Nicht weit entfernt die nächste historische Stätte, Ephesus, in der Antike bedeutende, erst griechische, dann römische Handelsstadt. Sie wurde seinerzeit einige Male verlegt, da die Hafenanlagen immer wieder versandeten. Die eindrucksvollen Ruinen, die man heute noch sieht, stammen aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.. Das ausgedehnte Gelände ganz zu erkunden, war natürlich für meinen Schatz unmöglich, also blieb er nach kurzer Zeit wieder auf einem der großen Steinbrocken zurück, während ich weiter auf Entdeckungstour ging. Breite, etwas unebene aus verschieden großen Stücken gebaute Marmorstraßen führen vorbei an zum Teil gut erhaltenen prunkvollen Fassaden und palastähnlichen Wohnkomplexen mit Treppen, mächtigen Toren und Säulen. Erstaunlich viel ist noch zu sehen von der Bibliothekdes römischen Senators Celsus,auch das große Theatermit seinen 66 Sitzreihen vermittelt einen überwältigenden Eindruck. Vom berühmten Artemistempel, einem der Sieben Weltwunder der Antike, ist außer einigen Fundamentblöcken leider nichts mehr zu sehen.
Mein Schatz war während meines Ausfluges in die Geschichte inzwischen zu unserem auf dem nahen Parkplatz stehenden Mobi zurückgekehrt, und als ich voll mit Eindrücken dort wieder eintraf, rückte gerade ein junger Mann mit einem großen Eimer voller Wasser und einer Auswahl an Lappen der dicken Staubschicht auf den Leib, natürlich für ein angemessenes Bakschisch.
Seine Beschreibung des kürzesten Weges zum Strand mussten wir jedoch missverstanden haben, denn wir landeten auf abenteuerlicher unbefestigter Gebirgsstraße mit atemberaubenden Abgründen ohne Wendemöglichkeit; großes Aufatmen, als eine Abzweigung uns nach langer Irrfahrt endlich zurück an eine Hauptstraße führte. Diese brachte uns an einen riesigen, fast ganz von hohen Bergen und bewaldeten Hügeln eingerahmten See, den Bafa Gölü. Da die Hitze inzwischen mörderisch war, lechzten wir nach einer Abkühlung, kamen aber nur über einen Campingplatz an das Objekt unserer Wünsche heran.
Schon nach kurzer Zeit richteten wir uns unter Eukalyptusbäumen direkt am grasbewachsenen Ufer häuslich ein, Nachbarn weit entfernt, hinter Büschen verborgen. So schnell wie möglich warfen wir uns in die kühlenden Fluten und schwammen weit in den schimmernden See hinaus, das umliegende herrliche Panorama genießend, um anschließend im angenehmen Schatten bei spannender Urlaubslektüre zu relaxen. Die im Kühlschrank noch vorhandenen Vorräte aus der Heimat inklusive eingeschweißtem saftigen Schwarzbrot verhalfen uns zu einem leckeren Abendessen in lauer Luft. Zum ersten Mal erfüllten Klapptisch und Stühle aus dem hinteren Stauraum ihren Zweck. Noch lange ließen wir draußen bei ein paar Gläsern türkischem Wein, erstanden in einem Supermarkt in Izmir, die Seele baumeln, eine flackernde dicke Kerze schützte uns einigermaßen vor den herumschwirrenden Insekten. Über den spiegelglatten See zog der Mond seine leuchtende Bahn, ein klarer Sternenhimmel versprach wieder einen sonnigen Tag. Die Nacht wurde allerdings etwas unruhig, denn, sich allmählich steigernd, setzte ein Froschkonzert ein, dem sich immer mehr „Sänger“ aus dem nahen und fernen Schilfgürtel anschlossen, bis es in einen ohrenbetäubenden Lärm gipfelte.
Als wir nach erfrischendem Morgenbad und ausgiebigem Frühstück gegen 10.00 Uhr aufbrachen, brannte die Sonne schon wieder erbarmungslos vom Himmel, so dass wir so schnell wie möglich der türkischen Riviera, der laut Reiseprospekt türkisblauen Südküste, zustrebten. Doch zunächst stand uns wieder eine nervenzermürbende Fahrt durchs Gebirge bevor, im ersten Gang quälten wir uns 10-15%ige Steigungen empor und schlichen in engen Kurven wieder hinunter, so weit das Auge reichte, bewaldete Hügel, überwiegend niedrige Pinien, sie hoch überragend Gruppen von schlanken dunklen Zypressen, leuchtend gelbe Farbtupfer am Straßenrand mit Blüten übersäte kugelige Ginsterbüsche.
