„Au!“
Es war die Wohnungsklingel.
Sie stolperte aus dem Bad, griff nach dem Bademantel, der an einem Garderobehaken hing, und schlüpfte schnell hinein. Sie hatte sich noch gar nicht richtig abgetrocknet. Wer konnte das sein?
Als sie die Tür geöffnet hatte, fiel ihr die Kinnlade herunter.
Ihre Eltern standen vor der Tür und sahen sie erwartungsvoll an.
„Was macht ihr denn hier?“ stammelte sie.
„Wir wollen doch gerne mal sehen, wie du jetzt wohnst. Du meldest dich ja nicht!“ sagte ihre Mutter vorwurfsvoll.
Sie gab Maren einen Kuss auf die Wange und schob sie sanft zur Seite, um eintreten zu können und ihr Vater folgte auf dem Fuß. Er musterte seine Tochter kritisch.
„Du bist ja ganz nass! Trockne dich doch erst einmal ab. Müsstest du nicht längst beim Frühstück sitzen? Ihr habt doch eure Dienstbesprechung.“
Maren versuchte sich zu erinnern, in welchem Zustand ihr Wohn- und Schlafzimmer gerade war. Am Besten, sie lotste ihre Eltern in die Küche.
„Kommt hier herein, bitte. Soll ich euch einen Kaffee machen?“
„Du müsstest doch wissen, dass wir nur Tee trinken“ sagte ihre Mutter indigniert. „Wir haben schließlich 25 Jahre lang in einem Haus gewohnt. Bis du es für nötig gehalten hast, auszuziehen.“
„Dann … dann setze ich Wasser in einem Topf auf“ sagte Maren schnell. Den Wasserkocher hatte sie ja Frauke gebracht.
„Geh dich abtrocknen, Kind, ich mach’ das schon“. Die Mutter sah sich prüfend in der Küche um.
„Hier sieht es nicht so aus, als ob du dir regelmäßig eine warme Mahlzeit kochst“ sagte sie.
Maren nahm einen Kleiderhaufen vom Stuhl - die alte Unterwäsche musste nochmal herhalten - und beeilte sich, zurück ins Bad zu kommen. Sie sollte ihre Eltern nicht allein lassen, immer steckten sie ihre Nasen in Dinge, die sie nichts angingen.
Das war auch der Grund, warum Frauke nicht in eine WG mit ihr ziehen wollte. „Solange du es nicht schaffst, deinen Eltern die klare Ansage zu machen, dass sie sich aus deinem Leben raushalten sollen, werde ich garantiert nicht mit dir zusammen wohnen!“
Frauke war manchmal knallhart. So wollte Maren nicht sein. Als sie, notdürftig abgetrocknet, und ohne ihr Gesicht eingecremt zu haben, in den Flur zurückkam, waren ihre Eltern nicht mehr in der Küche, sondern in ihrem Schlafzimmer.
Ihr Vater stand über den Schreibtisch gebeugt und ihre Mutter kniete vor dem geöffneten Kleiderschrank und zog ihre Schmutzwäsche hervor.
„Was machst du da?“ rief Maren erschrocken. „Lass meine Wäsche in Ruhe!“ Sie spürte, wie ihr der Angstschweiß aus den Poren trat.
„Was ist denn das für ein Ton?“ sagte ihr Vater. „Deine Mutter will dir nur helfen.“
In Maren stieg Panik auf. Sie konnte bereits eine der beiden grünen Reisetaschen sehen. Sie ging rasch zum Schrank, hockte sich neben ihre Mutter und fing an, die Wäschestücke wieder zurück zu schieben.
„Was machst du?“ schimpfte ihre Mutter. „Sei froh, dass ich dir die Wäsche waschen will!“
„Das ist lieb von dir, aber ich … ich komme sehr gut klar. Wirklich!“
„Du hast doch überhaupt keine Waschmaschine. Und keinen Trockner. Morgen um die Zeit hast du die Sachen sauber und gebügelt wieder zurück.“
„Nein, Mama!“
Beide Eltern sahen sie entgeistert an.
