„Das sind die Zwillingsschwerter von Asylya!“
„Zwillingsschwerter?“
„Passend, nicht wahr?“ Fuhr sie leicht amüsiert fort: „Außer den unterschiedlichen Edelsteinen in den Köpfen, wirst du keinen Unterschied zwischen ihnen finden können. Es heißt jedoch, sie besitzen gewisse Eigenarten, die sehr unterschiedlich sind.“
Mirna nickte leicht mit ihrem Kopf und direkt über den Schwertern tauchten zwei meisterhafte Scheiden auf, an denen ein Geschirr angebracht war, so dass man beide Schwerter auf dem Rücken tragen konnte. Ein weiteres nicken der Göttin brachte die Schwerter in Bewegung, so dass sie in ihre Scheiden fuhren. Nun trat sie auf die Waffen zu und nahm sie in ihre Hände.
„Es heißt, es gibt keinen Stahl den diese Waffen nicht durchtrennen.“ belehrte sie den Kriegszauberer: „Jedes Schwert für sich allein ist eine mächtige Waffe. Wer aber in der Lage ist, beide Schwerter gleichzeitig zu führen, ist vor jeglicher Art von Magie geschützt.“ Bedächtig näherte sie sich Vitras und streckte ihm die Waffen entgegen:
„Ich möchte, dass du die Zwillingsschwerter unserem Enkel übergibst, sobald er alt genug ist, mit diesen Waffen umzugehen. Da er nicht die magischen Fähigkeiten seiner Schwester besitzt, soll dies mein Geschenk für ihn sein. Wenn es eines Tages zum Kampf gegen ES kommt, werden die Schwerter ihn vor der Magie des Dämons schützen.“ Voller Ehrfurcht nahm Vitras die Waffen entgegen.
„Außerdem,“ fuhr die Göttin fort: „Werden dir die Schwerter mit Sicherheit ebenso gute Dienste leisten, bis du sie ihm eines Tages überreichen kannst. Auf jeden Fall bessere als dein lächerlicher Stab.“
„Lächerlich?“ Brummte Vitras ungehalten.
Mirna überging seinen unwirschen Einwand und brachte ihn stattdessen mit einem Wink dazu, seinen Blick wieder auf das Pferd zu richten. Es war urplötzlich gesattelt und blickte neugierig zu ihnen herüber. Mirna ging zum Pferd und strich mit ihrer rechten Hand über die linke Satteltasche:
„Bevor du dich auf den Weg nach Darkan machst, um die Kinder zu retten, solltest du dich entsprechend kleiden.“ Dabei strafte sie ihn mit einem beinahe abfälligen Blick:
„Bei deinem jetzigen Aussehen, lässt man dich in Darkan nicht einmal die Pferdeställe ausmisten, wenn man dich überhaupt durch die Stadttore lässt.“
Vitras nahm die Schwerter und verstaute sie zunächst in der Sattelpacktasche als ihm ein Gedanke kam.
„Mir ist ein Name für das Pferd eingefallen, von dem ich denke, dass er dich erfreuen wird!“
Da eine Antwort ausblieb, drehte er sich um. Doch Mirna war verschwunden. Der Kriegszauberer blickte in alle Richtungen, wobei er um das Pferd herumging. Dann schüttelte er leicht seinen Kopf:
„Sie liebt noch immer die großen Abschiede,“ murmelte er leise: „Genau wie vor zwanzig Jahren!“
Dann wandte er sich wieder der prächtigen Stute zu und strich ihr zärtlich über die Nüstern:
„Hallo Audris!“ Flüsterte er dem stolzen Tier ins Ohr. Ein freudiges Scharren mit den Vorderhufen verriet ihm, das Audris mit dem Namen der Göttin der Jagd und Mirnas Schwester einverstanden war. Als nächstes überprüfte Vitras den Inhalt der Satteltaschen. Er zog ein Päckchen hervor und wickelte vorsichtig den hauchdünnen Stoff vom Inhalt. Beinahe blieb ihm das Herz stehen und plötzlich verstand er den tieferen Sinn der neckischen Bemerkungen Mirnas, bezüglich seines Aussehens. Er hielt ein kostbares schwarzes Gewand der Kriegszauberer von Kushtur in seinen Händen. Die Robe war an den Ärmeln, sowie auf der rechten Brustseite, mit feinen goldenen und roten Runen versehen, die den Träger als mächtigsten Kriegszauberer auswiesen. Es war die gleiche Robe, die ihm damals in der großen Halle überreicht wurde und die er trug, als er Mirna das erste Mal begegnete. Vitras packte die Robe zunächst wieder in die Tasche, als ihm ein wesentlich kleineres Päckchen auffiel. Er nahm es und wickelte auch dieses aus, dessen Inhalt sich in einer Schachtel befand. Mirna hatte an alles gedacht! In der Schachtel befand sich sein ledernes Stirnband, in dessen Mitte, ein kraftvoller magischer Rubin eingearbeitet war. Aus diesem Stein konnte er magische Kraft ziehen, wenn die ihm innewohnende magische Quelle so erschöpft war, dass sie sich erst wieder regenerieren musste. Der Kriegszauberer dachte seinen persönlichen Magiestein, seit Jahren als verloren. Er legte das Stirnband mit dem Stein zurück in die Schachtel und verstaute auch diese zunächst wieder in der Satteltasche. Dann machte er sich daran, Filou sein Reiseplätzchen in der anderen Tasche zu bereiten. Freudig kletterte das Frettchen in die Tasche als Vitras damit fertig war. Filou liebte diese Art zu reisen.
