Mutterseelenallein schliefen wir traumlos und ungestört bis in den späten Morgen. Den Appetit für unser wie immer ausgiebiges Frühstück holten wir uns bei einem erfrischenden Bad. Später ging es so weiter wie am Vortag, d.h. am Nachmittag stellte sich plötzlich bei mir ein sehr unangenehmer Durchfall ein, nur gut, dass unsere Toilette am Vortag auf einem Campingplatz entleert worden war. Was hatte ich falsch gemacht, getrunken wurde grundsätzlich nur Mineralwasser aus Flaschen, sogar die Zähne damit geputzt, nur Gebratenes oder Gekochtes gegessen, kein Speiseeis angerührt; sollte tatsächlich der frische Salat in Pamukkale die Ursache gewesen sein? Nun, jedenfalls konnte ich mich nicht weit von unserem Mobi entfernen. Wie gut, dass wir für alle Fälle einige Dosen guten Eintopf aus der Heimat dabei hatten, trotz ständigem Grummeln im Bauch ließ ich mir die Kartoffelsuppe mit Würstcheneinlage schmecken.
In der Nacht bekamen wir leider kaum ein Auge zu, der Generator aus dem Restaurant lief durchgehend bis 3.00 Uhr morgens, und damit nicht genug, aus der Musiktruhe dröhnte für unsere Ohren sehr gewöhnungsbedürftige auf- und abschwellende türkische Musik. Entsprechend zerschlagen wachten wir erst gegen 9.00 Uhr auf. Trotz Kohle- und anderer Spezialtabletten aus der Reiseapotheke war der Durchfall nicht viel besser geworden, außerdem ging es mir sehr schlecht.
Da wir uns am nächsten Tag in
einschiffen mussten, wollten wir schon am Abend vorher am Fährhafen sein. Also brachen wir am Vormittag auf, machten unterwegs an der Küste an einsamer Stelle noch eine Erholungspause mit Pfefferminztee und trockenen Keksen. Aber es half alles nichts, die letzten Kilometer verbrachte ich auf der Toilette sitzend mit einem Eimer auf dem Schoß, das wenige, was ich gegessen hatte, wieder qualvoll herauswürgend. Am frühen Abend im zentral in der Stadt gelegenen Fährhafen angekommen, reihten wir uns in eine schon vorhandene kurze Warteschlange ein, ein leckerer Gemüseeintopf verhalf uns zu einem warmen Essen an Bord, danach wurde bei leiser Musik relaxed, gelesen und der uns in der letzten Nacht entgangene Schlaf nachgeholt.
Da ich leider auch am nächsten Morgen noch nicht einsatzfähig war, musste mein Schatz die nötigen Formalitäten erledigen, d. h. im Hafenbüro die Tickets vorlegen und anschließend mit den Pässen und dem Fahrzeugschein zu der im selben Gebäude befindlichen Hafenpolizei. Es dauerte zwar etwas länger, aber mit Hilfe seines Stockes schaffte er es und kam nach einiger Zeit mit einem Ausreiseformular zurück, das wir noch auszufüllen und beim Einfahren in die Fähre abzugeben hatten.
Das schneeweiße Schiff lag bereits am Kai, am frühen Nachmittag begann man mit der Beladung, die sich ziemlich katastrophal gestaltete, es wurde hin- und hergestapelt, die Kommunikation funktionierte auch nicht so besonders, so dass es eine Weile dauerte, bis man uns an den richtigen Platz bugsiert hatte. Aber von da an klappte alles sehr gut, ein freundlicher Gepäckträger erwartete uns bereits und brachte uns zu unserer Kabine. Ein Blick aus den Bullaugen, dicke schwarze Wolken waren am Himmel aufgezogen, und es fing an zu pladdern, der erste Regen in diesem Urlaub.
Um 16.00 Uhr hieß es Leinen los, und unser Schiff machte langsame Fahrt voraus. Als erstes setzte ich mich mit der an Bord befindlichen Ärztin in Verbindung, ihr von meinen Schwierigkeiten berichtend. Sie gab mir ein Röhrchen Tabletten, von denen ich sofort 2 und dann 3 über den Tag verteilt schlucken sollte. Als wir schließlich fein gemacht zum Abendessen im elegant eingerichteten Salon eintrafen, ging es mir schon wesentlich besser, und zusammen mit unseren Tischnachbarn, ein sehr nettes Ehepaar aus Göttingen ungefähr im gleichen Alter, probierten wir fast alles, was das umfangreiche, liebevoll aufgebaute Büfett zu bieten hatte. Inzwischen blies der Wind mit Sturmstärke, und nachdem wir die große Bucht hinter uns gelassen hatten, empfing uns das Ägäische Meerschwarz und aufgewühlt mit weißen gischtenden Schaumkronen. Um unser mit Appetit verspeistes Abendessen bei dem heftigen Schlingern des Schiffes nicht Neptun opfern zu müssen, schluckten wir prophylaktisch entsprechende Tabletten, bei jeder Reise dabei, die uns trotz der Schaukelei tief und traumlos schlafen ließen.
