Schon bald nach Passbewältigung zweigten wir nach Westen ab und fuhren auf einsamer Nebenstrecke durch karge Steppenlandschaft, so weit das Auge blickte, flache, fast kahle graubraune Hügel, durch niedrigen Bewuchs dunkelgrün gesprenkelt, dann weite staubtrockene Felder, einige mit zartem Grün überzogen, von knorrigen windzerzausten Bäumen gesäumt; gottverlassene, fast ausgestorben wirkende kleine Dörfer, bis nach etwa 140 Kilometern kurz hinter dem etwas größeren und belebteren Ort Yesilovader wunderschöne, von Hügelketten eingerahmte herrlich blaue Salda Seevor uns lag, an dessen Ufer wir uns Zeit nahmen für unsere obligate Tee- und Kuchenpause.
Jetzt trennten uns etwa noch 100 wieder sehr gebirgige Kilometer, u. a. mussten wir den 1.250 km hohen Kazikbeli Passüberwinden, von unserem Tagesziel
eines der eindruckvollsten Reiseziele der Türkei. Am frühen Nachmittag standen wir staunend unterhalb dieses phantastischen Naturwunders, schon aus der Ferne waren die sich über einen weiten Hang mehr als 100 m hinaufziehenden in der Sonne glitzernden schneeweißen Sinterterrassenzu erkennen, seit 1988 zum Weltnaturerbeder UNESCOgehörend.
Im Laufe der Jahrtausende haben stark kalkhaltige warme Quellen bizarr geformte versteinerte Wasserfälle und dazwischen natürliche verschieden große Becken geschaffen, in denen sich ständig das unentwegt herabrieselnde Wasser sammelt und man, so man möchte, ganz entspannt ein körperwarmes Bad genießen kann. Schon die Römer wussten die heilende Wirkung der Thermalquellen zu schätzen, bereits 190 v. Chr. gründeten sie dort den Kurort Hierapolis, der, mehrmals durch Erdbeben zerstört, immer wieder aufgebaut wurde. Den auf dem Hochplateau noch vorzufindenden Ruinen galt unser nächstes Interesse. In dem leicht hügeligen, steinigen, teilweise von blühendem Gras überwucherten Gelände findet man weit verstreut die Reste eines beachtlichen Amphitheaters, eines Apollotempels, die rekonstruierten großen Thermen und die angeblich größte Totenstadt aus römischer Zeit; vor einem dunklen Bergkegel, neben einer Reihe hoch aufragender schlanker Zypressen wie eine Theaterkulisse wirkend, gewaltige, gut erhaltene Arkaden. Auch dieser antike Ort zählt seit 1988 zu den Welterbestättender UNESCO.
Direkt oberhalb des Kalkhanges hatten wir ein tolles Restaurant entdeckt und ließen uns nach dem Ausflug in die Geschichte auf dem unmittelbar über dem oberen Terrassenfeld liegenden langen efeuberankten Balkon nieder. Von unserem Tisch unmittelbar an der Brüstung bot sich uns ein traumhafter Blick, noch strahlte der Hang im hellen Sonnenschein in weißestem Weiß, das Wasser in den gefüllten Becken gletscherblau, dahinter wie bemoost aussehend, runde Hügel, übergehend in eine weite steppenartige Ebene, am Horizont, sich hintereinander auftürmend, schroffe Berge.
Bei einem Aperitif ließ ich meinen Schatz in dieser einmaligen Umgebung zurück, um, auf dem Rande der Becken entlangbalancierend, wenigstens die Füße im angenehm warmen Wasser zu baden. Die allmählich untergehende Sonne überzog alles mit einem gleißend goldenen Schimmer, und als wir nach einer köstlichen Hochzeitssuppe beim knackigen gemischten Salat angelangt waren, versank sie gerade in einem blutroten Meer hinter den fernen Bergkuppen. Hübsch geformte weiße Laternen oberhalb der Brüstung übernahmen die Beleuchtung, und vom nahen Terrassenfeld blitzten Tausende von Lämpchen herüber. Das zarte Rindfleisch am Spieß zerging auf der Zunge und der exotische Obstsalat bildete einen leckeren Abschluss. Mit dem Leeren unserer Weinflasche ließen wir uns in dieser romantischen Atmosphäre wieder sehr viel Zeit und hängten zur Verlängerung noch ein Gläschen Tee an.
Im hellen Schein des Mondes kamen wir schließlich auf unserem schon vorher ausgesuchten Übernachtungsplatz mit herrlichem Blick auf bizarre Felsen an. Zu unserer Überraschung fanden wir inzwischen vier andere deutsche Wohnmobile vor. Fröhliche Begrüßung und natürlich angeregter Austausch von Erfahrungen. Um Mitternacht fielen wir todmüde in unsere Kojen, wie immer höchst zufrieden mit dem tollen Tag.