Nachdem der Kriegszauberer sich davon überzeugt hatte, dass in den traurigen Überresten seiner Hütte tatsächlich nichts brauchbares mehr vorzufinden war, ließ er ein letztes Mal seinen Blick über die Lichtung schweifen. Viele Jahre, war dieser friedliche Ort zu seiner zweiten Heimat geworden. Vitras blickte hoch zu den Wipfeln der Schwarzerlen, hinter denen Harun Ar Sabah verschwand. Es ging ihm durch den Kopf, welche furchtbare Macht dem großen Übel schon jetzt innewohnte. Zu was ES fähig sein mochte, sobald er soweit wäre die Welt der Lebenden zu betreten, ließ Vitras erschauern.
Der Kriegszauberer stieg in den Sattel und klopfte Audris noch einmal zärtlich den Nacken:
„Nun denn meine Schöne, dann lass uns mal sehen wozu wir zwei in der Lage sind.“
Audris antwortete ihm mit einem lauten, freudigen wiehern. Vitras drückte mit seinen Beinen sachte gegen die Flanken des Tieres und Audris verstand sofort. Pfeilschnell schoss es den Pfad hinunter. Von den Doronischen Wäldern bis zur Hauptstadt des Darkanischen Reiches, benötigte man normalerweise mehrere Wochen. Doch Audris war kein normales Pferd. Hindernisse, schien die Stute überhaupt nicht wahrzunehmen. Das Pferd sprang mit einer Leichtigkeit, über umgestürzte Bäume, kleinere Flüsse oder sonstigen Barrieren. Viel schneller als erwartet, erreichten sie die ersten besser ausgebauten Handelsstraßen. Im halsbrecherischen Tempo galoppierte die Stute weiter. Als ob sie auf diesem Untergrund erst recht in ihrem Element war. Vitras war plötzlich äußerst zuversichtlich, dass sie ihr Ziel weitaus früher erreichen würden, als er es zu Beginn noch für möglich gehalten hätte.
Der Thronsaal der Darkanischen Herrscher, war eine reine Zurschaustellung purer Macht, was in erster Linie dazu dienen sollte, Gesandten anderer Nationen und Königreichen, die pure Überlegenheit des Darkanischen Reiches vor Augen zu führen. Der gewaltige Saal war ganz bewusst äußerst düster gehalten und vermittelte somit jedem Besucher ein beklemmendes Gefühl. Vier Reihen von Säulen, aus schwarzem Tygischem Marmor, bildeten eine Phalanx, vom Thron bis hin zur gegenüberliegenden riesigen Doppeltür aus massivem Eichenholz. In den Wänden links und rechts vom Thron, waren mannshohe Nischen eingelassen, in denen jeweils eine Person Platz hatte. Zu jeder Tag und Nachtzeit, waren diese Nischen mit Soldaten der gefürchtetsten Eliteeinheit der Darkanischen Armee besetzt – den Blutwölfen. Jeder dieser Männer hatte einen heiligen Eid auf den Herrscher geschworen. Sie alle waren bereit, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, für Godvere Garien in den Tod zu gehen. Die langen schwarz gefärbten Fellumhänge, sowie ihre aus Wolfsköpfen gefertigten Helme, verliehen ihnen ein finsteres, bedrohliches Aussehen. Über den Nischen, von denen sich auf jeder Längsseite fünfundzwanzig befanden, hingen wie Trophäen die Flaggen der besiegten Königreiche, welche nun dem Darkanischen Reich eingegliedert waren. Der Fußboden des gewaltigen Raumes bestand komplett aus schwarzem Granit. Rund um den gesamten Saal befanden sich zwei Galerien, wobei die oberste selbst bei Empfängen, niemals geöffnet wurde. Auf ihr hielten die besten Armbrustschützen des Reiches ein wachsames Auge auf ihren Herrscher.
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