„Was ist denn los mit dir? Bist du krank?“ fragte ihre Mutter.
In Maren arbeitete es fieberhaft. „Also gut, ich gebe dir meine Wäsche mit. Aber ich packe sie selbst in die Tüten!“
„Ich wollte diese Reisetaschen da nehmen. Die kenne ich gar nicht“ sagte ihre Mutter und deutete auf den Wäschehaufen, unter dem die Taschen versteckt waren.
„Die gehören mir auch nicht“ sagte Maren hastig. „Ich habe hier irgendwo eine große Ikea-Tasche …“
Sie fing an, eine Kiste zu durchwühlen, die neben dem Schreibtisch stand.
Verdammt! Ausgerechnet heute Morgen müssen die beiden auftauchen.
Sie hatte vorgehabt, am Vormittag die letzten beiden Kisten zu leeren und endlich auch mal sauberzumachen.
„Das ist doch kein Zustand, Maren“ sagte ihr Vater. „Nichts gegen deine Freundin, aber ich habe schon schönere Wohnungen gesehen. So kannst du doch nicht leben!“
Das war ungerecht. Frauke konnte nichts dafür, wie die Wohnung aussah. Und sie war eine der ordentlichsten Frauen, die Maren kannte.
Nein - die ordentlichste.
„Es gefällt mir sehr gut hier“ sagte sie trotzig. Aus der Küche drang das zischende Geräusch von kochendem Wasser, das überlief und verdampfte.
Sie reagierte nicht darauf. Sie würde sich keinen Zentimeter wegbewegen, bis ihre Wäsche in Tüten verstaut und die Schranktüren geschlossen waren.
Ihre Mutter erhob sich mühsam und blickte sie vorwurfsvoll an.
„Ich würde ja Tee kochen, aber ich weiß nicht, wo du die Beutel aufbewahrst. Und dann bist du wieder sauer, nur weil ich die Packung suche!“
„Ich komme gleich, Mama“ sagte sie mit einem schlechten Gewissen. „Setzt euch doch “ - verdammt, das Bett ist nicht frei und Papa sitzt auf dem einzigen Stuhl - „in die Küche und wartet einen Augenblick, ich bin gleich da“.
Ihr Vater, der die Post auf ihrem Schreibtisch gemustert hatte, stand auf. „Komm, Doris, wir sind hier, glaube ich, nicht willkommen.“
Ihre Eltern schauten erwartungsvoll zu ihr hinüber. Normalerweise hätte sie ihnen jetzt versichert, dass sie hier sehr willkommen waren und sich anschließend entschuldigt, dass die Wohnung nicht besser in Schuss war.
Aber etwas in Maren hinderte sie daran, diese Sätze zu bilden. Ihr schlechtes Gewissen verstärkte sich. Während sie noch überlegte, was sie Versöhnliches sagen könnte, stieß ihre Mutter aus:
„Du kannst mir die schmutzige Wäsche bringen. Du weißt ja, wo wir wohnen.“
Mit einem verletzten Blick in Richtung Maren ging sie zur Wohnungstür; ihr Vater folgte. Die Tür fiel mit einem lauten Krachen ins Schloss und Maren hörte, wie ihre Mutter „Ach!“ ausstieß. Sie hatte, solange Maren denken konnte, ihre Tochter ermahnt, keinen Lärm zu verursachen, leise und rücksichtsvoll zu sein.
Ihre Eltern waren verschwunden.
„Puh!“
Maren ließ sich auf das Bett fallen.
Das war knapp gewesen!
Sie hatte immer noch ein schlechtes Gewissen. Aber eines stand fest:
Sie würde ihre Wäsche nicht von ihrer Mutter waschen lassen. Nie wieder.
Ich werde die verdammte Wäsche nehmen und zu Frauke bringen. Die hat eine Waschmaschine. Fertig .
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