Depesche 1 Das Waschbeckenbett Depesche 1 Das Waschbeckenbett Zähneputzen ist angesagt. Ich gehe ins Badezimmer, greife den Zahnputzbecher und angle nach der Warmwasser Armatur. Da kollidiert meine Becherhand, die ich unter den Wasserhahn manövrieren will, mit seidenweichem Katzenpelz. Was ist denn das? Rani liegt im Waschbecken! Wie schade, dass ich nicht sehen kann, ob sich ihre Schnurrhaare mir entgegenrecken, abwehrend oder willkommenheischend, und welchen Blick mir ihre Goldtaleraugen zuwerfen. »Das ist MEIN Waschbecken, Herrchen!«, »Hier liegt es sich ja SOOO bequem!« oder »Du wirst doch nicht das Wasser aufdrehen?« Rani und ihr weißer Onkel lieben es, sich in Kuhlen und anderen Vertiefungen zu kuscheln, Shirkan auch mal in der Küchenspüle und Rani – zu Frauchens Schreck – im frisch gesäuberten Katzenklo. Auf dem Küchenbalkon teilen sich beide eine tönerne Pflanzschale. Unsere »Schalentiere«, wie Frauchen Elke sie liebevoll getauft hat, füllen ihren Wohntopf aus wie Backteig eine Rundform und schauen in die Lande, so selbstbewusst und stolz wie weiland ein Ritter von den Zinnen seines Burgturms.
Depesche 2 Ein fast ver–apple–ter Kater Depesche 2 Ein fast ver–apple–ter Kater Shirkan, unser Katzen–Beau, liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Sein Glück ist vollkommen, wenn ein Besucher »Bist du aber schön!« sagt. Dann trampelt er mit allen vier Beinen, sich dabei im Kreis drehend und seine beiden Vorderpfoten abwechselnd mit umgeklappter Tatze in die Höhe haltend. Ein süßer kleiner Tanz! Unser Star lässt – natürlich! – keine Gelegenheit aus, sich für Fotos in Positur zu schmeißen. Sieht er eine Kamera, zeigt er sogleich eine seiner vielen Schokoladenseiten, und seine Augen werden groß und blau wie das adriatische Meer. Deshalb war Frauchen Elke auch fürbass erstaunt, als sie ihr neues iPhone zwecks Ablichtung auf Shirkan richtete und der Kater die gewohnte Reaktion vermissen ließ. Er schaute nicht nur nicht ins Objektiv, sondern weigerte sich auch beharrlich, in Elkes Richtung zu blicken oder »hübsch« auszusehen. Entsprechende Bitten ignorierte er hartnäckig. Da drückte Frauchen auf den Auslöser, um die personifizierte Widerborstigkeit auf die Platte zu bannen. Und siehe da: Das Klicken durchzuckte den Blauaugenkater wie ein Stromstoß. Er fuhr herum und setzte sich hin wie im Porträtstudio, man könnte sagen: Mit breitem Fotolächeln. »Ach so«, sagte seine Miene, »das Ding ist auch eine Kamera! Sorry, hab ich nicht gewusst!« Jetzt sagen Sie nicht »Ja und?« Überlegen Sie bitte einmal, dass der Kater wahrscheinlich nicht wissen kann, was eine Kamera, ein Foto und ein Auslösegeräusch ist. Irgendwie hat das Tier begriffen, dass es gut ist, wenn es beim ‚Auftauchen von Fotoapparaten still sitzt und freundlich schaut! Diese Erkenntnis setzt enorme Klugheit voraus und eine erstklassige Kombinationsgabe. Ich selber werde den Verdacht nicht los, dass der Kater viel mehr versteht und weiß, als wir phantasielosen und überheblichen Dosenöffner ahnen!
Depesche 3 Die Stöhnerin Depesche 3 Die Stöhnerin Etwas reißt mich aus Traum und Schlaf. Es war ein Geräusch – aber welches? Es ist momentan grabesstill im Schlafzimmer. Habe ich nur geträumt? Nein, da ist es wieder – ein langgezogenes, brünstiges Stöhnen, das in einem weiblichen Wimmern endet und sich sofort wiederholt. Sind die Nachbarn im Vermehrungsrausch? Mir fällt die mysteriöse Unbekannte ein, die vor Jahren das ganze hellhörige Haus akustisch an ihren Höhepunkten teilhaben ließ, die sich aneinanderreihten wie die Alpengipfel in den Dolomiten. Wie kam es nur, fragten sich die unfreiwilligen Lauscher, dass die orgiastische Darbietung von überallher zu tönen schien, von oben und unten, rechts und links zugleich, und einem im Erdgeschoss genauso die Tränen in die Augen trieb wie unterm Dach? Hat das Lustgewinsel aufgehört? Nein, nach einer kleinen Pause geht es weiter. Aber es hat sich verändert: Das Wimmern ist einem Schnorcheln und Schnaufen gewichen, einem Schniefen und – ja was? – Schnarchen! Schnarchen??? Ich wache endgültig auf. Natürlich Schnarchen, was denn sonst? Unterm Bett liegt unsere vollschlanke Oberkatze Sita und röchelt, fiept, seufzt, pustet und prustet im Tiefschlaf. Ab und zu weint und winselt sie auch, wenn sie schlecht träumt, oder sie sägt, wie ein betrunkener Matrose. Erleichtert drehe ich mich so, dass ich, an der Matratze horchend, in den vollen Genuss von Sitas Solo komme. Es gibt keine bessere Einschlafdroge.
