Der malerisch an den bewaldeten Hängen des 2.543 m hohen „Ulu Dag“,der höchsten Erhebung im westlichen Kleinasien, gelegenen Stadt
bis 1413 Hauptstadt des Osmanischen Reiches, widmeten wir etwas mehr Zeit. In altbewährter Sightseeingmanier ließen wir uns langsam kreuz und quer durch die mehr oder minder breiten Straßen, soweit möglich auch engen Gassen treiben; reizvolle alte Häuser mit wunderschönen Fassaden, prächtige Mausoleen und immerhin 61 Moscheen bestimmen das gut erhaltene Stadtbild. Auf den Fußwegen und Plätzen ein Gewoge von Menschenmassen, Bursaist nicht zuletzt wegen seiner heißen Thermalquellen ein bevorzugtes Reiseziel. Es gelang uns, wenigstens das wichtigste Bauwerk der Stadt, die Ulu Cami(Große Moschee) aus dem 14. Jahrhundert, aus der Nähe zu bewundern und zumindest in Teilabschnitten aufs Bild zu bannen. Mit ihren 19, mit Versen aus dem Koran geschmückten Flachkuppeln, getragen von 12 Spitzbogenpfeilern gilt sie als ältestes Beispiel einer Pfeilermoschee.
Weiter ging’s durchs Landesinnere, durch Wald und weite Felder, auch hier, Wolken von Staub aufwirbelnd, Gruppen von arbeitenden Frauen, alle in den traditionellen langen schwarzen Tschador gehüllt, die Männer trafen wir palavernd beim Tee in den Straßencafés der kleinen Ortschaften. Nach etwa 100 Kilometern tauchte vor uns wieder das in der Sonne glitzernde Marmarameerauf, dessen Ufer wir dann in mehr oder minder großer Entfernung folgten, bis wir nach weiteren 100 Kilometern die Dardanellen,die Meerenge zwischen der europäischen Halbinsel Gallipoliund KLEINASIEN, erreichten.
Das an der engsten Stelle gelegene hübsche Hafenstädtchen
fanden wir ideal für unsere Übernachtung, zu schön war der Platz direkt am Hafenbecken mit Blick auf die bewaldeten, zum Teil felsig abfallenden Hügel der Halbinsel und die sich am Ufer entlangziehenden Ortschaften, nicht weit entfernt die Mole, an der die schneeweißen Fähren im Wechsel an- und ablegten; praktisch in Rufweite die örtliche Polizei und direkt gegenüber ein einladendes Hotelrestaurant mit großen Aussichtsfenstern. Genau an einem derselben saßen wir etwas angehübscht eine halbe Stunde später und ließen uns in gepflegtem Ambiente, die Tische weiß eingedeckt mit duftendem Blumenschmuck und passenden Kerzen, von einem sehr freundlichen Kellner ein wahrhaft fürstliches Menü servieren. Alles, was die türkische Küche zu bieten hat, folgte in sechs Gängen aufeinander. Dazu ein sehr guter trockener Weißwein, und das alles zusammen für umgerechnet 26,00 DM, sehr erfreulich. Einsam und allein, beschienen von einem hell leuchtenden Mond, stand unser Mobi am Kai, als wir zu später Stunde zurückkehrten. Unter den wachsamen Augen der Polizei schliefen wir jedoch sicher wie in Abrahams Schoß.
Am Samstag stand das nur 30 Kilometer entfernte Trojaauf dem Programm, dieser geschichtsträchtige Ort, bewohnt zwischen 3.000 v .Chr. und etwa 1.000 n. Chr.. Im Jahre 1.300 v. Chr. wurde die blühende Handelsstadt durch ein gewaltiges Erdbeben fast gänzlich zerstört, von dem sie sich nie wieder richtig erholte. Berühmt wurde sie jedoch durch HomersEpos Ilias,das den Trojanischen Kriegbehandelt, der der Sage nach dadurch ausbrach (wahrscheinlich um 1.200 v. Chr.), dass Paris, der Sohn des Königs Priamosvon Troja, die Gemahlin des Spartaner-Königs Menelaos, die schöne Helena, entführte. Der deutsche Kaufmann und Archäologe Heinrich Schliemannentdeckte 1870 bei Ausgrabungen in einem Ruinenhügel (Hissarlik) die ersten Reste des alten Troja, drei Jahre später den sagenhaften Schatz des Priamosund förderte im Laufe von 20 Jahren mehrere Siedlungsschichten zu Tage, die sich durch die nachfolgende Arbeit von drei weiteren Altertumsforschern auf insgesamt neun erhöhten.