Der Samstag begann wieder sonnig und versprach sehr heiß zu werden, für uns jedoch zunächst etwas unangenehm, unser Kühler verlor laufend Wasser. Also suchten wir in der Gott sei Dank nur 18 Kilometer entfernten Stadt Denizlieine passende Werkstatt. Die erste war nicht in der Lage uns zu helfen, brachte uns aber freundlicherweise per Lotsen zu einer anderen. Dort stellte man fest, dass die Wasserpumpe vom Motor kaputt war. Da der Motor jedoch zunächst gänzlich abkühlen musste, wurden erst einmal mehrere Gläser Tee spendiert. Um 11.00 Uhr ging es los, und um 13.00 Uhr konnten wir, versehen mit den besten Wünschen und um 110,00 DM ärmer, endlich aufbrechen.
Am Mittwoch der kommenden Woche sollte bereits die Abschiedsstunde von der Türkei schlagen, wir hatten eine Kabine auf einem der Fährschiffe der „Turkish Maritime Lines“ gebucht, das uns von Izmir aus nach Venedig bringen würde. Bei dem anhaltend schönen Sonnenwetter wollten wir die uns verbleibenden drei vollen Tage gern am Meer verbringen, unser Ziel das Hafenstädtchen
81 km westlich von Izmir am Ende einer Halbinsel, gegenüber der griechischen Insel Chios,gelegen, bekannt für seine feinsandigen Strände. Da uns aber noch fast 330 km davon trennten, wählten wir die schnellste Verbindung, zunächst auf wunderschöner Strecke durch eine fruchtbare Flussebene, zu beiden Seiten grüßen in der Ferne majestätische Tausender, dann auf weiten Serpentinen durchs Gebirge gewunden bei inzwischen Wahnsinnsverkehr, der vor Izmir in einem Stau endete und auch Richtung Cesme nicht weniger wurde, anscheinend wollten alle das Wochenende am Meer verbringen.
Gegen 19.00 Uhr waren wir endlich am Ziel, das Städtchen sehr malerisch, überall grünte und blühte es in voller Pracht, aber die Gassen äußerst eng. Mühevoll arbeiteten wir uns bis zum Hafen durch, fanden dort auf der Mole, unmittelbar unterhalb einer mächtigen, hoch aufragenden, von dekorativen Palmen gesäumten Festungsanlage einen traumhaften Platz für die Nacht. Für die nötige Sicherheit war auch gesorgt, die örtliche Polizeidienststelle in Rufweite, ebenso nah zu unserer Freude ein sehr einladendes Restaurant, die weißen Mauern grün berankt, davor unter aufgespannten bunten Sonnenschirmen runde Tischchen mit bequemen Lehnstühlen, dazwischen in Tontrögen Oleander, mit tiefrosa Blüten übersät.
Da gerade einer der Tische frei wurde, konnten wir unser Dinner wieder in lauer Abendluft genießen, vom Meer her sorgte eine leichte Brise für eine angenehme Temperatur. Die Wahl der vom Koch empfohlenen reich bestückten Fischsuppe und des gegrillten fangfrischen Fisches in einem Gemüsebett brauchten wir wahrlich nicht zu bereuen, zum Abschluss konnten wir dem hauseigenen Obstkuchen nicht widerstehen. Beschwingt vom Genuss eines trockenen Rotweines kehrten wir zu später Stunde zu unserem inzwischen einsam unter einer Laterne stehenden Mobi zurück, hinter uns erstrahlte die Festung in hellem Licht und über uns wie immer ein funkelnder Sternenhimmel und die leuchtende Sichel des Mondes, also wieder Romantik pur.
Am nächsten Morgen ein Stückchen einsamen Strand zu finden, war nicht allzu schwer bei dem kilometerlangen Angebot. Die sonntäglichen Ausflügler und Touristen verteilten sich auf eine weite Strecke. Wir ließen uns in Sichtweite eines kleinen Imbissrestaurants häuslich nieder. Da die Sonne schon wieder mit 30°C vom Himmel brannte, musste unser hauseigener Sonnenschirm für den nötigen Schatten sorgen. Schnell schwammen wir in dem kristallklaren Wasser, etwas weiter draußen von flinken bunten Fischschwärmen begleitet, herrlich! Den lieben langen Tag genossen wir am Strand und im fast spiegelglatten smaragdgrünen Meer. Der Hunger am Abend wurde mit den leckeren Kleinigkeiten gestillt, die der Imbiss zu bieten hatte, Börekler (Blätterteigpasteten) mit Fleisch oder Käse gefüllt, gebratene Fleischbällchen, mit Reis gefüllte Weinblätter, Hühnerfleisch in pikanter Soße und als Dessert Joghurt mit frischen Früchten. Den spektakulären Sonnenuntergang hinter der Insel Chiosgenossen wir von unseren bequemen Klapplehnstühlen aus mit einem Glas Rotwein in der Hand, so ließ es sich herrlich leben!
Читать дальше