Depesche 4 Schnurr–scheu Depesche 4 Schnurr–scheu Eine von Shirkans Eigenheiten besteht darin, dass er nicht schnurrt. Jedenfalls nicht hörbar. Streichelt man sein Seidenfell, kann man fühlen, dass es tief in seinem Innern leise vibriert. Er schnurrt – aber sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit! Wir fragen uns seit Jahren, ob das edle Tier nicht kann oder nicht will. Vielleicht ist ihm lautes Schnurren – bei Sita klingt es wie ein Fünf–PS–Elektro–Rasenmäher in voller Aktion – einfach nur zu plebejisch! Heute hat sich der blaublütige Schlingel aber verraten: Elke hatte ihn auf den Arm genommen, weil Shirkan sich so kuschelig anfühlt und weil er so komisch (mit lautem »Määäh!« wie ein Lamm) jammert, und präsentierte ihn mir. Ich drückte meine Nase vorsichtig gegen seine. (In Katzenkreisen ist das als »Nasenkuss« bekannt.) Die Reaktion war eine Eruption, ein epochales, bisher einmaliges »PURRR–PURRR!!!«, laut wie Sita. Zwei Schnurrer, dann zog der Kater, von sich selber überrascht, die Notbremse. Jetzt warten wir, dass er sich wieder vergisst ...
Depesche 5 Wenn die Katze vorgeht ... Depesche 5 Wenn die Katze vorgeht ... Es gibt Vorsänger, Vorsteher, Vorkoster und Vorläufer, dazu Vorbeter, Vorturner‚ Vorleser und Vorredner. Soweit mir bekannt, gibt es ein ganz exklusives Mitglied der Vor–Familie nur bei uns – den Vorwecker in Gestalt der Katze Rani. Unser kleines Grauchen mit der Kinderstimme ist nämlich dazu übergegangen, Frauchen Elke fünf Minuten vor dem Klingeln ihres Weckers aus dem Schlummer zu holen. Wie das? Indem sie auf ihrem Schlafstuhl am Fußende von Elkes Bett mit »SCHLAPP! SCHLECK! SCHLAPP!« eine superlaute Putzorgie startet. Haben Katzen eine Vor–Ahnung, wann der Wecker klingeln wird? Wir erinnern uns an Ela, die Vorläuferin der Dreierbande (siehe www.fineboox.de) die so oft fünf Minuten vor dem Weckerkrach in Frauchens Bett kletterte und sich an deren Bauch kuschelte. Und es ihr somit fast unmöglich machte, rechtzeitig aus den Federn zu kommen ...
Depesche 6 Ein kätzischer Drogenbericht Depesche 6 Ein kätzischer Drogenbericht Seit es wieder warm ist, sprießt auf unserem großen Balkon die Katzenminze. Elke hat das Lieblingskraut der Stubentiger mit selbst gezogenen Körnern in alle möglichen Töpfe gesät, zu den Feuerlilien und der Clematis, und überall zeigen sich jetzt die duftenden pelzigen Blättchen. Die beiden Katzendamen Sita und Rani sind verzückt, während Shirkan überhaupt nichts von Drogen hält, weil sie ja eventuell der Schönheit schaden könnten. Derweil tanzen und singen die Kätzinnen, strahlen vor Glück und geben ausgelassen Köpfchen. Wenn da nur das lästige Problem mit der Einnahme des Rauschmittels nicht wäre! Das Raubtiergebiss mit seinen weit auseinander stehenden Reißzähnen ist zum vegetarischen Äsen denkbar ungeeignet. Man beißt und zerrt und pflückt – und was hat man geerntet? Nichts! Auf menschliche Verhältnisse übertragen wäre das etwa so, als versuche man, mit den Zinken eines Gartenrechens eine Haselnuss vom Boden aufzuheben! Es müssen Tantalusqualen sein. Sita ist ob all der Frustration so mit den Nerven herunter, dass sie es kaum fertigbringt, vom hilfreichen Frauchen gepflückte und mundgerecht präsentierte Minzeblättchen entgegen zu nehmen. Sie lässt die Ware so oft fallen, dass der Drogendeal erst im achten Anlauf gelingt ...
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