Endlich nach über 200 Kilometern tauchte tief unter uns das von einem leichten Dunstschleier überzogene Mittelmeerauf. Noch ein paar Serpentinen, und wir waren in dem hübschen Hafenstädtchen Fethiye, beherrscht von der Ruine einer gewaltigen Festungsanlage. Einst, d. h. im 4. Jahrhundert v. Chr., lag hier die lykische Stadt Telmessos; in der den Ort überragenden steilen Felswand findet man noch bemerkenswerte Felsengräber aus jener Zeit, mit dem Fernglas sind die zum Teil mit schönen tempelartigen Fassaden geschmückten Eingänge sehr gut zu erkennen. Für uns unerreichbar, deswegen wendeten wir uns schnurstracks dem Meeresufer zu.
Da wir mit dem Wagen leider nicht an den feinsandigen Strand der nahen viel gepriesenen blauen Lagune Ölü Denizherankamen, nahmen wir halt mit dem normalen schmalen, etwas kiesigen Strandstreifen der weiten Bucht vorlieb und stürzten uns sofort mit Begeisterung in die schäumenden Fluten, dieses Vergnügen den ganzen Nachmittag ausnutzend. Zum Abendessen lud der von Weinreben umrankte Garten eines nahen Restaurants uns ein, es gab gefüllte Weinblätter, auf Holzkohle gegrillte zarte Lammkoteletts auf gemischter Gemüseplatte und zum ersten Mal ein typisch türkisches Dessert, Baklava, mit Mandeln, Nüssen und Pistazien gefüllte Blätterteigtaschen, lecker, aber mit Honig übergossen sehr süß.
Kaum hatten wir es uns in unserem Mobi am sperrangelweit offenen Heckfenster wieder bequem gemacht, wies ein vorbeikommender Polizist freundlich aber bestimmt darauf hin, dass das Übernachten am Strand strengstens verboten sei. Enttäuscht packten wir alles zusammen und fuhren im Dunkeln auf einen Gott sei Dank nahen Campingplatz. In drangvoller Enge quetschten wir uns zwischen einen Wohnwagen und ein anderes Mobi, mit dem, wie sich schnell herausstellte, ein sehr nettes etwas jüngeres Ehepaar aus Regensburg unterwegs war. Bis Mitternacht wurden bei uns an Bord bei einigen Gläschen Wein in fröhlicher Runde Erfahrungen ausgetauscht. Lautstarke Streitigkeiten im Zelt hinter uns rissen uns um 2.00 Uhr morgens aus tiefem Schlaf, ohrenbetäubendes Babygeschrei von vorne.
Schon früh am Morgen verließen wir diesen unwirtlichen Ort, um zunächst einmal am noch einsamen Strand in aller Ruhe zu frühstücken. Wie unsere Landkarte uns übrigens zeigte, waren es von unserem Standpunkt aus nur etwa 75 km Luftlinie bis zur Nordspitze von Rhodos, der Hauptinsel der der Ägäischen Küste vorgelagerten Inselkette der Südlichen Sporaden, die, bestehend aus 13 größeren und einer Vielzahl kleiner Inseln zusammen den so genannten Dodekanesbilden, überwiegend in griechischem Besitz. Die Sonne lachte bereits wieder vom wolkenlosen tiefblauen Himmel. Entsprechend gelaunt brachen wir eine halbe Stunde später auf, um schon nach kurzer Zeit, umringt von einer in allen Stimmlagen meckernden riesigen Ziegenherde, schneeweiß die einen, die Böcke schwarz und zottelig mit dicken gewundenen Hörnern, nur noch im Schleichgang voranzukommen. Auf dem bunten Markt in Fethiyedeckten wir uns noch mit frischem Obst, Käse, Brot und Getränken ein, ein paar Flaschen trockener Rotwein durften auch nicht fehlen.
Dann stand uns eine herrliche Fahrt auf gut ausgebauter Straße durch eine unbeschreiblich schöne Gebirgslandschaft, die Ausläufer des quer zur Küste verlaufenden Taurusgebirges, bevor. Fast 300 Kilometer, immer wieder auf weit geschwungenen, dann engen Serpentinen auf- und absteigend, teils durch dichten Pinienwald, teils an atemberaubenden Abgründen entlang, am Straßenrand wunderschön in kräftigem Rosa blühender wilder Oleander, aus der Ferne grüßte von links ein schneebedeckter Zweitausender, während rechts tief unter uns das weite, tatsächlich türkisblaue Mittelmeerin der Sonne glitzerte. Dann tauchten wir ein in ein fruchtbares Tal mit unübersehbaren Zitrusplantagen.
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