Am kommenden Morgen war der Spuk vorbei, smaragdgrün das Meer, tiefblau der Himmel mit weißen Wattewölkchen, strahlend die Sonne, und so blieb es die noch folgenden 2 ½ Tage auf See. Also verbrachten wir die Zeit zwischen den immer sehr abwechslungsreichen und leckeren Mahlzeiten fast ausschließlich auf dem großen Sonnendeck, lesend, in netter Unterhaltung oder einfach nur relaxend.
Die Inselgruppen der Sporadenund Kykladenim Ägäischen Meerhatten wir längst hinter uns gelassen, den Peloponnes, die südliche vierfingrige Halbinsel Griechenlands, umrundet, durchkreuzten das sich zwischen der Westküste Griechenlands und Unteritalien ausbreitende Ionische Meer, um dann im Adriatischen Meeran der Ostküste des Stiefels entlang am Samstagnachmittag unser Ziel, die an der nördlichen Spitze liegende Lagunenstadt
zu erreichen, deren Schönheit wir bereits 20 Jahre zuvor mit unseren Kindern auf einer unserer Ferienreisen an die Strände Italiens kennen gelernt hatten. Mittels Pfahlrosten auf etwa 120 eng aneinander liegenden Inseln erbaut, von zahlreichen kleinen Kanälen durchschnitten, verbunden durch rund 400 Brücken, übt sie mit ihrer Vielzahl wunderschöner alter Paläste, Kirchen und anderer berühmter Bauwerke noch immer eine große Anziehungskraft auf ihre unzähligen Besucher aus, obwohl sie auf dem schlammigen Untergrund langsam im Wasser versinkt.
Natürlich standen wir an der Reling, als wir auf der „Prachtstraße“ Venedigs, dem 3.800 m langen und bis zu 70 m breiten Canale Grande,gesäumt von imposanten Bauten aus alter Zeit, langsam an dem prächtigen Dogenpalastmit seinen kunstvoll verzierten Arkaden vorbeiglitten, dahinter am Markusplatzaufragend die fünf mächtigen Kuppeln der Sankt-Markus-Kircheund der viereckige hohe Campanile, ein berühmter Glockenturm. Venedigund seine Lagunewurden 1987 von der UNESCOzur Welterbestätteerklärt.
Die letzte Strecke bis zu unserem Anleger wurden wir von einem Lotsenschiff bugsiert. Zu dem Zeitpunkt befanden wir uns jedoch nach einer Lautsprecherdurchsage bereits in irrem Gedränge im Salon, wo sämtliche Pässe der Passagiere, zu Beginn eingesammelt, jetzt in heillosem Durcheinander auf einem großen Tisch liegend, durch einzelnes Aufrufen der Namen wieder ausgeteilt wurden, eine sehr langwierige Prozedur, immerhin waren über 500 Personen an Bord. Das Ausschiffen klappte dann wenigstens einigermaßen gut.
Nachdem wir im Konvoi die Autostraße, die Venedig mit dem Festland verbindet, hinter uns gebracht hatten, gingen wir auf die Autobahn und brausten ohne Aufenthalt durch die fruchtbare Poebene bis an den etwa 120 km entfernten herrlichen Gardasee, das größte Binnengewässer
inmitten grandioser Gebirgskulisse der Voralpen. Genau zur rechten Zeit, unsere Uhren hatten wir inzwischen wieder um eine Stunde zurückgestellt, stießen wir auf eine ideale Übernachtungsmöglichkeit, einen naturbelassenen Parkplatz direkt am südöstlichen Ufer, unmittelbar daneben eine große Liegewiese mit Badestrand.
Dort wurden die Siebensachen aber gerade eilends zusammengepackt, denn am Himmel hatte sich ein gewaltiges Gewitter zusammengebraut, das sich kurze Zeit später mit Blitz und Donner und kräftigem Regenguss entlud. Der See schwarz und drohend mit weißen Schaumkronen durch den aufkommenden Sturm. Alles, was noch unterwegs war an Seglern, Motoryachten, Ruder- und Paddelbooten strebte so schnell wie möglich dem schützenden Ufer zu. Da wir keine Lust hatten, diesen schönen Platz wieder zu verlassen, gab es aus den noch vorhandenen Vorräten ein leckeres Abendessen an Bord. Bei immer noch trommelndem Regen holten wir zum ersten Mal in diesem Urlaub unser Kniffelspiel aus dem Schrank und würfelten, was das Zeug hielt, bis uns die Müdigkeit übermannte.
Читать дальше