Gleich am Eingang der großen Ausgrabungsstätte stießen wir auf eine gewaltige Nachbildung des hölzernen Trojanischen Pferdes, mit dessen Hilfe die Griechen unter dem mächtigen Agamemnonnach zehnjähriger Belagerung die Stadt eroberten, indem sie es den Trojanern als angebliches Weihegeschenk für deren Göttin Athenevor eines der Stadttore stellten, die Trojaner es arglos hineinzogen und den dadurch im hohlen Bauch versteckten Griechen die Möglichkeit gaben, alle Stadttore zu öffnen und zusammen mit der eindringenden Armee die völlig überraschten Trojaner zu überrumpeln.
Als wir mit großen Erwartungen diese historische Stätte betraten, bedurfte es schon einiger Phantasie, um in den kläglichen Mauerresten noch etwas von der Größe des antiken Trojazu entdecken. Mein Schatz blieb auf einem der herumliegenden großen Steinbrocken zurück und ließ von dort aus die sich über einen flachen Hügel ausbreitenden mehr oder minder hohen verwitterten Steinhaufen auf sich wirken, dazwischen wucherndes niedriges Gestrüpp brachte wenigstens etwas Farbe in das Bild. Während meiner Fotosafari auf der anderen Seite des Hügels angelangt, bot sich mir ein herrlicher Ausblick, so weit das Auge reichte, zwischen fast weißen oder bemoosten Felsblöcken ein im leichten Wind wogendes Meer von blutrotem Klatschmohn, in der Sonne leuchtend, darüber ein azurblauer Himmel mit schneeweißen Wolkengebilden, ein sehr dankbares Fotomotiv. Die gesamte archäologische Stätte gehört seit 1998 ebenfalls zum Weltkulturerbeder UNESCO.
Eine Stunde später schraubten wir uns auf einsamer Straße in engen Serpentinen mit immerhin 12% Steigung einen dicht bewaldeten Berg hinauf, keine Menschenseele weit und breit, nur vier zerzauste Wildesel, die ganz gemächlich vor uns die Straße überquerten, zwangen uns dazu, auch noch am Berg zu bremsen. Auf der Kuppe zu unserer Freude ein Aussichtspunkt; an der Brüstung über steilem Felshang hatte ein findiger Händler ein paar Holztische und Stühle aufgestellt und bot seine Ware an. Gern entschieden wir uns für den heißen wohlschmeckenden Tee und einige Stückchen süßes Gebäck, den weiten Blick über eine dunkel bewaldete Hügelkette und silbrig schimmernde Olivenhaine auf das in leichtem Dunst daliegende Ägäische Meergenießend.
Weiter ging’s auf steiler Straße bergab, ein Hügel reiht sich an den anderen, meist mit knorrigem Kiefernwald oder auch schroff und fast kahl, unterhalb des kleinen Örtchens Edremitweite sandige Strände an einer lang gezogenen Bucht, von hoher Warte ein Blick auf die in weiter Ferne schwach zu erkennende große griechische Insel Lesbos. Ein kleiner Abstecher ins Landesinnere führte uns nach Bergamazu Füßen eines fast kahlen Berges. In der Antike hieß die Stadt Pergamon,lag oben auf der Bergkuppe und war die blühende Hauptstadt des Pergamenischen Reiches, 280 v. Chr. gegründet und 133 v. Chr. an Rom fallend. Im 15. Jahrhundert durch Mongolen zerstört, wurde die Stadt unten am Hang wieder aufgebaut, oben blieben die Ruinen. Durch die Ausgrabungen des deutschen Archäologen Carl Humannwurde manche Kostbarkeit zu Tage gefördert, u. a. große Teile des berühmten Zeus-Altars,der, nachdem alle Stücke wie ein Puzzlespiel zusammengesetzt und die fehlenden Teile rekonstruiert wurden, zusammen mit anderen interessanten Funden im Berliner Pergamon-Museumzu bewundern ist.
Unser schon bergerprobtes Mobi brachte uns empor zu den zum Teil gut erhaltenen Zeugen einstiger Pracht, besonders eindrucksvoll das an einem Steilhang gelegene Theatermit den stark abfallenden 80 Rängen, die 15.000 Zuschauern Platz boten; ebenfalls sehr interessant die mächtigen Ruinen einer der größten Bibliothekender Antike, in der einst 200.000 Pergamentbände aufbewahrt wurden.
Читать дальше