. „Ich weiß, aber ich kann mich auch zwei Monate gedulden, du musst wissen, ich warte schon Jahre auf eine Person wie dich! Es ist etwas Besonderes zwischen dir und mir, das spüre ich.“
Der Chardonnay wurde gebracht. Mir wurde ein wenig schlecht und ich spürte, wie sich mein Magen krümmte. Ich hatte gestern zu viel getrunken und mein Körper warnte mich. Aber es war schon zu spät, das Glas war bereits gefüllt. Instinktiv ergriff ich es und nahm einen kräftigen Schluck, um Zeit zu gewinnen. Ich sah in Hans-Peters Augen und wusste, was er wollte. Er hatte große treue blaue Augen, in denen ich versinken konnte. Ich sah wie in einen ruhigen, aber verlockenden See, in dem ich gerne schwimmen würde. Das Wasser war still und versprach Sicherheit. Ich erkannte, er wollte mehr, er wollte eine starke Frau, die ihn stützte, Kinder, die ihn liebten, ein warmes Heim.
Читать дальше